Dow Jones

Wie will man, bei all dem Auf und Ab, das Geschehen an der Börse messen? Das fragte sich 1896 der amerikanische Journalist Charles Dow – und errechnete kurzerhand einen Index der damals zwölf wichtigsten Aktien. Namen wie aus dem Wilden Westen: da war die American Cotton Oil Company, oder die Tennessee Coal, Iron and Railroad Company. Charles Dow zählte die Kurse dieser zwölf an der New Yorker Börse gehandelten Unternehmen zusammen und dividierte, ganz einfach, wieder durch zwölf. Damit war er geboren, der Dow-Jones-Index, benannt nach Charles Dow und seinem Kollegen Edward Jones, beide Herausgeber des renommierten Wall Street Journal.

Heute setzt sich der Dow Jones aus 30 der grössten US-Unternehmen zusammen und ist sozusagen der Blutdruck der Weltwirtschaft. Und er macht vor allem von sich reden, wenn er fällt. Sein grösster Sturz an einem einzigen Tag war 570 Punkte oder über 25 Prozent tief – an jenem Schwarzen Montag, dem 19. Oktober 1987, den wir heute als Börsenkrach kennen.

Der Dow Jones ist heute gewichtet – nicht alle Aktien haben bei der Berechnung das gleiche Gewicht -, aber zusammen lesen sie sich wie das Who is Who der Weltwirtschaft: von McDonald’s und Coca-Cola bis zu IBM und Microsoft.

Der allererste Dow Jones, am 26. Mai 1896, lag bei 40,94 Punkten, und schon am 8. August desselben Jahres fiel er auf den tiefsten Wert aller Zeiten, auf 28,48 Punkte. Mehr als tausend Punkte beträgt der Dow Jones auf Dauer erst seit Anfang der Achtziger Jahre. Und heute gilt ein Fall des Dow Jones unter 10 000 Punkte bereits als Vorbote des Weltuntergangs.

Dabei ist er doch nur ein Durchschnittswert, der manchmal mit Wirtschaft weniger zu tun hat als mit angewandter Psychologie.

Elephant chart

Der Bericht, den der serbisch-amerikanische Ökonom Branko Milanovic vor sieben Jahren für die Weltbank verfasste, bot Sprengstoff. Auf Seite 13 steht eine Grafik, die auf der X-Achse die globale Einkommensverteilung zeigt – von links nach rechts von den Ärmsten zu den Reichsten – und auf der Y-Achse das reale Einkommenswachstum in den Jahren der Globalisierung, von 1988 bis 2008. Die Kurve gleicht frappierend einem Elefanten mit erhobenem Rüssel: Sie steigt beim ärmsten Viertel der Menschheit scharf an, verharrt dann lange auf Rückenhöhe und fällt schliesslich beim Mittelstand ins Rüsseltal ab, um erst wieder bei den reichsten Menschen zur erhobenen Rüsselspitze anzusteigen. Die Grafik zeigt: Die Ärmeren, die Mittelschicht in den Schwellenländern und die wenigen Allerreichsten dieser Welt haben von der Globalisierung stark profitiert; ausgerechnet der Mittelstand des Westens dagegen nicht.

Das ist brisant, denn es bedeutet: Die Verlierer der Globalisierung sind nicht pauschal die Armen dieser Welt, sondern nur die wenigen Allerärmsten – und ausgerechnet die wohlhabende Mittelschicht, und so machte die Elefantengrafik als elephant chart eine Blitzkarriere. «Die einflussreichste Grafik des letzten Jahrzehnts», wie sie auch genannt wurde, musste für eine ganze Reihe von Erklärungen herhalten: für den Aufstieg des Populismus, für den Brexit, für die Wahl von Donald Trump. Zwar wurde Milanovic für seine Messmethode kritisiert, doch auch Neuberechnungen machten aus dem Elefanten keine Maus. Und so geht die «elephant chart» in die Wirtschaftsgeschichte ein – weil sie zeigt, dass die Dinge oft ganz anders sind, als sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.

Elite

«Elite» ist ein ungeliebtes Wort. In unserer egalitären Welt macht sich verdächtig, wer es allein schon in den Mund nimmt. Dabei stammt es ursprünglich von der grundlegenden Kulturtechnik des Lesens ab: Elite kommt vom französischen élire und damit vom lateinischen legere, «lesen».

Es ist immer die Leistung, die darüber entscheidet, wer zur Elite zählt,

schreibt der deutsch-amerikanische Philosoph Herbert Marcuse. Und tatsächlich wird «Elite» im Frankreich des 18. Jahrhunderts zuerst vom aufstrebenden Bürgertum gebraucht. Gesellschaftliche Bedeutung sollen auf Tugend, Wissen und Leistung gründen und nicht bloss auf der Herkunft aus dem Adels- oder Königshaus.

