Heinrich, süsser

Heinrich Wilhelm Kurz, gelernter Sattler aus dem hessischen Nidderau, war ein leidenschaftlicher Erfinder. Von ihm stammen Skizzen für eine Waschmaschine, einen Pfannkuchenwender, Stehaufmännchen, eine Auflaufbremse, eine Einzelradaufhängung für Fuhrwerke und einen Toilettenaufsatz für Kleinkinder. Und für einen Gegenstand, den wir noch heute täglich benutzen: den Zuckerstreuer.

Davor nämlich kam der Zucker aus der Dose. Jeder bediente sich mit seinem Löffel, die Menge war mehr oder weniger zufällig, und ausserdem konnte man nicht sehen, ob die Dose bald leer war. Kurzens Zuckerstreuer löste gleich eine ganze Reihe von Problemen. Er war aus Glas und mit einem Schraubdeckel hygienisch verschlossen. Durch den Deckel lief ein Rohr, das beim Kippen immer genau dieselbe Zuckermenge aufnahm und durch das abgeschrägte Ende abgab.

Bürokratie war seine Sache nicht, und Kurz starb 1934 als armer Mann. Seine Einfälle aber hatte er säuberlich in einem Büchlein notiert, das Jahre später seinem Enkel Theodor Jacob in die Hände fiel. Der meldete die Erfindung seines Grossvaters 1953 zum Patent an; ein Jahr später begann die Produktion.

Blieb die Sache mit dem Namen. Die Patentschrift sprach von einem «Portionierer für granuliertes Streugut». Weil das viel zu sperrig war, und um seinem erfinderischen Grossvater Heinrich Kurz die Ehre zu erweisen, wurde der Zuckerstreuer auf den Namen getauft, den man in Deutschland noch heute kennt: «Süsser Heinrich».

Jackpot

«Jackpot» ist Englisch und kommt von jack, dem Buben im Kartenspiel, und pot für «Topf». Sein Ursprung ist eine Eröffnungsvariante des besonders im Wilden Westen beliebten draw poker. Bevor die Karten ausgeteilt werden, legt jeder Spieler einen festgelegten Betrag in den pot, also in die Tischmitte. Danach teilt der Geber aus und fragt der Reihe nach jeden Spieler, ob er zwei oder mehr Buben in der Hand halte. Tut das keiner, ist die Runde beendet, der Einsatz verbleibt im Jackpot, und die Karten werden neu ausgegeben. Erst wenn ein Spieler tatsächlich zwei oder mehr jacks hat, beginnt das eigentliche Spiel, dessen Gewinner am Ende den gesamten Jackpot einstreichen kann.

Den Jackpot kennen wir vor allem vom Lotto. Die Regeln sind hier ganz ähnlich: Der Jackpot besteht aus der Gesamtheit der Spieleinsätze, und solange niemand die Bedingungen für einen Gewinn erfüllt, erhöht sich die Gewinnsumme immer weiter. Da kann eine Menge Geld zusammenkommen. Am 23. August 2014 traf ein Spieler mit den Lottozahlen 3, 4, 7, 21, 22, 23 und der Glückszahl 2 ins Schwarze und gewann den bisher grössten Jackpot der Schweiz im Umfang von 48,6 Mio. Franken.

Gewinne, ob im Lotto oder beim Pokern, wecken nicht selten ungezügelten Neid. Als der Revolverheld «Wild Bill» Hickok 1876 im Saloon einer Goldgräbersiedlung im US-Bundesstaat South Dakota beim Pokern sass, wurde er von «Broken Nose» Jack McCall hinterrücks erschossen, der tags zuvor Unsummen an Hickok verloren hatte. Das Blatt des Opfers – zwei schwarze Asse, zwei schwarze Achten – heisst seitdem dead man’s hand, das Blatt des toten Mannes.

Jobs, Steve

Er sieht aus wie ein in die Jahre gekommener Student: Jeans, randlose Brille, Rollkragenpullover, Dreitagebart. Aber im Schafspelz steckt ein ausgewachsener Wolf: ein Prophet (für all jene, die für ihn arbeiten), ein Tyrann (für alle, die nicht mehr für ihn arbeiten). Sein Name: Steven Paul Jobs, überzeugter Vegetarier und Buddhist. Sein Beruf: oberster Chef der Computerfirma Apple.

Ein Student war er gar nie richtig gewesen: Noch im ersten Semester schmiss der junge Steve alles hin. Er hatte besseres zu tun. Mit seinem Freund Steve Wozniak programmierte er das Spiel Breakout und baute Kästchen, mit deren Pfeifton man die Telefongesellschaft AT&T überlisten und kostenlose Ferngespräche führen konnte. 1976 begannen die beiden Steves, Computer zusammenzubasteln: Das hässliche Holzmöbel namens Apple I wurde für 666.66 Dollar von der Computerkette Byte Shop verkauft. Slogan: Byte into an Apple.

