Abakus

Der Abakus ist ein Gerät, wie es einfacher nicht sein könnte: Ein Holzrahmen, dazwischen aufgespannt eine Reihe von Stäben, auf denen schwarze Perlen aufgereiht sind. Was aussieht wie ein Kinderspielzeug, ist tatsächlich ein raffinierter Rechner, erfunden vor über dreitausend Jahren in Indien und China. Im Mittelalter entdeckten Japaner den Zählrahmen, und in einer etwas vereinfachten Form hielt er Einzug in den Handel der aufgehenden Sonne.

Der Abakus hat es in sich. In Windeseile kann man mit ihm addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren; selbst Quadrat– und Kubikwurzeln lassen sich damit ziehen. Wenn’s ums einfache Zusammenzählen geht, kommen fingerfertige Händler mit dem Zählrahmen gar schneller zum Ziel als wir mit dem Taschenrechner.

Den Abakus kannten bereits die Römer, auch wenn ihre Version – bedingt durch das umständliche Zahlensystem – nicht ganz so leistungsfähig war. Der lateinische Name stammt vom noch älteren griechischen abax ab, einer mit feinem Sand bestreuten Platte, die zum Skizzieren oder eben zum Rechnen diente.

Jahrhundertelang in Gebrauch, wurde der Abakus in Westeuropa erst durch das schriftliche Rechnen mit den neuen indisch-arabischen Zahlen und später durch die ersten mechanischen Rechenmaschinen verdrängt. Die russische Variante, der Stschoty (von russisch Stschot, «Rechnung»), lebte auf den Märkten der früheren Sowjetunion weiter; in russischen Schulen wurde Rechnen mit dem Abakus noch bis in die Neunzigerjahre unterrichtet. Heute ist der Abakus nur noch, wonach er aussieht: Ein Spielzeug. Aber eines mit Geschichte.

Algorithmus

Algorithmus ist ein Fremdwort, das so fremd ist, dass wir immer wieder darüber stolpern. Zum Beispiel über seine Rechtschreibung: Algorithmus schreibt sich mit i und hat mit Rhythmus (mit y) nichts zu tun.

Das Wort kommt vom Namen des iranischen Universalgelehrten Mohammed al-Chwarizmi. Der schrieb ums Jahr 825 ein Lehrbuch über das Addieren und Subtrahieren mit dem hinduistischen Dezimalsystem, das dem in Europa gebräuchlichen Rechnen mit den römischen Zahlen weit überlegen war. Der Band wurde ins Lateinische übersetzt und beginnt mit den Worten Dixit Algorismi, «Algorismi hat gesagt». Aus diesem Namen wurde unser Algorithmus. Das Hauptwerk des Gelehrten hiess übrigens al-Jebr, woraus unser Wort «Algebra» entstanden ist.

Ein Algorithmus ist im Grunde nichts anderes als ein Berechnungsverfahren zur Lösung einer bestimmten Problemstellung. In der Schule haben wir gelernt, wie man Zahlen schriftlich addiert und subtrahiert – sozusagen al-Chwarizmis Algorithmen der ersten Stunde. Ein algorithmisches Verfahren lässt sich in endlich viele einzelne Schritte unterteilen, die in genau dieser Form und Abfolge auszuführen sind. Bei gleicher Ausgangslage führt ein Algorithmus daher immer zum exakt gleichen Ergebnis. Das Verfahren kann, wie wir aus der Schule wissen, anstrengend und fehleranfällig sein, und damit ist auch gleich erklärt, weshalb der wahre Meister des Algorithmus heute der Computer ist.

So seltsam sie auch heissen, Algorithmen bestimmen unser Leben. Im Computerspiel mischen sie die Karten, sie verschlüsseln unsere Bankdaten, und sie sagen Börse und Wetter vorher. Bei all seiner Klarsicht: Das hätte sich selbst der Visionär in seiner iranischen Oase nie träumen lassen.

Basketball

James Naismith war Arzt und Sportlehrer an der YMCA International Training School in Springfield, Massachusetts, und er hatte Sorgen. Die 18 neuen Athleten des Jahres 1891 waren Rowdys; sie liebten kampfbetonte Sportarten, und im Winter in der Sporthalle liess die allgemeine Gereiztheit die kleinste Rangelei zur ausgewachsenen Massenschlägerei ausarten. Also dachte Naismith nach. Für die häufigen Verletzungen im Fussball, Rugby, Football, Hockey und Baseball gab es zwei offensichtliche Gründe: den Kampf um den Ball und die Tore, deren Hüter beim gegnerischen Ansturm am meisten abbekamen.