Im frühen 19. Jahrhundert ist der Begriff «Elite» noch durchaus positiv. Revolutionen haben den verhassten Adel weggefegt, und die Industrialisierung pflügt die Gesellschaft um. Der Frühsozialismus beruft sich auf Platons «Herrschaft der Besten» und strebt nach einer «Herrschaft der Eliten». Liberale dagegen gestehen Zugehörigkeit zur Elite eher den Besitzenden und Gebildeten zu und prägen so das Wort in einem ökonomisch-technokratischen Sinn.

Am Ende wird «Elite» zum Kampfbegriff auf dem Schlachtfeld der Ideologien. Sozialphilosophen und Elitetheoretiker suchen eine Teilung der Gesellschaft in Ober- und Unterschichten zu rechtfertigen – oder aber zu verdammen. «Elite» gerät mehr und mehr in den Strudel von Sozialdarwinismus, Rassismus, Faschismus, Nationalsozialismus und wird am Ende, aller Realität zum Trotz, zum eigentlichen Unwort.

Euphemismus

In der Antike war Rhetorik eine hoch angesehene Wissenschaft, und ohne das Beherrschen der kunstvollen Rede war eine Laufbahn als Anwalt, Politiker oder Heerführer undenkbar. In Rhetorikschulen wie der des Apollonius Molon auf Rhodos büffelten selbst Redner aus dem fernen Rom wie Marcus Tullius Cicero die Formen des geschliffenen Vortrags bis zum Umfallen. Bis heute tragen die rhetorischen Formen griechische Namen.

Eine davon ist der Euphemismus. Sein Name kommt von euphemein, «Gutes berichten». Der Euphemismus ist ein Hüllwort, eine abmildernde, oft beschönigende Umschreibung für einen schwierigen, anstössigen Sachverhalt oder gar für ein Tabu. Anzutreffen ist er besonders häufig im Bereich von Sexualität, von Krankheit und Tod. Wenn er auf dem Betriebsausflug die fette Firmenchefin «mollig» macht, dann ist der Euphemismus noch ausgesprochen nett. Wenn das Altersheim allerdings in «Seniorenresidenz» umbenannt wird, die dann nicht mehr von Putzfrauen, sondern von «Raumpflegerinnen» gereinigt wird, dann fängt das Verschleiern an. Wahre Beschönigungsvirtuosen sind die Manager und Politiker: Die einen reden von «Humankapital» und meinen damit Arbeiter, deren Ausbildung und Entlöhnung viel zuviel Geld kostet, und von «Restrukturierung», wenn sie sie am Ende in Massen entlassen. Die anderen haben Unwörter wie «Kollateralschäden» und «ethnische Säuberungen» auf dem Gewissen – und damit unschuldige Kriegsopfer bis hin zum Völkermord. Kein Wunder, dass der Euphemismus, ursprünglich ein Stilmittel der Rhetorik, derart in Verruf geraten ist.

Dabei wäre er eigentlich der hübschere – sein hässlicher Bruder nämlich ist der Dysphemismus: Dessen Ziel ist die eigentliche Schmährede, von der Abwertung einer Person oder Sache bis hin zum handfesten Schimpfwort.

Feilschen

Ein Haus, eine Firma: Erfolgreiche Geschäftsleute feilschen, was das Zeug hält. Wie genau sie das anstellen, haben die Forscher Petri Hukkanen und Matti Keloharju wissenschaftlich untersucht. Ihr Rat: Bieten Sie niemals 1 Million oder 20 pro Aktie. Es zeigt sich nämlich, dass Ihr Partner einen niedrigeren Preis viel eher akzeptiert, wenn Sie ihm ein ganz präzises Angebot machen. Der Grund: Ein Geschäftspartner, mit genauen Zahlen konfrontiert, wird annehmen, dass Ihr Angebot auf Sachkenntnis und Berechnung beruht. Bieten Sie dagegen einen runden Betrag, wird man Ihnen unterstellen, vom Geschäft bloss eine vage Ahnung zu haben und bei harten Verhandlungen rasch in die Knie zu gehen.

Dass runde Zahlen beim Feilschen keine gute Sache sind, hatten Sozialpsychologen schon länger vermutet. Die beiden Ökonomen Hukkanen und Keloharju wollten es nun genau wissen. Sie nahmen Firmenübernahmen in den USA unter die Lupe, rund 2000 an der Zahl in der Zeit von 1985 bis 2012. Sie verglichen das allererste Angebot mit dem Endpreis – das verblüffende Ergebnis: Fast die Hälfte der Einstiegsgebote endete mit einer Doppelnull nach dem Komma. Diese runden Zahlen waren schlecht fürs Geschäft: Auf 5 Dollar gerundete Erstgebote führten nur selten zum Handschlag; in der Regel stieg der Preis im Lauf der Verhandlungen deutlich an. Bei exakten Beträgen dagegen – Erstgeboten, die sich auch durch 25 Cents nicht teilen liessen –, stieg der Preis im Durchschnitt nur noch um 6 Prozent.

Also: Legen Sie dem Gebrauchtwagenhändler nicht 20 000, sondern vielmehr 16 730 Franken auf den Tisch. Sie werden in Ihrem Traumauto wegfahren – und haben erst noch 3270 Franken gespart.