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Wetter

Wenn die Leute mit mir über das Wetter reden, bin ich mir stets sicher, dass sie etwas ganz anderes meinen,

kalauerte Oscar Wilde 1895. Ohne es zu wissen, tun sie das tatsächlich: nämlich den Wind. Das Wort «Wetter» heisst in allen germanischen Sprachen so (auf Englisch weather, norwegisch vær, schwedisch väder, dänisch vejr, isländisch veður). «Wetter» kommt vom indoeuropäischen Wort weðra, und das bedeutete «Wind» – so gesehen meint «Wind und Wetter» heute im Grunde ein und dasselbe. «Wetter» ist denn auch verwandt mit «wehen» und mit «wedeln».

Was wir «Wetter» nennen, spielt sich in der unteren Atmosphäre ab, der sogenannten Troposphäre, und es lässt sich mit Messgrössen beschreiben wie Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Drucktendenz, Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Bewölkung, Niederschlag und Sichtweite. So weit, so klar.

Und doch sorgt das Wetter auch für Missverständnisse. Als Kinder wurden wir ermahnt, immer schön alles aufzuessen, damit das Wetter wieder gut wird. Sprachgeschichtlich gesehen sind unsere Eltern hier einem Missverständnis zum Opfer gefallen. Die Redensart stammt nämlich aus dem Plattdeutschen und lautet

Et dien Töller leddig, dann givt dat morgen goods wedder.

Wedder heisst auf Platt aber nicht «Wetter», sondern «wieder», und so heisst die Redensart «Iss deinen Teller leer, dann gibt es auch morgen wieder etwas Gutes» – von schönem Wetter ist da nicht die Rede.

Mayday

Im Cockpit oder auf der Brücke ist der Notruf «Mayday» eine schlimme Sache: Er bedeutet, dass das Flugzeug abstürzt oder das Schiff sinkt, und er hat oberste Priorität vor jedem anderen Funkverkehr. Wer immer ein «Mayday» auffängt, ist verpflichtet, sofort Hilfe zu leisten.

May day steht in Grossbritannien seit jeher für den 1. Mai. Mit dem Notruf aber hat der 1. Mai nichts zu tun. Erfunden wurde «Mayday» in den 1920er-Jahren, einer Zeit, in der es zwischen Frankreich und England viel Flugverkehr gab und die Behörden für Notfälle ein einheitliches Signal suchten. Das auf See übliche Morsesignal SOS war ungeeignet, weil sich im Sprechfunk das S von einem F kaum unterscheiden liess. Ein kurzes, unverwechselbares Wort musste her, eines, das von Piloten, Kapitänen und Funkern in jeder Lebenslage verstanden würde.

Es wird behauptet, «Mayday» sei 1923 von Funkoffizier Frederick Stanley Mockford erfunden worden. Mockford arbeitete am Croydon Airport südlich von London, dem damals einzigen internationalen Flughafen in England. Der neue Notruf verbreitete sich rasch, von England und Frankreich bis nach Singapur, und 1927 führten auch die USA «Mayday» offiziell ein. In Artikel 19 der entsprechenden Konvention lieferte Washington auch gleich die Erklärung mit: «Mayday», so schrieben die Beamten, entspreche der französischen Aussprache von m’aidez, «helft mir».

Rand und Band, ausser

«Zwei ausser Rand und Band», heisst die Filmkomödie von 1977 in der deutschen Übersetzung. Die zwei, das sind Bud Spencer und Terence Hill, und ausser Rand und Band sind sie in der Tat: Als Streifenpolizisten in Miami nehmen die beiden, nach einer ellenlangen Schlägerei, eigenhändig gleich eine ganze Gangsterbande fest.

Tatsächlich kommt die Redensart «ausser Rand und Band geraten» aber weder aus Hollywood noch von der Polizei, sondern von Fässern, genauer: vom Handwerk der Küfer, Fassmacher, Fassbinder oder Böttcher. Jahrtausende lang waren Fässer neben Krügen und Amphoren die wichtigsten Behälter für Flüssigkeiten und Waren aller Art. Sogar Geschirr pflegte man in Fässer mit heisser, flüssiger Butter einzulegen. Kühlte die Butter ab und wurde fest, war das Geschirr im Fass sicher verstaut und konnte beim Transport mit Pferd und Wagen keinen Schaden nehmen – daher die Redensart «alles in Butter».