Um die jungen Wilden bei Laune zu halten, dachte sich Naismith daher ein neues Ballspiel aus: So wenig Körperkontakt wie möglich, die Tore in die Höhe, hoch über die Köpfe der Spieler hinaus. Naismith liess den Hausmeister Pop Stebbins an den Emporen der Sporthalle zwei «baskets» aufhängen, Körbe, wie man sie für die Pfirsichernte brauchte. Nach einem Treffer wurde der Ball mit einem Stock wieder herausgefischt; das nach unten offene Netz gibt es erst seit 1906. Basketball sollte ein reines Pass- und Wurfspiel sein – heikle Kämpfe um den Ball sollten unterbleiben. Die Körbe hingen so hoch, dass ein Torwart unsinnig war, und die insgesamt 13 Spielregeln waren darauf hin angelegt, dass sich auch bei vollem Einsatz keiner verletzte.

Seit 1936 ist Basketball für Männer olympisch, seit 1976 auch für Frauen. Naismiths Regeln gelten im Wesentlichen noch immer, und die Korbhöhe von 3,05 Metern – die Balkonhöhe der alten Sporthalle in Springfield – ist bis heute die Norm.

Counterstrike

Jugendgewalt und Gewaltspiele am Computer: Nach jeder Tat flammt die Diskussion um Verbote neu auf. Aus einsichtigen Gründen. Gewalt verherrlichende Games, so genannte Ego-shooter, bestehen aus hyperrealistischen, düsteren Szenerien, betrachtet aus einer Ich-Perspektive, und es gilt, mit detailliert dargestellten Schusswaffen möglichst viele Gegner abzuknallen.

Das Spiel Counterstrike, 1999 erstmals veröffentlicht, ist eines der bekanntesten. In Counterstrike kämpfen Terroristen gegen Antiterroreinheiten, die Guten gegen die Bösen, und über Internet können sich die Spieler zu guten oder bösen Gruppen zusammenschliessen. Geschossen wird auf alles, was sich bewegt, auf täuschend echte menschliche Figuren, gesteuert von anderen Spielern.

Wohlgemerkt: Wer in einem Pornoheft blättert, wird deswegen nicht zum Sexualstraftäter. Ein Computerspiel trägt nicht Schuld. Jede Tat hat ihre eigene, lange Geschichte, ihren eigenen biografischen Hintergrund.

Womit wir dann eben doch bei Computerspielen sind. Ego-shooter mit ihren mörderischen Namen wie Counterstrike, Battlefield und dergleichen mehr nutzen die gesamte Leistung vernetzter Computer und sind schwindelerregend realistisch. Spielt ein Jugendlicher exzessiv, dann können sich die Konturen seiner Realität verwischen. Dann beginnt Sucht, Krankheit, und am Ende vielleicht der Wahn.

Bleibt noch anzumerken, dass solche Spiele keine Randerscheinung sind: Counterstrike wurde über 11 Millionen Mal verkauft, Onlineverkäufe noch nicht eingerechnet. Und: Ego-Shooter sind keine Angelegenheit krimineller Anbieter. Das womöglich Bekannteste dieser Gewaltspiele, das gar kostenlos im Internet heruntergeladen werden kann, heisst – America’s Army. Es dient der Rekrutierung künftiger Soldaten und stammt, ganz offiziell, von der U.S. Army und dem Pentagon.

Daumenkino

Ein Daumenkino ist ein Büchlein voller Zeichnungen, die sich, eine um die andere, geringfügig unterscheiden. Blättert man die Seiten mit dem Daumen in rascher Folge ab, entsteht die Illusion einer Bewegung. Das Auge sieht einen Film – einen Film, der so lange dauert, wie das Büchlein dick ist. Daumenkinos sind ein Vergnügen für Kinder, und sie sind einer der Vorläufer von Kino und Fernsehen.

Daumenkinos gab es schon ums Jahr 1600. Doch es sollte bis 1868 dauern, dass ein gewisser John Barnes Linnett, Drucker in Birmingham, ein flip book patentieren liess, auf Deutsch ein «Blätterbuch». Wesentlich älter ist eine Schüssel aus der Bronzezeit, die iranische Archäologen in Schahr-e Sochte ausgruben und die, um die eigene Achse gedreht, eine hochspringende Ziege zeigt, die nach Baumzweigen schnappt.

Wie alt das Daumenkino aber tatsächlich ist, wissen Archäologen erst seit kurzem. Münzengrosse, seitlich mit zwei kleinen Löchern versehene Tonscheiben, die auf beiden Seiten eingekerbte Tierfiguren zeigten, gaben der Wissenschaft lange Zeit Rätsel auf. Sie waren in Frankreich und Spanien gefunden worden, und sie waren unzweifelhaft uralt – 14 000 bis 21 000 Jahre alt. Bloss: Stellten sie Götzen dar? War das Kunst? Die jüngste Antwort lautet: Es war Kinderspielzeug. Zieht man einen Faden durch die beiden Ösen und zwirbelt ihn auf, erzeugen die Tonscheiben beim Drehen die Illusion eines davonpreschenden Rehs. Mit solcherlei Spielzeug, so nehmen die Forscher heute an, wurden Steinzeitkinder auf ein Erwachsenenleben vorbereitet – als Handwerker und als Jäger.