Chopper

Dennis Hopper, Peter Fonda und die amerikanische Rockband «Steppenwolf» haben ihm im Road Movie «Easy Rider» ein Denkmal gesetzt: dem Chopper mit seiner flachen Vordergabel und dem vielen Chrom. Allein schon die Bemalung des Tanks reichte aus, um den Fahrer zum natürlichen Feind jeder bürgerlichen Ordnung werden zu lassen. Das Thema des Films, das Schmuggeln von Kokain, tat da wenig, um dieses Image zu korrigieren.

Chopper – das kommt von «to chop», hauen, hacken, wegschneiden. Das war, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, durchaus wörtlich gemeint. Bei Kriegsende sass die US-Army auf 90 000 Motorrädern, von Harley-Davidson für den Kampfeinsatz gebaut, und in Friedenszeiten zu nichts mehr nütze.

Die gut erhaltenen Maschinen mit ihren 23 PS und ihrem Hubraum von 740 Kubikzentimetern wurden oft von Veteranen gekauft, die ihr im Krieg gelerntes Mechanikerhandwerk weiterpflegen wollten. Weil die Bikes aber schwer und hässlich waren, griffen die Bastler als erstes zum Schweissbrenner und schnitten alles weg, was nicht zwingend nötig war: Windschutzscheibe, Radabdeckungen, Munitionsbehälter, Gewehrtasche, Scheinwerfer und sogar die Rückspiegel, die man keck durch winzige Spiegelchen ersetze, die nicht selten aus einer Zahnarztpraxis stammten. Die Chopper: das waren nicht die Bikes, sondern vielmehr die Bastler.

Ihre radikal umgebauten Maschinen, einst ausrangiertes Kriegsgerät, gerieten zum Kult. Heute ist der rider nicht mehr ganz so easy: Eine zum Chopper umgebaute Harley, wie sie Dennis Hopper 1969 gefahren war, kostet ein kleines Vermögen.

Ciao

Eine einzige Silbe, aber beileibe nicht einsilbig: Ciao ist der kumpelhafte, herzliche Gruss, dessen italienische Wurzel längst zum Exportschlager geworden ist. Mit ciao grüsst man in halb Europa, in der Grande Nation und auf dem gesamten amerikanischen Kontinent. Als Formel in kubanischen Briefen macht ciao mittlerweile sogar dem traditionellen adiós den Rang streitig.

Der freundliche Gruss hat seinen Ursprung im Venedig des Mittelalters. Händler und Seefahrer pflegten einander mit sciào vostro zu begrüssen, was nichts anderes als «ich bin Ihr Sklave» heisst – in der Bedeutung: Wenn Du mich jemals brauchen solltest, dann kannst Du auf mich zählen. Sono il vostro schiavo: Diese Sklaverei als Gruss ist im übrigen nichts Ungewöhnliches. Wenn sich Österreicher oder Bayern mit servus verabschieden, nehmen sie genauso das lateinische Wort für «Sklave» in den Mund.

Dennoch: Dass unser freundliches ciao aus Venedig kommt, muss noch lange nicht heissen, dass die einst blühende Republik durch ausgesuchte Höflichkeit zu Macht und Gold gekommen wäre. Dafür verantwortlich war vielmehr der Handel mit Schiffen, mit Tuch, Seide, Glas, Salz, Pfeffer – und mit den schiavi, die dem Gruss zu Gevatter standen: den Sklaven, die von hier aus zu Abertausenden ins muslimische Spanien, nach Ägypten und Asien exportiert wurden.

Noch etwas: Wenn wir uns mit tschüss verabschieden, dann hat das mit Sklaverei nichts zu tun. Tschüss kommt vom lateinischen ad deum – spanisch adiós und niederdeutsch adjüs – und heisst ganz einfach «zu Gott».

Cool

Miles Davis mit dem Titel «Rocker», 9. März 1950 in New York. Richtig cooler Sound. Cool, das war es, was Miles Davis und sein Nonett im Studio ausdrücken wollten: Relaxt, lässig, in sich gekehrt – ein Jazz, so ganz anders als der laute, hektische Bebop der 1940er-Jahre. Als «Rocker» zusammen mit elf weiteren Titeln auf Schallplatte erschien, konnte die gar nicht anders heissen als «Birth of the Cool», und die Platte ist tatsächlich ein Meilenstein des sogenannten «Cool Jazz».

Das englische Wort cool stammt vom deutschen «kühl» ab und bedeutete ums Jahr 1000 noch nichts weiter als weder zu heiss noch zu kalt. 600 Jahre später, in Shakespeares «Hamlet», ist mit cool nicht mehr nur das Wetter gemeint, sondern Gemüt oder Temperament: Kühl, das heisst überlegt, rational, ruhig.

