Euphemismus

In der Antike war Rhetorik eine hoch angesehene Wissenschaft, und ohne das Beherrschen der kunstvollen Rede war eine Laufbahn als Anwalt, Politiker oder Heerführer undenkbar. In Rhetorikschulen wie der des Apollonius Molon auf Rhodos büffelten selbst Redner aus dem fernen Rom wie Marcus Tullius Cicero die Formen des geschliffenen Vortrags bis zum Umfallen. Bis heute tragen die rhetorischen Formen griechische Namen.

Eine davon ist der Euphemismus. Sein Name kommt von euphemein, «Gutes berichten». Der Euphemismus ist ein Hüllwort, eine abmildernde, oft beschönigende Umschreibung für einen schwierigen, anstössigen Sachverhalt oder gar für ein Tabu. Anzutreffen ist er besonders häufig im Bereich von Sexualität, von Krankheit und Tod. Wenn er auf dem Betriebsausflug die fette Firmenchefin «mollig» macht, dann ist der Euphemismus noch ausgesprochen nett. Wenn das Altersheim allerdings in «Seniorenresidenz» umbenannt wird, die dann nicht mehr von Putzfrauen, sondern von «Raumpflegerinnen» gereinigt wird, dann fängt das Verschleiern an. Wahre Beschönigungsvirtuosen sind die Manager und Politiker: Die einen reden von «Humankapital» und meinen damit Arbeiter, deren Ausbildung und Entlöhnung viel zuviel Geld kostet, und von «Restrukturierung», wenn sie sie am Ende in Massen entlassen. Die anderen haben Unwörter wie «Kollateralschäden» und «ethnische Säuberungen» auf dem Gewissen – und damit unschuldige Kriegsopfer bis hin zum Völkermord. Kein Wunder, dass der Euphemismus, ursprünglich ein Stilmittel der Rhetorik, derart in Verruf geraten ist.

Dabei wäre er eigentlich der hübschere – sein hässlicher Bruder nämlich ist der Dysphemismus: Dessen Ziel ist die eigentliche Schmährede, von der Abwertung einer Person oder Sache bis hin zum handfesten Schimpfwort.

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