Autobahn

50 Jahre ist es her, da waren Autobahnen nicht Schneisen der Blechlawinen, sondern der Inbegriff der Moderne – die Politik sah in ihnen das Netz, das Stadt und Land, die Landesteile, ja die Schweiz als Staat zusammenhalten sollte, von Wirtschaftlichkeit und Sicherheit ganz zu schweigen. «Nur selten bietet sich einem Staate die Gelegenheit, in einem Wurfe die Verkehrsbeziehungen eines Verkehrsträgers durch eine Gesamtkonzeption grundlegend neu zu gestalten und damit den Erfordernissen des modernen Lebens auf Jahrzehnte hinaus anzupassen», schrieb der Bundesrat 1960 in seiner Botschaft ans Parlament.

Tatsächlich: Eine Autobahn ist nicht einfach eine Strasse – sie ist eine Strasse im Plural. Sie ist nur an bestimmten Stellen zugänglich, hat im Regelfall vier nach Fahrtrichtung getrennte Spuren, eine Pannenspur und keine Kreuzungen auf gleicher Höhe.

Und sie hat eine lange Geschichte. Die erste Autobahn der Welt war die legendäre Avus in Berlin, vom Funkturm durch den Grunewald. Die Avus, eine Abkürzung für «Automobil-Verkehrs- und Übungs-Strasse», war eine Renn- und Teststrecke, privat finanziert, ab 1913 gebaut und, nach Unterbrüchen während des Ersten Weltkriegs, 1921 eröffnet. Mit heutigen Autobahnen hatte die Avus noch wenig gemein. Sie wies eine aus Backstein gemauerte Steilkurve auf und hatte Bodenwellen von bis zu 10 Zentimetern Höhe. Die Avus war lebensgefährlich und für Private, wenn überhaupt, nur gegen teures Geld zu befahren.

Heute sind Autobahnen aus der Schweiz nicht mehr wegzudenken. Pro Jahr legen wir auf ihnen 25 Milliarden Fahrzeugkilometer zurück – das ist mehr als 80-mal von der Erde zur Sonne und wieder zurück.

Bahnhofsuhr

I han en Uhr erfunde, wo geng nach zwone Stunde blybt stah.

Die Uhr des Berner Liedermachers Mani Matter, die immer wieder stehenbleibt, hatte ein Vorbild: Die Schweizer Bahnhofsuhr. Sie ziert in vielfacher Ausführung jeden Bahnhof der SBB. Erfunden wurde sie 1944, vom Ingenieur und Selfmade-Designer Hans Hilfiker. Hilfiker erfand am laufenden Band: Allein für die SBB entwarf er Spezialkräne, Perrondächer, Fahrplanprojektoren und ganze Dienstgebäude.

Seine Uhr war ein radikaler Bruch mit den verschnörkelten Zifferblättern aus der Zeit des Jugendstils: Weisser Hintergrund, eine Minuteneinteilung aus strengen Rechtecken, schwarze Zeigerbalken, ein schlanker roter Sekundenzeiger mit einer roten Scheibe, die an die Kelle des Bahnhofsvorstehers erinnert und das sekundengenaue Ablesen der Uhr auch aus Distanz ermöglicht. Hilfikers Design war so elegant, zeitlos und funktional, dass sich heute fast alle Bahnhofsuhren der Welt daran orientieren.

«I han en Uhr erfunde, wo geng nach sächzg Sekunde blybt stah»: Wie in Mani Matters Lied bleibt auch Hilfikers Bahnhofsuhr immer wieder stehen, jede Minute einmal: Immer bei exakt null Sekunden gibt die Hauptuhr einen elektrischen Impuls und stellt so die Ganggenauigkeit aller Bahnhofsuhren sicher. Weil eine sekundengenaue Synchronisation bei der Einführung 1947 noch nicht möglich war, läuft der Sekundenzeiger immer ein bisschen zu schnell, legt dann auf zwölf Uhr eine kleine Pause ein und wartet rund eineinhalb Sekunden lang auf das Signal zum Weiterdrehen. Bis auf den heutigen Tag.

Bus

Der pensionierte Oberst Stanislas Baudry ist ein gewiefter Geschäftsmann. In einem Dorf ausserhalb von Nantes besitzt er eine Mühle, die von Dampfmaschinen angetrieben wird. Das heisse Wasser seiner Maschinen, so denkt er sich, müsste sich doch weiternutzen lassen, und so lässt er gleich nebenan ein öffentliches Bad bauen. Bloss, die Stadt ist weit, und die Badegäste bleiben aus. Also lässt Baudry zu festen Zeiten Pferdekutschen fahren – von Nantes zu seinem Bad. Tatsächlich: Bei der Abfahrt sind die Wagen rappelvoll, doch beim Badehaus kommen sie leer an: Die Menschen fahren mit den Kutschen in der Stadt umher und steigen nach Belieben wieder aus. Unternehmer Baudry versteht, schliesst kurzerhand Bad und Mühle und eröffnet 1825 in der Stadt ein öffentliches Kutschennetz.

