Jeans

Levi Strauss, Sohn einer verarmten jüdisch-deutschen Familie und nach Amerika ausgewandert, besass seit 1853 einen Laden für Goldgräber in San Francisco. Die brauchten robuste Kleider, und die bisherigen Arbeitshosen aus Segeltuch hielten den Belastungen beim Schürfen und Goldwaschen nicht lange stand. Die häufigen Reklamationen brachten den Schneider Jacob Davis auf die Idee, die Nähte mit Nieten zu verstärken, und weil Davis nicht genug Geld besass, um ein Patent anzumelden, wandte er sich an den Händler Strauss.

Die erste Segeltuchhose, deren Taschen mit Nieten bewehrt waren, verkaufte Levi Strauss 1872; das einschlägige Patent folgte ein Jahr später. Der mit Indigo gefärbte extra robuste Baumwollstoff namens «Jean» löste das Segeltuch ab, und die Blue Jeans war geboren.

Der Jeansstoff war nicht vorgewaschen und entsprechend steif – nach der ersten Wäsche konnte die feuchte Hose ohne weiteres aufgestellt werden. Im Zweiten Weltkrieg brachten US-Soldaten die Jeans nach Europa. Filmstars wie James Dean oder Marlon Brando machten aus der Arbeitshose ein Symbol des Widerstandes gegen den bürgerlichen Mief. Schulen und Obrigkeit wetterten gegen die «Nieten in Nietenhosen», in der DDR waren Jeans in der Öffentlichkeit eine Zeitlang glatt verboten.

Ob kurz oder lang, ob Glocken-, Röhren-, Karotten- oder Shaping-Jeans, ob gebleicht, sandgestrahlt oder kunstvoll mit Rissen versehen – und obwohl Erfinder Levi Strauss selbst nie welche getragen hat: Seine Jeans sind nicht totzukriegen.

Kautschuk

Als Hernándo Cortés, der Eroberer Mexikos, seinem Auftraggeber König Karl V, den noch unbekannten Kakao und die anderen mitgebrachten Wunderdinge vorführte, war darunter auch eine Mannschaft «langmähniger Wilder», wie ein Augenzeuge schrieb. Ihre Aufmachung – kurze Hose aus Leder – und ihr rituelles Spiel, eine Art Basketball, erregten weit weniger Aufsehen als das exotische Material, aus dem der Ball gemacht war – ein Stoff, den die Indios seit Jahrtausenden kannten und den sie «Kautschuk» nannten.

Kautschuk, wörtlich «Tränen des Baums», wird aus Latex hergestellt, dem Milchsaft des Kautschukbaums. Dieser Saft wird durch Ritzen der Baumrinde gewonnen und ist der nachwachsende Rohstoff für die Herstellung von Gummi. Lange Zeit wuchs der Wunderbaum allein am Amazonas; Brasilien besass ein natürliches Monopol. Bis zum Jahr 1876. Da sammelte der britische Abenteurer Henry Wickham insgeheim 70 000 der kostbaren Samen, gab die Pakete als «Orchideen» aus und schickte sie nach London. In den Gewächshäusern der königlichen Kew Gardens an der Themse wuchsen 2000 Kautschuksetzlinge heran, die dann nach Malaysia verschifft wurden. Nur acht Bäumchen überlebten den Transport, doch das Tropenklima Südostasiens liess sie prächtig gedeihen.

Für Brasiliens Export war das ein schwerer Schlag. Die Kautschukbäume breiteten sich in Asien, Indien und Westafrika aus. Brasilien dagegen, dessen eigene Gummibäume seit jeher von Parasiten geschwächt waren, hatte der neuen Konkurrenz nichts entgegenzusetzen. Schmuggler Wickham, dieser Biopirat der ersten Stunde, ging in die Geschichtsbücher ein. Als «Henker des Amazonas».

Konfetti

Konfetti (oder Räppli, wie sie in Basel heissen) sind uns vertraut wie Fasnacht und Silvester, aber tatsächlich sind sie made in USA. Und das kam so: Als die Stadt New York am 28. Oktober 1886 die Freiheitsstatue einweihte und der Festumzug die Börse erreichte, warfen die Börsenhändler mit vollen Händen aus dem Fenster, was sie gerade zur Hand hatten: Unmengen an Lochstreifen für die Börsenticker, auf Englisch ticker tapes. Auch wenn schon damals die Stadtreinigungsdienste alle Hände voll zu tun hatten, diese Ur-Konfetti wieder zusammenzukehren: Das Spektakel fand solchen Anklang, dass New York Anfang des 20. Jahrhunderts damit begann, solche Konfettiparaden eigens zu organisieren – die ticker tape parades. Besonders beliebt waren die Papierschlachten nach dem Zweiten Weltkrieg, um Generäle und Präsidenten gebührend zu feiern.

