Blüte

Die Blüte ziert nicht nur den Blumenstrauss, sie ist auch Rotwelsch und steht in der Gaunersprache für eine gefälschte Banknote. Möglicherweise stammt sie von blede ab, einem alten Wort für «Goldstück». So hiessen im 19. Jahrhundert blank polierte Pfennige, die man Gutgläubigen unterschob. Seit jeher haben Händler deshalb ein Auge darauf, dass ihnen da nicht etwa Falschgeld untergejubelt wird. Im Mittelalter schuf ein beherzter Biss Klarheit – Falschgeld war in der Regel härter als das weiche Münzgold. Dem Fälscher drohte dann ein grausamer Tod: Er wurde, die Füsse voran, mit einer Winde langsam in siedendes Öl getaucht.

Heute sind die Strafen weniger drakonisch, und trotz Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr wird nach wie vor gefälscht, was das Zeug hält. Ein ergiebiger, aber anspruchsvoller Weg ist das Nachdrucken: Die Druckplatten werden, Farbe für Farbe, in mühevoller Kleinarbeit hergestellt und die Banknoten danach in Serien gedruckt. Noch bis zur Jahrtausendwende waren gedruckte Blüten beliebt, doch heute sind die meisten hausgemacht: 2013 wurden Noten im Wert von über einer halben Million Franken aus dem Verkehr gezogen, die aus einem Farbkopierer oder gar aus einem billigen Tintenstrahldrucker stammten.

Die Fälscher, das sind Banden, die Blüten industriell herstellen, das sind arme Schlucker, die in ihrer Not nicht anders können. Und dann gibt es da noch den Künstler: 1973 flog in München der später als «Blütenrembrandt» bezeichnete Grafiker Günter Hopfinger auf. Er hatte deutsche Tausendmarkscheine zu Dutzenden nachgemacht – mit dem Tuschefüller und von Hand. Für einen einzelnen Schein, so erklärte er den verdutzten Polizeibeamten, habe er nur acht Stunden gebraucht.

Boykott

Charles Cunningham Boycott, geboren 1832, war Captain der britischen Armee und Gutsverwalter für den Earl of Erne, der in Irland ausgedehnte Ländereien besass. Sein Ruf als Menschenschinder eilte Boycott voraus: Rechtshändel, Gewaltandrohung gegen ansässige Farmer, Diebstahl von Strandgut aus gesunkenen Schiffen und dergleichen mehr. Als Verwalter trieb Boycott bei den Bauern in der Grafschaft Mayo die Pachtzinsen ein. Er war hochnäsig, kleinlich und rücksichtslos, und als Engländer war er den irischen Bauern ohnehin suspekt.

Im August 1880, nach einer schlechten Ernte, traten die zahlungsunfähigen Bauern in einen Streik. Sie weigerten sich, weiter für Boycott zu arbeiten oder mit ihm Handel zu treiben. Im Gegenzug rekrutierte dieser königstreue protestantische Arbeiter aus Ulster, die unter dem Schutz Hunderter Soldaten die Ernte einbrachten, worauf sämtliche Pächter und Landarbeiter, unterstützt von der irischen Landliga, ihre Verträge kündigten. Die Eisenbahn weigerte sich, Boycotts Vieh zu transportieren, und die Ladenbesitzer verkauften ihm keine Waren mehr. Boycott begann Pächter mit Gewalt von ihren Farmen zu vertreiben, worauf sämtliche Angestellten – Bauern, Landarbeiter, selbst der Schmied, der Postbote und die Wäscherin – aus Protest wegzogen. Am Ende sah sich Boycott gezwungen, Irland zu verlassen.

Als die London Times im November 1880 über den eskalierenden Konflikt berichtete, benutzte sie zum ersten Mal das Verb to boycott, und so gelangte das neue Wort ins Englische und in die ganze Welt.

Dilemma

«Dilemma» ist griechisch und bedeutet wörtlich «eine zweiteilige Annahme». Es ist ein ausgesprochen junges Fremdwort, das etwa die Gebrüder Grimm noch gar nicht kannten, als sie 1838 ihr «Deutsches Wörterbuch» in Angriff nahmen. Als Gedankenexperiment aber beschäftigt das Dilemma seit jeher die Ethik und das Recht. Die britische Philosophin Philippa Foot formulierte 1967 das sogenannte «Trolley-Problem»: Eine Strassenbahn – auf Englisch trolley – gerät ausser Kontrolle und droht, fünf Passanten zu überrollen. Das Umstellen einer Weiche würde das Tram zwar auf ein anderes Gleis umleiten, doch da steht ebenfalls ein Mensch. Darf man nun den Tod dieses einen in Kauf nehmen, um fünf andere zu retten? Dieses Gedankenspiel beschäftigt beileibe nicht nur Philosophen: Darf ein von Terroristen gekapertes, voll besetztes Passagierflugzeug abgeschossen werden, wenn es Kurs auf einen Wolkenkratzer oder ein Atomkraftwerk nimmt?