In der Unterschicht der USA begann cool ein Eigenleben zu führen. 1884 nennt der Sprachprofessor James A. Harrison in einem begeisterten, wenngleich von Rassismus triefenden Aufsatz über das nordamerikanische «Neger-Englisch» den Ausruf Dat’s cool!, und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde cool endgültig zu dem, was es heute ist. Die höchsten Weihen im Jazz erhielt der, von dem man sagte, er sei a cool cat. Coolness wurde zum Gestus, zur Haltung: Understatement, Souveränität, Rebellion, die es nicht nötig hatte, aggressiv zu sein, genau so wie James Dean im Filmklassiker «Rebel Without a Cause», «Denn sie wissen nicht, was sie tun».

Oder eben wie der Trompeter Miles Davis in seinem Album «Birth of the Cool».

Wir spielten uns einfach etwas sanfter in die Ohren der Leute als die anderen,

meinte er ganz cool in seiner Autobiografie.

Wir gingen einfach etwas mehr in Richtung Mainstream. Mehr war’s nicht.

Dessert

Das Dessert ist das Sahnehäubchen des Banketts, dabei gehört es eigentlich schon gar nicht mehr dazu: Das Wort kommt vom französischen desservir, «abtragen» – ein Dessert ist also das, was kommt, wenn das Geschirr des Hauptgangs abgetragen ist. Für ein formvollendetes Dessert wird der Tisch abgeräumt, werden die Hände gewaschen und wird ein frisches Tischtuch ausgebreitet.

Das Dessert als solches ist noch gar nicht so alt. Die heutige Abfolge von Gängen bürgerte sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein. Davor konnte es durchaus sein, dass die Gäste das Dessert im Salon zu sich nahmen, oft stundenlang, beim Plaudern und Umherschlendern. In Frankreich und England wurde beim sogenannten ambigu das Dessert gleichzeitig mit allen anderen Gerichten kunstvoll drapiert – opulente Tafeln dieser Art sind auf Renaissance- und Barockgemälden zu sehen.

Was genau ein Nachtisch zu sein hatte, hing stets von der jeweiligen Zeit und Kultur ab: Süssspeisen aller Art, Kuchen und Konfekt, Früchte, Käse, Nüsse, in Japan und China auch ein Glückskeks mit philosophischem Sinnspruch. Beim Gastmahl des Trimalchio, beschrieben vom römischen Senator und Autor Titus Petronius im 1. Jh. n. Chr., umfasste allein das Dessert gleich mehrere Mahlzeiten: Drosselfleischpastete, Quitten, Rosinen und Nüsse, Schweinefleisch in Form einer gebratenen Gans, dazu Fisch, Austern und Schnecken. Wohl bekomm’s!

E-Mail

Wir schreiben das Jahr 1967. Der Ingenieur Lawrence Roberts, Architekt des Arpanet und damit einer der Väter des modernen Internet, war felsenfest überzeugt: Das Austauschen von Textmitteilungen unter den Netzwerkteilnehmern, so schrieb er, sei «kein wichtiger Beweggrund, ein Netz von wissenschaftlichen Rechnern aufzubauen». Es war die Zeit, als Telex noch ein schnelles Kommunikationsmittel war, als Computer noch schrankgross und nur etwas für die crème de la crème der Wissenschaft waren. «Not an important motivation» – welch krasse Fehleinschätzung!

Heute tragen wir Computer in der Tasche, die ein Eintausendfaches jener Rechner leisten, mit denen Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins 1969 auf den Mond gesteuert wurden, Computer, die gleich auch noch telefonieren können und lichtschnelle Postboten sind.

Die Post, damals Briefe oder Lochstreifen, ist heute digital. Und auch sie hat sich vervielfacht. 107 Billionen E-Mails wurden allein letztes Jahr verschickt, eine Zahl mit zwölf Nullen. Druckte man die alle auf Papier, der Turm reichte von der Erde bis hoch zur Venus.

Nur das Recht ist noch nicht so ganz im Internetzeitalter angekommen: E-Mails sind bis heute keine echten Beweismittel. Wer klagen will und nur eine E-Mail in der Hand hat, wird’s vor dem Richter schwer haben. Anders ist das beim Telefax, einer Technik, die fast schon ins Museum gehört.

Bei dieser ozeanischen Flut von E-Mails müsste man meinen, die Menschheit habe noch nie so viel geschrieben und gelesen wie heute. Schön wär’s. Neun von zehn aller Mails dieser Welt sind Spam.