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Teebeutel

«Abwarten und Tee trinken», pflegen wir zu sagen – und vergessen dabei, dass man beim Warten eigentlich noch gar nichts trinken konnte, denn nach dem Ziehenlassen musste man den Tee erst noch absieben. Dass das Teetrinken bequemer – und schneller – geworden ist, verdanken wir den beiden Erfinderinnen Roberta Lawson und Mary McLaren aus Milwaukee, Wisconsin. Die beiden waren es leid, jedesmal den restlichen, schal gewordenen Tee wegzugiessen und sich über die Verschwendung zu ärgern. Ihr neuartiger «tea leaf holder» (auf Deutsch «Teeblatthalter») sollte das ändern: Ein kleines Säckchen aus dünnem Baumwollstoff, das Tee für genau eine Tasse enthielt, liess sich bequem mit Wasser übergiessen – convenience ohne foodwaste, würden wir heute sagen.

Die ersten kommerziellen Teebeutel von 1904 waren noch handgenäht, doch so richtig Fahrt nahm die Idee auf, als der Teehändler Thomas Sullivan seinen kostbaren Tee in platzsparende Seidenbeutel abpackte. Seine Kundinnen aber tauchten die Beutel gleich so ins Wasser, in der Annahme, das sei von Sullivan so vorgesehen.

Wahre Teekenner haben für die Beutel nur Verachtung übrig. Und doch landen die jährlich rund 30 Millionen Tonnen Tee zum grossen Teil in Teebeuteln. Die bestehen längst nicht mehr aus Baumwolle, sondern meist aus den Fasern der Blätter einer ostasiatischen Bananenart namens Abacá. Und auch genäht wird nichts mehr: Teebeutel werden, ohne Verwendung von Klebstoff, nach dem Abfüllen maschinell gefaltet.

Palast

Das antike Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, einer davon ist der 10 Hektar grosse und 51 Meter hohe Palatin. Seinen Namen hat er, so nehmen Sprachforscher an, vom römischen Hirtengott Pales. Auf dem Palatin hat Romulus angeblich die Stadt gegründet, hier standen Tempel, hier liessen Patrizier und Konsuln ihre Villen bauen und nach ihnen die Kaiser Augustus, Tiberius und Nero. Der Palatin war das exklusivste Villenviertel der Stadt.

Als Synonym für «herrschaftliche Residenz» wanderte der Name «Palatin» in die europäischen Sprachen ein und wurde zu palais, palace, palazzo – und im Deutschen als erstes zur Pfalz. Die über 350 deutschen Pfalzen waren Schlösser und Burgen für die reisenden Könige, Kurfürsten, Herzöge und Bischöfe. Viel später wurde dasselbe Wort «Palatin» ein zweites Mal entlehnt, und dieses Mal wurde daraus «Palast».

Ein Palast ist nicht nur der Inbegriff unermesslichen Reichtums, er ist auch ein Zeichen der Macht. Es war daher kein Zufall, dass die französische Revolution 1793 ihr Tribunal im früheren Pariser Königspalais einrichtete und dieses umbenannte in «Palais de la Justice». 180 Jahre später liess die DDR ihr Parlamentsgebäude in Berlin auf dem Gelände des kaiserlichen Stadtschlosses bauen und nannte es machtbewusst «Palast der Republik». Die Schweiz ist da bescheidener: Hier ist «Palace» höchstens der Name für ein – zugegebenermassen luxuriöses – Hotel.

Makulatur

Flecken sind lästig. Kleider lassen sich waschen, doch Papier machen sie unbrauchbar. Der Abdruck einer Kaffeetasse, ein Druckfehler, eine falsche Formatierung machen aus Papier Ausschuss, und den nennt man «Makulatur», von lateinisch macula, «der Fleck». Weil Papier aber kostet, wird Makulatur oft weiterverwendet, denn in der Regel ist da ja immer noch die leere Rückseite.

Makulatur entsteht aus vielen Gründen. Werden im Buchdruck Fehler zu spät entdeckt, werden die Druckbogen zu Makulatur, ebenso wie Werbebriefe, Zeitungen, Akten und sogar ganze Bücher, die nicht mehr aktuell und damit wertlos geworden sind. Makulatur nennt man deshalb auch Gesetze oder Verträge, die nicht eingehalten werden und daher überflüssig sind.

