Alarm

Ein Alarm ist eine ernste Warnung.

Gleich schallet ein Alarmen;
Da wand ich mich zu ruck
Alß vil mich kond vmbgreiffen
Mit meinen augen beyd
Ich mörder sah durchstreiffen
Die Felder weit und breit,

dichtete Anfang des 17. Jahrhunderts der deutsche Jesuit Friedrich Spee. Seit jeher lebt der Mensch in Gruppen zusammen, und sobald Gefahr droht, ermöglicht der Alarm das Aufbieten aller Kräfte, um den Kampf aufzunehmen und die Gemeinschaft in Sicherheit zu bringen. Eine funktionierende Alarmorganisation war zu allen Zeiten wichtig – so wichtig, dass sie sogar eigene Berufe hervorbrachte: Der Torwächter im Mittelalter schlug Alarm, sobald sich Unbekannte vor der Stadtmauer zusammenrotteten, der Türmer läutete die Feuerglocke, wenn er einen Brand entdeckte, in Burgen und auf Berggipfeln hielten Wachen stets zwei Holzstösse bereit, um bei drohender Gefahr ein Hochwacht– oder Kreidfeuer zu entzünden – tagsüber mit feuchtem Holz, damit der Rauch weithin sichtbar blieb, nachts dagegen mit trockenen Scheitern, damit das Feuer möglichst hell aufloderte.

Heute alarmieren vor allem Apparate – von der automatischen Brandmeldeanlage über die Alarmanlage gegen Einbrecher bis hin zum Radio, dessen Wecker ebenfalls «Alarm» heisst. Letzteres ist eine ziemliche Verharmlosung: Das Wort stammt nämlich vom alten italienischen Weckruf all‘ arme! ab, auf Deutsch «zu den Waffen!»

Ein Alarm will unter allen Umständen wahrgenommen werden, und deshalb ist er vor allem eins: Laut, unerträglich laut. Es ist daher kein Zufall, dass vom mittelalterlichen «all‘ arme!» auch ein anderes, weit gebräuchlicheres Wort abstammt: der «Lärm».

Blockbuster

Alles begann 1917, mit einem spektakulären Urteil des höchsten Gerichts der Vereinigten Staaten. Dem Supreme Court in Washington D.C. lag ein Gesetz von Louisville, Kentucky, vor, das den Verkauf von Liegenschaften in von Weissen bewohnten Stadtvierteln an Käufer anderer Hautfarbe verbot. Dieses Gesetz, so befanden die Richter, verletze die Vertragsfreiheit und sei daher ungültig.

Was wie ein Sieg im Kampf gegen die Rassentrennung aussah, erwies sich als Goldgrube für halbseidene Immobilienmakler. Ihr Trick nannte sich blockbusting: Weil sich nun jedermann, egal welcher Hautfarbe, überall, egal an welcher Strasse, einkaufen konnte, boten die Händler ein Haus, das in einem bisher nur von Weissen bewohnten Viertel lag, einer schwarzen Familie an, die den übervölkerten Ghettos entfliehen wollte. Darauf streuten sie das Gerücht, weitere farbige Familien seien dabei, in die Nachbarschaft zu ziehen. Wo sich Rassenvorurteile hartnäckig hielten, begannen immer mehr weisse Hausbesitzer, zu verkaufen. In gewissen Vierteln machte sich gar eine regelrechte Panik breit, und je mehr Verkäufer, desto tiefer die Verkaufspreise. Am Ende rieben sich die Makler die Hände und verkauften die leerstehenden Häuser tatsächlich an Farbige, allerdings mit einem unverschämten Aufschlag.

In seiner wörtlichen Bedeutung, «einen Häuserblock weg- oder leerfegen», bedeutete blockbuster in den 1940er-Jahren eine verheerende Fliegerbombe und, im Oxford English Dictionary, einen erfolgreichen Musikfilm. Die Herkunft aus Halsabschneiderei und Rassismus dagegen ging allmählich vergessen.

Blüte

Die Blüte ziert nicht nur den Blumenstrauss, sie ist auch Rotwelsch und steht in der Gaunersprache für eine gefälschte Banknote. Möglicherweise stammt sie von blede ab, einem alten Wort für «Goldstück». So hiessen im 19. Jahrhundert blank polierte Pfennige, die man Gutgläubigen unterschob. Seit jeher haben Händler deshalb ein Auge darauf, dass ihnen da nicht etwa Falschgeld untergejubelt wird. Im Mittelalter schuf ein beherzter Biss Klarheit – Falschgeld war in der Regel härter als das weiche Münzgold. Dem Fälscher drohte dann ein grausamer Tod: Er wurde, die Füsse voran, mit einer Winde langsam in siedendes Öl getaucht.

