Tube

Der Amerikaner John Goffe Rand war Porträtmaler. Er lebte in den 1840er Jahren in England und ging, wie so mancher Kollege, bald vergessen.

Eines seiner Werke aber steht in buchstäblich jedem Haushalt dieser Welt: die Tube. John Rand war nämlich nicht nur Maler, sondern auch ein praktisch veranlagter Mensch, der sich grün und blau ärgerte, wenn seine Farben mal wieder eintrockneten. Die wurden damals entweder in Pulverform verkauft, in teuren Messingspritzen – oder aber in Beuteln, in die man ein Loch stach, um die Farbe herauszudrücken. Trockene Farbreste pflegten dieses Loch regelmässig zu verstopfen, jedes Mal wurde kräftiger zugedrückt, bis am Ende der Beutel platzte und statt der Leinwand dem Künstler Farbe verlieh.

Rand begann mit Bleifolie zu experimentieren, und am 11. September 1841 wurde ihm das US-Patent Nr. 2252 zuerkannt, für seine «Verbesserung der Konstruktion von Gefässen oder Apparaten, um Farbe aufzubewahren». Wie es sich für einen Künstler gehört, hatte Rand säuberlich mit der Hand gezeichnete Skizzen beigelegt, die die Herstellung von Farbtuben aus Metallfolie veranschaulichten.

Was für Farbe galt, traf auch auf viele andere Substanzen zu. Und so zettelte die Bleifolientube eine regelrechte Verpackungsrevolution an. Heute drücken wir längst nicht mehr nur Farbe, sondern mit aller Selbstverständlichkeit Zahnpasta, Haut- und Schuhcreme, Scheuermittel, Kondensmilch und Streichwurst aus der Tube. Die besteht nicht mehr aus Blei, sondern aus Plastik oder 99,7-prozentigem Aluminium.

Ihre charakteristische Form aber ist geblieben: das einzige Kunstwerk des Malers John Rand, das zu Weltruhm gekommen ist.

Ukulele

«Ukulele» ist Hawaiianisch und heisst «hüpfender Floh», angeblich eine Anspielung auf die Finger virtuoser Spieler. Davon sind Anfänger weit entfernt, und so kennen wir die Ukulele vor allem als Folter fürs Ohr. Dabei ist sie ein erstzunehmendes Instrument.

Die Ukulele ist vergleichsweise jung: Sie wurde in den 1880er-Jahren auf Hawaii entwickelt, nach dem Vorbild kleiner Gitarren, die portugiesische Immigranten aus Madeira und der Kolonie Kapverde mitgebracht hatten. Keine zwei Wochen war es her, dass die Instrumentenbauer Manuel Nunes, José do Espírito Santo und Augusto Dias von Bord des Immigrantenschiffs «Ravenscrag» gegangen waren, da berichtete die hawaiianische Lokalzeitung im Herbst 1879 bereits über beliebte nächtliche Ukulelenkonzerte. Ein glühender Bewunderer war Hawaiis letzter König Kalākaua, der es liebte, seine Gäste mit der Ukulele zu unterhalten. Bis heute stammen die angeblich besten Ukulelen aus der Werkstatt der Familie Kamaka, und als Krönung gilt ihre Ukulele aus dem Holz der nur auf Hawaii vorkommenden Koa-Akazie, die Ananas-Ukulele heisst, weil ihr ovaler Klangkörper keine Taille besitzt.

Von Piccolo- bis Kontrabassukulele, handgemacht und Tausende von Dollars teuer oder aus billigem Sperrholz und manchmal gar aus Plastik: Die Ukulele ist handlich und leicht zu transportieren, und so fand sie ihren Weg erst nach Japan und in die USA, dann nach Europa und in die ganze Welt – in die Volksmusik, gelegentlich in die Klassik – und ganz besonders in den Jazz.

Unwort

Auch Sie werden schon darüber gestolpert sein: Jährlich kürt eine hochkarätige Professorenjury das – und jetzt kommt’s – Unwort des Jahres. Welch ein Wort! Un-Wort!

Es ist Programm: Das Unwort des Jahres ist zwar ein öffentlich gebrauchtes Wort, aber es sollte keines sein. Es ist ein Wort, das uns schaudern macht. Besonders produktiv ist in dieser Hinsicht die Wirtschaft: Da war etwa die Entlassungsproduktivität – damit gemeint sind Gewinne, die ein Unternehmen macht, nachdem es überflüssige Mitarbeiter entlassen hat. Oder da gab es das Humankapital – der Mensch als buchhalterische Grösse. Übel auch die Ich-AG, die uns Individuen auf Börsentitel reduziert. Oder der Wohlstandsmüll – Menschen, die nicht arbeiten wollen oder können.