Mit Makulatur lässt sich eine Menge anstellen. Im Mittelalter wurden mit altem Pergament oder Papier Buchdeckel verstärkt – wird heute ein alter Band restauriert, kommt die Makulatur wieder zum Vorschein, eine wahre Fundgrube für die Wissenschaft. Auch beim Tapezieren war Makulatur nützlich: Das Papier reduzierte die Saugfähigkeit der Wand und glich Unebenheiten aus. Beim Renovieren findet man deshalb unter den abgeschossenen Tapeten oft Zeitungspapier aus vergangenen Zeiten.

Auf dem Bau wird Makulatur auch heute noch gebraucht, so viel sogar, dass sie in Rollen eigens hergestellt wird. Für ganz besondere Wandbeläge gibt’s sogar Flüssigmakulatur aus Kleister und Füllstoff. Die wird mit der Bürste aufgetragen, damit am Ende alles glatt läuft.

Handschuhehe

1490 sollte die dreizehnjährige Anna von Bretagne mit dem deutschen Kronprinzen Maximilian verheiratet werden. Staatsgeschäfte hielten den Bräutigam aber davon ab, nach Rennes zu reisen, und so schickte er einen Gesandten, der vor versammeltem Hof ein Bein bis zum Knie entblösste und es in das Prunkbett schob, in dem die Prinzessin lag und so tat, als würde sie schlafen. Damit galt die Ehe symbolisch als geschlossen.

Eine Adelshochzeit war in Europa stets auch eine Allianz zwischen Mächten, und eine Ehe entschied oft genug über Krieg oder Frieden. Weil eine Hochzeit aber wochenlanges Reisen voraussetzte, dachten sich die Habsburger eine Art Stellvertreterhochzeit aus, die sogenannte Handschuhehe. Die heisst so, weil der Diplomat als Zeichen seines Auftrags einen Handschuh des abwesenden Bräutigams zu überreichen pflegte. Für eine solche Stellvertreterhochzeit gab es unterschiedliche Protokolle. So konnte es, als andere Variante, auch sein, dass sich der Gesandte in voller Rüstung neben die prachtvoll gekleidete Braut legte, dazwischen lag aus Gründen der Sittlichkeit ein blankes Schwert.

In einzelnen Staaten Südeuropas, Südamerikas und verschiedenen US-Bundesstaaten sind Handschuhehen bis heute möglich, doch in den meisten Rechtsordnungen sind sie ausgeschlossen. Eigentlich hatten sie immer schon ihre Tücken. Weil Maximilians und Annas Ehe nie vollzogen wurde, und weil die Verbindung den Interessen des französischen Königs zuwiderlief, wurde die Hochzeit auf massiven Druck hin schon ein Jahr später vom Papst wieder annulliert.

Experte

Ein Experte, sagt der Duden, ist ein Fachmann, eine Sachverständige, eine Autorität. Experte kommt vom lateinischen Verb experiri, «versuchen» oder «ausprobieren»; «expertus» ist jemand, der von einer Sache ganz viel weiss – und der auch ganz viel kann.

Was das genau heisst, ist nicht immer so ganz klar. So seufzte schon im 2. Jh. der griechische Satiriker Lukian von Samosata, es sei schon seltsam,

dass Männer, die sich für Sachverständige ausgeben, einander widersprechen und von einerlei Sache nicht einerlei Begriff haben.

Worauf es ankommt, ist die Fachkompetenz. Und die, so definiert es die deutsche Kultusministerkonferenz, ist die

Bereitschaft und Fähigkeit, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und am Ende das Ergebnis zu beurteilen.

Das ist aber nicht alles: 1984 stellte der amerikanische Informatiker Edward Feigenbaum fest, dass für wahre Expertise nicht nur Methoden nötig sind, sondern zuweilen auch das genaue Gegenteil:

Ein Experte versteht nicht nur den Wortlaut der Regeln, sondern ihren Geist. Und deshalb weiss er auch, wann es Zeit ist, sie zu befolgen – und wann sie zu brechen.

Expertin zu werden, dauert seine Zeit. Wie lange, weiss etwa die ETH Zürich: Hier gilt die 10-Jahres-Regel – weil es mindestens 10 Jahre Ausbildung und Erfahrung braucht, bis ein Experte auch wirklich einer ist.