Anciennität

Wird ein neuer Bundesrat gewählt, ist ein Traktandum der nächsten Bundesratssitzung ein nicht ganz unwichtiges: Wer tut in den nächsten Jahren was? Wer wird Vorsteherin oder Vorsteher welches Eidgenössischen Departements?

Wie die Antwort ausfällt – ob die Diskussion darüber ruhig oder hitzig geführt wird – darüber herrscht Stillschweigen. Das Vorgehen aber ist bekannt: Der Bundesrat folgt dem so genannten Anciennitätsprinzip: Der Amtsälteste wählt sein Departement als erster, der frisch Gewählte als letzter.

Das Anciennitätsprinzip stammt aus dem Militär: In alten Zeiten stand Offizieren mit der Zeit eine Beförderung zu, massgebend war allein das Dienstalter. So liess sich Konkurrenz vermeiden und der Korpsgeist stärken. Dass das Prinzip andererseits Motivation und Leistungsbereitschaft nicht gerade förderte, das war dann wieder die Kehrseite der Medaille.

Im Bundesrat galt das frühere Militärdepartement lange als Sitz für Anfänger – Kaspar Villiger, später Finanzen; Arnold Koller, später Justiz, Jean-Pascal Delamuraz, später Volkswirtschaft – alle begannen sie ihre Laufbahn im EMD. Noch heute gilt das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) nicht als so genanntes Schlüsseldepartement, auch wenn sein Budget mit viereinhalb bis fünf Milliarden Franken pro Jahr nicht das Kleinste ist.

Wie genau der Bundesrat jeweils die Sitzverteilung vornimmt, steht im Parlamentsgesetz, sechster Titel, Wahlen in den Bundesrat:

Die Sitze werden einzeln und nacheinander besetzt, in der Reihenfolge des Amtsalters der bisherigen Amtsinhaberinnen oder Amtsinhaber. Sitze, für die bisherige Mitglieder des Bundesrates kandidieren, werden zuerst besetzt.

Antikythera, Mechanismus von

Als der Frachter, von Rhodos her kommend, in schwerem Sturm sank, konnte sich seine Besatzung – so ist zu hoffen – noch auf die Leeseite des Inselchens Antikythera retten. Das 50 Meter lange Schiff und seine kostbare Fracht aber sanken 60 Meter tief auf den Grund.

Das war ums Jahr 80 vor Christus. Knapp zweitausend Jahre später, kurz vor Ostern des Jahres 1900, hatte der Schwammtaucher Elias Stadiatis mehr Glück: Als er, nach Luft schnappend, aus dem eisigen Wasser hochschnellte, hielt er einen Arm aus Bronze hoch. Er hatte das antike Wrack entdeckt.

1901 barg die griechische Marine prachtvolle Stücke – und ein paar formlose, dick mit grüner Kruste überzogene Bronzeklumpen, die, weil unansehnlich, prompt im Keller des Athener Nationalmuseums verschwanden. Als ein Jahr später die Ramschkiste zu bröckeln begann und der Archäologe Valerios Stais den Klumpen umpackte, entdeckte er ein Zahnrad. Ein Zahnrad, gefertigt von den alten Griechen.

Das war für die Mathematik- und Technikgeschichte ein ziemlicher Schock. Heute, Abertausende von Forschungsstunden und Röntgenuntersuchungen später, weiss man: Die Griechen im alten Korinth kannten schon Computer. Genauer: ein handgetriebenes Planetarium mit einem Differenzialgetriebe aus Dutzenden von Zahnrädern, das den Lauf von Sonne und Mond vorausberechnen konnte, dazu die Sonnenfinsternisse, die Mondphasen, die Positionen der Planeten Mars und Venus, sowie einen hochpräzisen Kalender mit den zwölf Monaten und dem Vierjahreszyklus der olympischen Spiele.

Es wird spekuliert, Archimedes selbst habe das Uhrwerk gebaut, und gar Julius Cäsar habe die Maschine gekannt. Tatsache ist: Die alten Griechen haben High Tech entwickelt, die mit ihnen ausstarb – und die erst tausend Jahre später von Uhrmachern und Ingenieuren wieder (und vermeintlich neu) erfunden wurde.

Antischall

Es ist nicht einfach, im Flugzeug Schlaf zu finden – Triebwerke, Gespräche, das schreiende Baby. Dagegen hilft Ohropax, das den Lärm zumindest dämpft. Weil wir uns aber unbewusst auf die Geräusche zu konzentrieren beginnen, helfen die Stöpsel nur bedingt. Auch ein Kopfhörer mit lauter Musik schafft keine Abhilfe: Lärm plus Musik ist dann einfach noch lauter. Das einzige, was wirklich hilft, ist «Antischall».