Heute sind die Strafen weniger drakonisch, und trotz Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr wird nach wie vor gefälscht, was das Zeug hält. Ein ergiebiger, aber anspruchsvoller Weg ist das Nachdrucken: Die Druckplatten werden, Farbe für Farbe, in mühevoller Kleinarbeit hergestellt und die Banknoten danach in Serien gedruckt. Noch bis zur Jahrtausendwende waren gedruckte Blüten beliebt, doch heute sind die meisten hausgemacht: 2013 wurden Noten im Wert von über einer halben Million Franken aus dem Verkehr gezogen, die aus einem Farbkopierer oder gar aus einem billigen Tintenstrahldrucker stammten.

Die Fälscher, das sind Banden, die Blüten industriell herstellen, das sind arme Schlucker, die in ihrer Not nicht anders können. Und dann gibt es da noch den Künstler: 1973 flog in München der später als «Blütenrembrandt» bezeichnete Grafiker Günter Hopfinger auf. Er hatte deutsche Tausendmarkscheine zu Dutzenden nachgemacht – mit dem Tuschefüller und von Hand. Für einen einzelnen Schein, so erklärte er den verdutzten Polizeibeamten, habe er nur acht Stunden gebraucht.

Computervirus

Die Geschichte der Computerviren beginnt 1949. John von Neumann, ungarisch-amerikanischer Mathematiker und Professor an der Universität von Illinois, beschreibt in einem Essay ein Computerprogramm, das sich wie ein Organismus fortpflanzen kann. Ein Code, der in der Lage ist, sich selbst zu reproduzieren – das ist zwar erst graue Theorie, aber eine wissenschaftliche Sensation. 1972 wird der österreichische Ingenieur Veith Risak konkreter. Sein Artikel mit dem Titel «Selbstreproduzierende Automaten mit minimaler Informationsübertragung» ist die erste präzise Bauanleitung für einen Virus – damals noch in der Programmiersprache «Assembler» und für einen der damaligen Grossrechner von Siemens gedacht.

So richtig ernst wird es im Januar 1986. Basit und Amjad Farooq Alvi aus Lahore, Pakistan, sind Programmierer von Medizinalsoftware. Zu ihrem Leidwesen werden die Disketten immer öfter raubkopiert, und so sehen sich die Brüder gezwungen, ihr Programm zu schützen. Ein Virus, der allererste für das vorherrschende Betriebssystem MS-DOS, befällt alle Rechner, auf denen eine illegale Kopie läuft. Der Schädling selbst hat durchaus noch Charme: Im Code veröffentlichen die beiden Brüder nämlich ihre Postadresse mitsamt der Telefonnummer, damit man sie kontaktieren kann, um eine legale Kopie der Software zu kaufen und den befallenen Computer wieder zu desinfizieren. Immer mehr aufgebrachte Nutzer aus aller Welt rufen an. Die Brüder rechtfertigen sich wortreich, dass ihre Absicht keine schlechte gewesen sei – bis am Ende die Leitung zusammenbricht.

So kommt es, dass die Computerviren ihren Siegeszug antreten – und dass Antivirenprogramme ein Milliardengeschäft werden.

Doppelagent

Spione sind loyal – nur nicht gegenüber dem Land, in dem sie leben. Aber da gibt es Agenten, die kennen mehr als eine Loyalität: Doppelagenten spionieren für und gegen die eine wie die andere Regierung. Zum Beispiel die legendäre Nackttänzerin und Kurtisane Mata Hari. Mata Hari hiess tatsächlich Margaretha Geertruida Zelle und war nicht die Tochter eines indischen Brahmanen, sondern eines niederländischen Hochstaplers. Seit 1915 deutsche Spionin in Paris, horchte sie gleichzeitig Generäle für die Franzosen aus. Bloss: Schon früh kam der britische Secret Service zum Schluss, dass die Tänzerin zwar unvergleichlich schön, als Spionin aber harmlos war.

Im Halbdunkel geheimdienstlicher Scharaden verlieren zuweilen sogar Spione den Überblick. Hinter dem deutschen Doppelagenten namens «Bambi» soll sich der Geheimdienstler und Journalist Günter Tonn verborgen haben, der seit 1955 für den KGB spionierte. Nur: Was er weitergab, war fingiert, denn tatsächlich soll Tonn die Russen ausspioniert haben. Vieles liegt im Dunkeln, doch als sicher gilt: «Bambis» Führungsoffizier Heinz Felfe, war ebenfalls Doppelagent – aber diesmal tatsächlich im Dienste Moskaus; dass «Bambi» nicht zu trauen war, war den Russen bekannt – und egal. Denn als «Bambi» aufflog, beschleunigte das Felfes Karriere beim Bundesnachrichtendienst.

Doppelagenten sind ungemein effizient: Weil sie hartgesottene Spionageprofis sind, kennen sie das Metier, und sie liefern nicht bloss Geheimmaterial, sondern auch Einsichten in die Arbeit der Agentenjäger. Felfe, am Ende Gegenspionagechef in Pullach, war Doppelagent im ganz grossen Stil: 15 000 Geheimdokumente hat er weitergegeben, 190 deutsche und amerikanische Agenten enttarnt.