Unwort

Auch Sie werden schon darüber gestolpert sein: Jährlich kürt eine hochkarätige Professorenjury das – und jetzt kommt’s – Unwort des Jahres. Welch ein Wort! Un-Wort!

Es ist Programm: Das Unwort des Jahres ist zwar ein öffentlich gebrauchtes Wort, aber es sollte keines sein. Es ist ein Wort, das uns schaudern macht. Besonders produktiv ist in dieser Hinsicht die Wirtschaft: Da war etwa die Entlassungsproduktivität – damit gemeint sind Gewinne, die ein Unternehmen macht, nachdem es überflüssige Mitarbeiter entlassen hat. Oder da gab es das Humankapital – der Mensch als buchhalterische Grösse. Übel auch die Ich-AG, die uns Individuen auf Börsentitel reduziert. Oder der Wohlstandsmüll – Menschen, die nicht arbeiten wollen oder können.

Politik und Geschichte sind vor schlimmen Wortschöpfungen nicht gefeit. Da wäre etwa das Tätervolk – in Wort gegossene, kollektive Schuldzuweisung. Gotteskrieger – oder nicht doch einfach Verbrecher? Oder eines der schlimmsten Un-Wörter, die es je gab: der Kollateralschaden – die Bezeichnung für Todesopfer, die von Generälen zwar nicht beabsichtigt waren, aber grosszügig in Kauf genommen wurden.

Wörter, eines schlimmer als das andere. Aber muss es denn gleich ein Unwort sein? Wort, das seine Existenz gleich selbst verneint? Sprache, die sich – mit einer kleinen Vorsilbe – gleich selbst die Sprache nimmt? Un-Wort, das mag zwar originell gedacht sein, ist aber eigentlich viel eher Un-Sinn. Wären Menschenmaterial & Co. Unwörter, dann wären sie ja gar nicht erst zu beklagen.

Papier ist geduldig, sagt man. Doch welche Elefantenhaut erst die Sprache haben muss, wenn Jahr für Jahr sogar ihre selbsternannten Wächter in unwörtliche Abgründe schlittern!

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