An Beliebtheit haben die Konfetti nichts eingebüsst. Nur sind es heute nicht mehr Lochstreifen, sondern säuberlich gestanzte Schnipsel mit italienischem Namen. Konfetti kommt von confetto (wie in Konfekt oder Konfitüre), und tatsächlich pflegten die Fürsten beim Karneval mit vollen Händen Süssigkeiten in die Menge zu werfen. Confetti, das waren ursprünglich Mandeln mit einer farbigen Zuckerglasur. Doch weil sich auch Granden aufs Sparen verstehen, wichen die gezuckerten Mandeln mit der Zeit feinen Gipsflocken und dann, weil sie sich länger in der Luft hielten, den Papierstreifen aus Aktenvernichtern oder dem Abfall, der beim Perforieren von Endlospapier für Nadeldrucker anfiel.

Tempi passati. Die Konfetti der Postmoderne kosten je nach Farbe drei bis fünf Franken pro Kilo und sind im Onlineshop erhältlich, zur Konfettischlacht passend mitsamt knallbunter Konfettipistole und Konfettimunition.

Konjunktur

Es ist eigenartig mit der Konjunktur: Nie wird so oft über sie gesprochen wie dann, wenn sie sich verabschiedet. Es ist wohl nichts als menschlich, dass man nie so sehr ans Glück denkt wie dann, wenn es einen verlässt.

Dabei hat Konjunktur gar nichts mit Glück zu tun. Sondern lediglich mit der Geschäftslage in Unternehmen, in ganzen Branchen, einem nationalen Markt oder gar der gesamten Weltwirtschaft. Die Konjunktur wird gemessen, mit Kennwerten für Preise, Löhne, Produktionsmengen, Umsätze, Zinsen, die Arbeitslosigkeit, die Geldmenge und das jährliche Wirtschaftswachstum.

Doch auch wenn sie sich messen lässt, die Konjunktur – sie verhält sich immer ein bisschen wie das Meer. Forscher unterscheiden lange Wellen (50 bis 60 Jahre), mittlere Wellen (8 bis 11 Jahre) und kurze Wellen von etwa 40 Monaten. Der Verlauf einer solchen Konjunkturwelle lässt sich in mehrere Phasen unterteilen: den Aufschwung, die Hochkonjunktur, die Krise, den Abschwung und die Reprise.

Konjunktur ist das Wellenspiel von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage. Wellen aber sind ein Phänomen der Natur, und so lässt sich auch die Konjunktur nicht so einfach beeinflussen. Schon gar nicht kurzfristig – Konjunkturpolitik, also der Versuch der öffentlichen Hand, durch eigenes Handeln übermässige Schwankungen zu verhindern, ist in der Regel längerfristig angelegt. Oder vielmehr: war. Versuche des Staates, in Zeiten des Niedergangs mit öffentlichen Aufträgen die lahmende Nachfrage anzukurbeln und damit aktiv in den Gang der Wirtschaft einzugreifen, geriet in der Schweiz in den letzten zwanzig Jahren immer mehr in die Kritik. Heute zwingt die Bundesverfassung den Staat dazu, seinen Haushalt im Gleichgewicht – und sich aus einer Beeinflussung der Wirtschaft herauszuhalten.

Mikrochip

Im Labor in Dallas war es heiss in jenem Sommer 1958, heiss und langweilig. Der 34-jährige Jack Kilby, ein Neuling bei Texas Instruments, hatte als einziger keinen Urlaub erhalten. Also dachte Kilby nach: Elektronische Erfindungen, stellte er fest, bestanden aus immer mehr Widerständen, Dioden, Transistoren, deren Zusammenlöten immer schwieriger wurde. Es müsste doch möglich sein, schrieb Kilby in sein Labortagebuch, Elektronik als integrierte Schaltung zu fertigen, quasi in einem Stück statt aus Dutzenden von Bauteilen. Am 12. September war es so weit: Ein Glasplättchen, kaum grösser als eine Büroklammer, darauf ein Streifen aus dem Halbleiter Germanium und ein paar Kabel. Doch als Kilby einen Knopf drückte, erschien auf dem Messgerät eine perfekte Sinuskurve. Zum ersten Mal bestand eine Schaltung aus einem einzigen Teil.

Die Kollegen und der oberste Chef Mark Shepherd waren beeindruckt, bloss nicht beeindruckt genug: Zwar wurde die bahnbrechende Erfindung patentiert, aber ausser Staunen unter Fachleuten bewirkte Kilbys erster Mikrochip – nichts. Selbst als Kilby 1967 den ersten selbst gebauten Taschenrechner «Cal Tech» präsentierte, gross und schwer wie ein Ziegelstein, der zwölfstellige Zahlen berechnete und das Ergebnis auf Thermopapier druckte, geschah – nichts. Immerhin erklärte sich Texas Instruments bereit, die aufstrebende japanische Firma Canon den Rechner in Serie bauen zu lassen, und dann ging auf einmal alles ganz schnell: Taschenrechner, immer kleinere Taschenrechner, Computer, Smartphone.

Kilbys Physiklabor von damals ist heute eine Gedenkstätte der Technik, und Kilby selbst erhielt im Jahr 2000, fünf Jahre vor seinem Tod, den Nobelpreis.