Ein hölzernes Fass besteht aus gehobelten Brettern, die über dem Feuer oder mit Dampf gebogen werden und die man Dauben nennt. Am Rand sind diese Dauben mit einer innen liegenden Nut versehen, in die der Deckel und der Boden eingepasst werden; aussenrum wird das Fass durch eiserne Bänder zusammengehalten. Passiert also ein Unglück, und der Boden springt aus der Nut oder ein Band rutscht ab, dann wird das Fass undicht, oder es fällt gleich ganz auseinander. In diesem Fall ist das Fass in der Sprache der Küfer, buchstäblich, ausser Rand und Band.

Toast

In Grossbritannien gehört der Toast zu jedem Frühstück. Doch ein Brite ist er nicht: «Toast» kommt vom lateinischen torrere, «dörren» oder «rösten». Tatsächlich wurde Toast längst vor der Erfindung des elektrischen Stroms gegessen. Im alten Ägypten hielt man Brot übers Feuer, um es haltbar zu machen. Das taten auch die Römer, und mit ihnen fand der Toast seinen Weg nach ganz Europa. Mit der Zeit wurde das offene Feuer vom eisernen Kanonenofen abgelöst: Die Brotscheibe wurde an die heisse Aussenwand geklebt – fiel sie von selbst wieder ab, war der Toast fertig. Den elektrischen Toaster gibt es erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts.

Andere Zeiten, andere Vorlieben: Im ausgehenden Mittelalter wurde der Toast zwar geröstet, aber nicht unbedingt gegessen – er diente vor allem dazu, Getränken Geschmack zu verleihen. «Go fetch me a quart of sack; put a toast in’t» – «Geh, hol mir ein Glas Sekt; leg ein Stück Toast hinein», sagt Falstaff in Shakespeares Lustigen Weibern von Windsor. Danach wurde der schlappe Toast schon mal den Hunden vorgeworfen.

Heute dagegen ist die Toastscheibe vom Frühstückstisch nicht mehr wegzudenken. Was ein absolut perfekter Toast ist, hat 2011 nach Tausenden Testscheiben der britische Wissenschaftler Dom Lane herausgefunden: 3 Grad kaltes Weissbrot, 14 Millimeter dick, 900-Watt-Toaster, Stufe 5 von 6, Temperatur 154 Grad. Röstdauer: Genau 216 Sekunden.

Notgroschen

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, sagt das Sprichwort. Einen Notgroschen auf der Seite zu haben, ist immer gut. Je fetter der Groschen, desto höher sein Wert, und daher kommt auch sein Name. Im französischen Tours wurde im Mittelalter eine Silbermünze geprägt, die im Latein der Zeit denarius grossus hiess, auf Deutsch «fetter Denar». Verbreitet war der grossus auch in Böhmen, wo das «ss» als «sch» ausgesprochen wird. So kam der Grosch nach Deutschland und wurde zum «Groschen».

Notgroschen hat man nicht selten unter dem Haus vergraben, damit sie nicht zur leichten Beute wurden. Geschah das Schlimmste, blieben sie da unentdeckt liegen, und so tauchen bei Bauarbeiten und Grabungen immer wieder sogenannte Hortfunde auf, einst in Lederbeuteln, Holzkassetten oder Tongefässen vergrabene Notgroschen.

Wie sinnvoll es war, einen Notgroschen anzulegen, erkannte im 16. Jahrhundert Julius, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel. Es waren kriegerische Zeiten, und seine beiden Brüder waren in der Schlacht gefallen. Julius liess eigens Münzen prägen, die «Lösetaler» oder «Juliuslöser» hiessen, und befahl, dass jeder Hauseigentümer ein solches Geldstück als Notgroschen einzulösen hatte.

Das hat nichts von seiner Bedeutung verloren. Nach wie vor werden in der Schweiz pro Haushalt und Monat 1700 Franken zurückgelegt – für Wünsche, fürs Alter, und für den Fall der Fälle.