Aber kein Dilemma, das sich nicht noch steigern liesse. Habe ich die Wahl zwischen drei Sackgassen, dann stehe ich vor einem «Trilemma», bei einem ganzen Knäuel von Irrwegen gar vor einem «Polylemma». Und als ob das nicht reichte, gibt es auch noch das «positive Dilemma». Es zwingt mich, zwischen zwei gleich guten Optionen zu wählen. Das kann tüchtig schiefgehen, wie schon im Jahr 1095 der persische Religionsgelehrte al-Ghazali schrieb: Ein durstiger Mann hat zwei Wassergläser vor sich stehen. Beide sind genau gleich gross, gleich voll und gleich weit weg. Ein klassisches Dilemma: Der Mann kann und kann sich nicht entscheiden – und verdurstet.

Doppelagent

Spione sind loyal – nur nicht gegenüber dem Land, in dem sie leben. Aber da gibt es Agenten, die kennen mehr als eine Loyalität: Doppelagenten spionieren für und gegen die eine wie die andere Regierung. Zum Beispiel die legendäre Nackttänzerin und Kurtisane Mata Hari. Mata Hari hiess tatsächlich Margaretha Geertruida Zelle und war nicht die Tochter eines indischen Brahmanen, sondern eines niederländischen Hochstaplers. Seit 1915 deutsche Spionin in Paris, horchte sie gleichzeitig Generäle für die Franzosen aus. Bloss: Schon früh kam der britische Secret Service zum Schluss, dass die Tänzerin zwar unvergleichlich schön, als Spionin aber harmlos war.

Im Halbdunkel geheimdienstlicher Scharaden verlieren zuweilen sogar Spione den Überblick. Hinter dem deutschen Doppelagenten namens «Bambi» soll sich der Geheimdienstler und Journalist Günter Tonn verborgen haben, der seit 1955 für den KGB spionierte. Nur: Was er weitergab, war fingiert, denn tatsächlich soll Tonn die Russen ausspioniert haben. Vieles liegt im Dunkeln, doch als sicher gilt: «Bambis» Führungsoffizier Heinz Felfe, war ebenfalls Doppelagent – aber diesmal tatsächlich im Dienste Moskaus; dass «Bambi» nicht zu trauen war, war den Russen bekannt – und egal. Denn als «Bambi» aufflog, beschleunigte das Felfes Karriere beim Bundesnachrichtendienst.

Doppelagenten sind ungemein effizient: Weil sie hartgesottene Spionageprofis sind, kennen sie das Metier, und sie liefern nicht bloss Geheimmaterial, sondern auch Einsichten in die Arbeit der Agentenjäger. Felfe, am Ende Gegenspionagechef in Pullach, war Doppelagent im ganz grossen Stil: 15 000 Geheimdokumente hat er weitergegeben, 190 deutsche und amerikanische Agenten enttarnt.

Eiffelturm

Das Verhältnis von Paris zu seinem Eiffelturm ist kompliziert. 1890 schreibt Guy de Maupassant, Frankreichs grosser Erzähler, in einer Reportage:

Ich habe Paris und Frankreich verlassen, weil ich den Eiffelturm so gründlich satt hatte. Nicht genug, dass man ihn von überall her sieht, man findet ihn auch überall zu kaufen, hergestellt aus jedem erdenklichen Material, ausgestellt in jedem Schaufenster – ein Alptraum.

Als sich Maupassant seinen Überdruss von der Seele schreibt, ist der Eiffelturm gerade mal drei Jahre alt, und die Weltausstellung, für die ihn der Ingenieur Gustave Eiffel erbaut hat, liegt erst ein Jahr zurück.

Aber tatsächlich ist der bei seiner Eröffnung 312 Meter hohe Turm bloss als Provisorium gedacht; jahrzehntelang rostet er vor sich hin, derweil die Stadt über einen Abriss streitet. Da schlägt die Stunde des Hochstaplers Victor Lustig. Der gibt sich als Vizegeneraldirektor des Postministeriums aus und schreibt den Eiffelturm 1925 kurzerhand zum Verkauf aus. Der Schrotthändler André Poisson, noch neu im Geschäft, geht dem dem Betrüger Lustig auf den Leim und ersteht die 7000 Tonnen Alteisen für 50 000 Dollar. Mit dem Geld in der Tasche macht sich Lustig aus dem Staub, der getürkte Handel fliegt auf, doch aus Angst vor Hohn und Spott verzichtet der geprellte Poisson auf einen Gang zur Polizei.

Kein Abriss, kein Verkauf: Im Lauf seiner Geschichte dient der Eiffelturm als militärische Funkstation, als Zeitzeichensender, als Radiostudio, Fernsehsender, Wetterstation. 300 Millionen Menschen haben ihn bisher besucht; Jahr für Jahr kommen weitere sechs Millionen dazu.