Wenn wir etwas ganz und gar tun, dann tun wir es radikal. Radikal ist ein Begriff der Alltagssprache, aber mit einer weit verzweigten und eminent politischen Geschichte.
Radikal stammt von radix ab, der lateinischen Wurzel, ebenso wie unser Rettich und das Radieschen. Die Redensart will es, dass man Unkraut und Übel am besten an der Wurzel packt. Und so wurde das englische radical oder das französische radical im frühen 19. Jahrhundert zum eigentlichen Schimpfwort für eine politische Bewegung, die die alten Herrschaftsverhältnisse aus Korn nahm und lautstark nach Reformen schrie. Von den Konservativen als Radikale verleumdet, drehten die Republikaner in Frankreich 1835 ganz kokett den Spiess um – und nannten sich selbst ab sofort parti radical. Und so wurde das Wort salonfähig.
Radikale gab es auch in der Schweiz, und ihre Politik war eng mit dem Liberalismus verknüpft. Der junge Albert Bitzius, für kurze Zeit Vikar an der Heiliggeistkirche in Bern, sympathisierte anfangs mit den revolutionären Ideen. Weil sich die Radikalen in ihrem Kampf für Volksrechte zunehmend gegen die Obrigkeit stellten, waren sie dem alten Jeremias Gotthelf, mittlerweile Pfarrer von Lützelflüh, ein Dorn im Auge: «Wenn die einmal recht am Brett sind», wettert er in einem seiner späten Romane, «so verbrennen die die Bibel, schliessen die Kirchen, verbieten bei Todesstrafe das Beten und befehlen, alle Tage sieben Stunden im Wirtshause oder im Kaffeehause oder auch im Theater zu sitzen, und zwar alles aus Freisinnigkeit und wegen dem entschiedenen Fortschritt.»
A propos Freisinnigkeit: Aus den Liberalen und Radikalen dieser Zeit ist tatsächlich die moderne FDP geworden. Französisch heisst sie noch heute PLR – parti libéral-radical.