Politik und Geschichte sind vor schlimmen Wortschöpfungen nicht gefeit. Da wäre etwa das Tätervolk – in Wort gegossene, kollektive Schuldzuweisung. Gotteskrieger – oder nicht doch einfach Verbrecher? Oder eines der schlimmsten Un-Wörter, die es je gab: der Kollateralschaden – die Bezeichnung für Todesopfer, die von Generälen zwar nicht beabsichtigt waren, aber grosszügig in Kauf genommen wurden.

Wörter, eines schlimmer als das andere. Aber muss es denn gleich ein Unwort sein? Wort, das seine Existenz gleich selbst verneint? Sprache, die sich – mit einer kleinen Vorsilbe – gleich selbst die Sprache nimmt? Un-Wort, das mag zwar originell gedacht sein, ist aber eigentlich viel eher Un-Sinn. Wären Menschenmaterial & Co. Unwörter, dann wären sie ja gar nicht erst zu beklagen.

Papier ist geduldig, sagt man. Doch welche Elefantenhaut erst die Sprache haben muss, wenn Jahr für Jahr sogar ihre selbsternannten Wächter in unwörtliche Abgründe schlittern!

Welsch

«Welsch» heisst im Grunde nichts anderes als «fremd», und das buchstäblich seit Jahrtausenden. Julius Cäsar, als Feldherr nach Gallien geschickt, fand im Osten der riesigen Unruheprovinz Celtica, die auch Helvetien umfasste, den sogenannten «herkynischen Wald» vor. So nannte man ein riesiges Gebiet, das von der heutigen Schweiz bis nach Rumänien reichte. Hier lebten, so berichtet Caesar in seinen Commentarii de bello gallico an den Senat in Rom, die Volcae. Die Volcae waren Kelten, ein Volk, das ein wichtiges Handelsnetz zwischen dem Mittelmeer und Germanien unterhielt, dessen Kultur mit der Zeit aber immer mehr romanisiert wurde.

In der Sprache der Germanen hiessen die Volcae Walhen, ein Wort, das etwa im Namen des Walensees erhalten geblieben ist und das durchs ganze Mittelalter hindurch und bis heute fast unverändert überdauern sollte. Aus den Walhen wurden die Welschen, die Bedeutung wurde allgemeiner, und das Wort bezeichnete mit der Zeit überall das jeweils nächstgelegene, eine romanische Sprache sprechende Volk. Mit «Welschland» war, je nach Region, einmal Frankreich, einmal Italien gemeint. Zur sprachlich-ethnischen Bezeichnung kamen Vorurteile: In den Augen der Deutschen waren die Welschen lebenslustig, aber auch oberflächlich, wenn nicht gar falsch. Nicht von ungefähr ist Rotwelsch die Sprache der Gauner und Ganoven.

Welsch: Das sind die, deren Mundart man nicht verstehen kann. Eine unverständliche Sprache heisst daher bis auf den heutigen Tag «kauderwelsch».

Wette

Wetten, dass wir keine Ahnung haben, woher das Wort «Wette» kommt? Die alten Goten verstanden unter einer Wette den Wetteinsatz oder das Pfand, doch das Wort reicht bis in vorgermanische Zeiten zurück. Sozusagen ein Cousin unserer heutigen Wette ist der lateinische vas, der Bürge, oder auch vadimonium, das Pfand.

Welcher Jäger erlegt das Mammut, welcher Ritter gewinnt das Turnier? Wetten zählt zu den ältesten Leidenschaften des Menschen. Ob Bauland oder Börse – Wetten war zu allen Zeiten ein Geschäft. Ob ein gutes oder schlechtes, war dabei nur eine Frage des Sachverstandes oder des Glücks. Weltmeister sind die Briten – auf der Insel ist Wetten big business. Mit über einer Milliarde Pfund Umsatz pro Jahr zählt der Wettanbieter Ladbrokes zu den 250 grössten Unternehmen Englands, und auf ladbrokes.com lässt sich auf alles setzen, was sich in eine Wette fassen lässt: Fussball, Schach, den nächsten Chef von Microsoft oder den nächsten Literatur-Nobelpreisträger. (Den übrigens haben die belesenen Zocker längst gewählt: Der Japaner Haruki Murakami ist mit einer Quote von 3/1 haushoher Favorit. Der Amerikaner Philip Roth, quasi ewiger Nobelpreiskandidat, steht bei 16/1. Dagegen erzielt die britische Landsfrau Hilary Mantel lediglich eine kümmerliche Quote von 100/1, trotz ihres überragenden Romans «Wolf Hall», einer packenden Biografie von Thomas Cromwell, Minister des Skandalkönigs Heinrich VIII, und der ebenso fesselnden Fortsetzung «Bring Up the Bodies».)

Übrigens: Mit der deutschen Wette nicht verwandt ist das englische to bet. Dessen Ursprung liegt ebenso im Dunkeln wie der zukünftige Bodenpreis, Aktienkurs – oder Nobelpreisträger.