Schall ist eine Abfolge von Über- und Unterdruck der Luft, der sich kugelförmig ausbreitet – je schneller die Schallwellen aufeinanderfolgen, desto höher der Ton, je höher der Druckunterschied, desto lauter. Hier kommt der Kopfhörer mit Antischall ins Spiel, auf Englisch «active noise control». Im Inneren der Hörmuschel des Kopfhörers sitzt neben dem Lautsprecher auch ein Mikrofon, das den gedämpften Umgebungslärm aufzeichnet. Für jede einzelne Schallwelle wird von der Kopfhörermembran eine gegenläufige Welle erzeugt – bei Überdruck ein gleich grosser Unterdruck oder umgekehrt, die beide zum exakt gleichen Zeitpunkt auf dem Trommelfell auftreffen. Die Wellen, Druck und Gegendruck, heben sich bei jeder Schwingung auf, und der Lärm wird im physikalischen Sinn gänzlich ausgelöscht.

Das heisst: Fast ganz. Jeder Mensch besitzt ein individuell geformtes Aussen-, Mittel- und Innenohr. Weil Antischallkopfhörer aber Industrieprodukte sind, stellen sie immer einen Kompromiss dar, so dass auch der Antischall zumindest ein leises Rauschen zurücklässt. Unter Laborbedingungen allerdings, und aufwändig ans Gehör angepasst, ist Antischall zumindest theoretisch tatsächlich das Ende des Lärms.

Appeasement

«Appeasement», sagt das Lexikon der Bundeszentrale für politische Bildung, «steht in den internationalen Beziehungen für eine Politik der Zurückhaltung, der Beschwichtigung und des Entgegenkommens gegenüber aussenpolitisch aggressiven Staaten, zum Beispiel die britische Politik gegenüber dem Deutschen Reich vor 1939». To appease ist Englisch und heisst «abwiegeln», «besänftigen». Englands Premier Neville Chamberlain glaubte daran, dass Deutschland nach seiner Niederlage im Ersten Weltkrieg übel behandelt worden war und ein Entgegenkommen gegenüber Adolf Hitler einen neuen Krieg würde verhindern können. Aussenminister Anthony Eden wollte von dieser Leisetreterei nichts wissen und wurde prompt durch Lord Halifax ersetzt, der über beste Beziehungen zu Deuschland verfügte. «Obwohl vieles im System der Nazis England fundamental bedrohte», schrieb der in sein Tagebuch, «war ich gegenüber Hitlers Errungenschaften nicht blind, insbesondere seiner Leistung, den Kommunismus aus seinem Land herauszuhalten.» Da hatte Hitler die KPD bereits verboten und ihre Funktionäre ins KZ werfen lassen.

Ihren Gipfel erreichte die britische Appeasement-Politik im Münchner Abkommen von 1938, das den Nazis die Annexion der tschechischen Sudetengebiete erlaubte. «Peace for our time» – den Frieden habe er damit gesichert, verkündete stolz der Premier in London. Doch schon ein halbes Jahr später, als Nazideutschland auch die übrige Tschechoslowakei besetzte und das Abkommen brach, wurde Chamberlain klar, dass seine Politik kläglich gescheitert war.

Seither hat «Appeasement» einen schalen Beigeschmack. Hardlinern dient der Begriff regelmässig als Warnung vor einem möglichen Scheitern: vor den Kriegen auf den Falklands, am Golf, im Kosovo, im Irak – und heute gegenüber dem Iran.

Applaus

Ein Konzert, eine Rede, ein Theaterstück ohne Applaus? Undenkbar. Er ist der Schlusspunkt des künstlerischen Glanzstücks, und ebenso der politischen Schmierenkomödie – «Applaus», so schrieb 1911 der amerikanische Autor Ambrose Bierce in seinem «Wörterbuch des Teufels» zynisch, «ist das Echo einer Plattitüde».

Applaus, «Beifall klatschen», kommt vom lateinischen applausus, und der galt lange als Gegenstück zur ebenfalls lateinischen Akklamation, dem zustimmenden Zuruf. Ganz so einfach ist es aber nicht mit dem Applaus: Wer einmal zwischen dem ersten und zweiten Satz der Sinfonie applaudiert hat, der weiss, dass Blicke töten können. Wer es umgekehrt unterlässt, das Jazz-Solo mit einem Szenenapplaus zu quittieren, fällt als Banause durch, genauso wie der klatschende Student, wo die Kommilitonen mit dem Knöchel aufs Pult klopfen. In Ungarn wird rhythmisch geklatscht, was wiederum hierzulande den Wunsch nach einer Zugabe bedeutet, und nach Belieben kann der Applaus gesteigert werden durch Hochschnellen des Publikums zur stehenden Ovation, durch jubelnde «Bravo»-Rufe oder gar durch begeistertes Trampeln mit den Füssen. Und weil Applaus nicht frei von Gruppendruck ist, gibt es sogar den bezahlten Applaus durch den claqueur.

Ob Musiker, Politiker oder Schauspieler: Nach Applaus giert ein jeder, der auf der Bühne steht, je länger und heftiger, desto besser. Einer dieser Politiker war Gaius Octavius, besser bekannt als Augustus, Verwandter und Erbe des grossen Gaius Julius Cäsar und Kaiser von 30 v. Chr. bis 14 n. Chr. Auf seinem Sterbebett soll er den traditionellen Schlusssatz römischer Komödianten gesprochen haben:

Acta est fabula, plaudite!

– «das Stück ist zu Ende. Applaus!».