Bleibt die Sache mit dem Namen. Am Anfang heisst die Firma «Entreprise générale des dames blanches», benannt nach der damals sehr populären Oper «La dame blanche» des Komponisten François-Adrien Boieldieu. Die weissen Damen verheissen zwar reichlich Glamour, sind aber irreführend, weil der Kutschendienst ja für alle gedacht ist, egal welchen Geschlechts oder welcher Schicht. Also werden die Kutschen umbemalt und tragen neu den lateinischen Namen «Omnibus», auf Deutsch «für alle». Der Betrieb floriert, und Baudry expandiert nach Bordeaux und Paris. Bald heissen öffentliche Kutschen überall «Omnibus», später «Autobus» – und heute, kurz und bündig, einfach «Bus».

Catering

Catering ist die globalisierte Variante des Streichens von Pausenbroten. Und wie es sich für ein Kind der Globalisierung gehört, kommt Catering aus dem Englischen und bezeichnet ganz einfach das Liefern von Lebensmitteln. Weil der Mensch ein gefrässiges Tier ist, braucht er Snacks in jeder Lebenslage: Ob in der Bahn oder der Kantine, ob auf der Gartenparty oder dem Langstreckenflug – überall kommt Catering zum Zug.

Gate Gourmet heisst der Nachfolger des einstigen Swissair-Caterings und ist die Nummer eins der Schweiz im Flugzeug- und Bahngeschäft. Jahr für Jahr werden in den Töpfen des Zürcher Konzerns 250 Millionen Mahlzeiten zubereitet und an Airlines in 28 Ländern geliefert. Bei dieser gewaltigen Nachfrage ist Schluss mit gemütlichem Brutzeln und Köcheln. Da wird, an 365 Tagen pro Jahr, auf so genannten Koch- und Bratstrassen hochindustriell produziert, und Köche aller Herren Länder verarbeiten jährlich Tausende von Tonnen Obst, Gemüse, Fleisch.

Gross geschrieben werden dabei nicht nur Tempo und Pünktlichkeit, sondern auch Kühlung und Hygiene. Von jeder grösseren Lieferung wird eine Gegenprobe eingelagert, die man von unabhängiger Seite untersuchen lassen kann, falls einem Passagier mal nicht nur vom Fliegen übel wird. Die Kehrseite der Medaille: Jedes nicht verzehrte Schnitzel wird, selbst wenn verpackt und unberührt, ungerührt vernichtet.

Catering ist längst ein deutscher Begriff geworden. Der klingt zwar nach einem Anglizismus, ist aber genau genommen keiner. Denn to cater ist der Enkel des altfranzösischen achater, «kaufen». Vermutlich deshalb sind die Snacks von heute so teuer.

Flugticket

Ein Flugticket ist ein Wertpapier: Ein Flug nach Amerika, Asien oder Australien kostet eine schöne Stange Geld. Daraus ergibt sich ein eigenartiger Konflikt: Aus rechtlicher Sicht ist ein Flugticket bloss eine Eintrittskarte – eine allerdings, die ziemlich viel kostet.

Aus diesem Grund hatten Flugtickets jahrzehntelang auszusehen wie eine Mischung aus Aktie und Banknote. Das aufwändig bedruckte Spezialpapier sollte nicht nur Fälschungen verhindern, sondern vor allem dem Passagier den Eindruck vermitteln, nebst einem teuren Transport auch ein kostbares Dokument erstanden zu haben.

Dabei war das Flugticket im Grunde stets Nebensache. Rechtlich gesehen kommt ein Vertrag nämlich bereits zustande, wenn sich die beiden Parteien über die wesentlichen Punkte einig sind. Sobald der Passagier der Fluggesellschaft oder dem Reisebüro mitteilt, dass, wann und wohin er fliegen will, gilt der Vertrag als abgeschlossen. Das Ticket ist nur der Beleg. Was sich einfach liest, ist gesetzlich ein Labyrinth. Die Schweiz etwa kennt für diese Art von Beförderungsverträgen kein eigenes Gesetz, und wo Gesetze fehlen, kommt es auf das Kleingedruckte an. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Airlines regeln die Details auf Dutzenden A4-Seiten.

Und doch: Dass es bei Flugtickets auf teuren Druck nicht ankommt, zeigen die heutigen elektronischen Tickets. Sie bestehen im Kern nur noch aus einer Buchungsnummer, die aus einer sechs- oder siebenstelligen Buchstaben- und Zahlenkombination besteht. Statt ein sperriges, mehrseitiges Wertpapier vorzuweisen, reicht es aus, diesen Code beim Check-in oder am Automaten anzugeben – oder, noch einfacher, vom Smartphone anzeigen zu lassen.