Was immer Steve Jobs anpackte, es wurde zu Gold: die ersten Apple Computer, das Betriebssystem Mac OS, 1985, nach seiner Trennung von Apple, die Computer seiner neuen Firma NeXT und sein Trickfilmstudio Pixar. Der angebissene Apfel dagegen begann zu faulen, und 1996, in einer Zeit der Milliardenverluste, holte man Jobs zurück. Der krempelte die Firma um und liess mit den Schönheiten namens iMac, iPod, iPhone und iPad die gesamte Konkurrenz alt aussehen. Heute macht Apple zwei Milliarden Dollar Gewinn. Pro Monat.

Wenn da nur nicht die Gesundheit wäre: Nach einer ersten Krebserkrankung 2004 liess Jobs sein Team und die Welt am 17. Januar 2011 per E-Mail wissen, er nehme eine Auszeit. Der Aktienkurs fiel wie der Apfel vom Baum, aber Steve Jobs, der Prophet und Tyrann, bleibt sich treu:

I love Apple so much, and hope to be back as soon as I can. Steve

Kaffeefilter

Melitta Bentz liebte ihre wöchentlichen Kaffeekränzchen. Was die Dresdner Hausfrau aber nicht ausstehen konnte, war der lästige Kaffeesatz, der sich nur leider nicht vermeiden liess: Wie alle anderen goss Melitta Bentz den gemahlenen Kaffee auf, liess ihn einen Augenblick stehen und goss ihn dann ab. Dabei, selbst mit einem Sieb oder einer Stoffsocke, blieb immer ein bisschen Satz zurück, und das trübte den Genuss. So nahm Melitta Bentz eines Tages eine Konservendose zur Hand, schlug mit Hammer und Nagel Löcher in den Boden und legte ein zurechtgeschnittenes Löschpapier hinein. Darauf kam das gemahlene Pulver; mit kochendem Wasser übergossen, rann satzfreier Kaffee heraus – das Kaffeekränzchen war begeistert. Melitta Bentz experimentierte weiter, und 1908 wurde der

mit Filtrierpapier arbeitende Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern

patentiert.

Die Konkurrenz schlief nicht. Bald stellten verschiedene Hersteller Filter mit gelochtem oder geschlitztem Bodensieb vor, Kaffee-Eier, Siebrohre, Kaffeekannen mit herausnehmbarem Filtereinsatz. Das Rennen aber machten die Einwegpapierfilter mit dem passenden Halter, erst aus Aluminium oder emailliertem Blech, später, damit man sich nicht die Finger verbrannte, aus Porzellan.

Einfach, günstig, ökologisch – und bei manchen gar als sorgsam inszeniertes Kaffeeritual mit ausgeklügelter Aufgusstechnik: Selbst heute, bei all den Vollautomaten, Kapsel- und Kolbenmaschinen ist der Kaffee aus dem (biologisch abbaubaren) Filter alles andere als von gestern. In Schweizer Kaffeebars wird wieder Filterkaffee ausgeschenkt, und in Deutschland ist er von allen Zubereitungsarten nach wie vor die Nummer eins.

Knigge, Adolph Freiherr

Der Knigge – das sind eigentlich zwei. Der eine ist der notorische Besserwisser, den Kinder hassen, wenn sie sich bei Tisch benehmen sollen, als tafelten sie mit Königen. Und der andere heisst Adolph. Dieser Adolph Freiherr Knigge ist ein Aufklärer und Autor eines Buchs mit dem Titel «Über den Umgang mit Menschen». Mit diesem Buch, so schreibt Knigge im Jahr 1788,

will ich (…) einige Resultate aus den Erfahrungen ziehn, die ich gesammelt habe, während (…) ich mich unter Menschen aller Arten und Stände umhertreiben lassen und oft in der Stille beobachtet habe.

Mit Beobachten kennt sich Knigge aus. Er ist Verwaltungsbeamter an Fürstenhöfen, Mitglied in Orden und Geheimlogen, ein Anhänger der französischen Revolution – und steht daher selbst unter Beobachtung durch die Polizei. Für die Obrigkeit, die er als «Hofschranzen» beschimpft, hat Knigge nichts übrig – obwohl er selbst ein Adliger ist. Weil er aber nichts als Schulden geerbt hat, ist er gezwungen, sich mit dem «Hofgeschmeisse» abzugeben. Was Knigge vermitteln will, ist Höflichkeit ohne Speichelleckerei, Selbstbewusstsein ohne Überheblichkeit – mit einem Wort: nicht Regeln, sondern Werte:

Edler Anstand ist nicht Steifigkeit, verbindliche Höflichkeit und Aufmerksamkeit nicht Bocksbeutel, Grazie nicht Zwang, und echtes Talent, wahre Geschicklichkeit nicht Pedanterie.

Daher:

Sei, was Du bist, immer ganz und immer derselbe.

Heute gibt’s den Knigge für Kinder, für Kleider und Karriere, fürs Business und für Dummies. Ob all den Ratgebern dreht sich der Freiherr vermutlich im Grab um. Hätte er gewusst, dass sein Buch so gründlich missverstanden wird, er hätte es womöglich gar nie geschrieben.