E-Mail

Wir schreiben das Jahr 1967. Der Ingenieur Lawrence Roberts, Architekt des Arpanet und damit einer der Väter des modernen Internet, war felsenfest überzeugt: Das Austauschen von Textmitteilungen unter den Netzwerkteilnehmern, so schrieb er, sei «kein wichtiger Beweggrund, ein Netz von wissenschaftlichen Rechnern aufzubauen». Es war die Zeit, als Telex noch ein schnelles Kommunikationsmittel war, als Computer noch schrankgross und nur etwas für die crème de la crème der Wissenschaft waren. «Not an important motivation» – welch krasse Fehleinschätzung!

Heute tragen wir Computer in der Tasche, die ein Eintausendfaches jener Rechner leisten, mit denen Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins 1969 auf den Mond gesteuert wurden, Computer, die gleich auch noch telefonieren können und lichtschnelle Postboten sind.

Die Post, damals Briefe oder Lochstreifen, ist heute digital. Und auch sie hat sich vervielfacht. 107 Billionen E-Mails wurden allein letztes Jahr verschickt, eine Zahl mit zwölf Nullen. Druckte man die alle auf Papier, der Turm reichte von der Erde bis hoch zur Venus.

Nur das Recht ist noch nicht so ganz im Internetzeitalter angekommen: E-Mails sind bis heute keine echten Beweismittel. Wer klagen will und nur eine E-Mail in der Hand hat, wird’s vor dem Richter schwer haben. Anders ist das beim Telefax, einer Technik, die fast schon ins Museum gehört.

Bei dieser ozeanischen Flut von E-Mails müsste man meinen, die Menschheit habe noch nie so viel geschrieben und gelesen wie heute. Schön wär’s. Neun von zehn aller Mails dieser Welt sind Spam.

Eiffelturm

Das Verhältnis von Paris zu seinem Eiffelturm ist kompliziert. 1890 schreibt Guy de Maupassant, Frankreichs grosser Erzähler, in einer Reportage:

Ich habe Paris und Frankreich verlassen, weil ich den Eiffelturm so gründlich satt hatte. Nicht genug, dass man ihn von überall her sieht, man findet ihn auch überall zu kaufen, hergestellt aus jedem erdenklichen Material, ausgestellt in jedem Schaufenster – ein Alptraum.

Als sich Maupassant seinen Überdruss von der Seele schreibt, ist der Eiffelturm gerade mal drei Jahre alt, und die Weltausstellung, für die ihn der Ingenieur Gustave Eiffel erbaut hat, liegt erst ein Jahr zurück.

Aber tatsächlich ist der bei seiner Eröffnung 312 Meter hohe Turm bloss als Provisorium gedacht; jahrzehntelang rostet er vor sich hin, derweil die Stadt über einen Abriss streitet. Da schlägt die Stunde des Hochstaplers Victor Lustig. Der gibt sich als Vizegeneraldirektor des Postministeriums aus und schreibt den Eiffelturm 1925 kurzerhand zum Verkauf aus. Der Schrotthändler André Poisson, noch neu im Geschäft, geht dem dem Betrüger Lustig auf den Leim und ersteht die 7000 Tonnen Alteisen für 50 000 Dollar. Mit dem Geld in der Tasche macht sich Lustig aus dem Staub, der getürkte Handel fliegt auf, doch aus Angst vor Hohn und Spott verzichtet der geprellte Poisson auf einen Gang zur Polizei.

Kein Abriss, kein Verkauf: Im Lauf seiner Geschichte dient der Eiffelturm als militärische Funkstation, als Zeitzeichensender, als Radiostudio, Fernsehsender, Wetterstation. 300 Millionen Menschen haben ihn bisher besucht; Jahr für Jahr kommen weitere sechs Millionen dazu.

Emoji

Sie haben einen seltsam fremden Namen, und doch sind sie uns so vertraut wie die Buchstaben: die sogenannten «Emojis», jene Smileys und Symbole, ohne die kaum eine SMS oder eine WhatsApp-Nachricht mehr auskommt. «Emoji» hat nichts mit «Emotion» zu tun, sondern setzt sich aus den japanischen Wörtern 絵 (e) für «Bild» und 文字 (moji) für «Zeichen» zusammen.

In der Fachsprache sind Emojis sogenannte Ideogramme, eine Bilderschrift, deren Buchstaben nicht abstrakte Zeichen, sondern stilisierte Abbildungen sind. Ihr Erfinder heisst Shigetaka Kurita. Kurita, ein japanischer Designer, arbeitete Mitte der Neunzigerjahre für den Konzern NTT DoCoMo, und der hatte eine Vision: das Internet aufs Handy zu bringen. Das war damals noch klobig, liess sich nur mit Tasten bedienen, und sein einfarbiges Display war noch briefmarkenklein. So dachte sich Designer Kurita 12 mal 12 Pixel kleine Symbole aus, mit denen sich die aktuelle Stimmung treffender und vor allem schneller übermitteln liess. Die von japanischen Mangas inspirierten, wahlweise heiteren, traurigen oder grimmigen Smileys verbreiteten sich wie eine Epidemie – erst in Japan, dann in Asien, schliesslich der ganzen Welt.

Heute gibt es Emojis für alle Lebenslagen – Smilies, Tiere, Symbole von Ahornblatt bis Zirkuszelt. Nur: Ganz so einfach ist die Sache nicht. Weil in Japan erfunden, kommt es bei den Emojis schon mal zu interkulturellen Missverständnissen: Der schnaubende, grimmig dreinblickende Smiley zum Beispiel ist ursprünglich das Zeichen für Triumph; der blaue Tropfen unter dem linken Auge des traurigen Emojis, den wir als Träne verstehen, ist in japanischen Mangas ganz einfach das Zeichen für Schlaf.

Enigma

Enigma heisst auf griechisch Rätsel. Enigma – so heisst auch die legendäre Verschlüsselungsmaschine des deutschen Reichs, das den alliierten Mächten im Zweiten Weltkrieg das Leben so schwer machte. Gebaut wurde die Maschine eigentlich schon seit 1923. Sie war ursprünglich für den zivilen Gebrauch gedacht, weckte aber bald das Interesse der Militärs, aus naheliegenden Gründen.

Enigma
Enigma
Die Enigma, das war ein 12 Kilo schwerer Koffer mit einem massiven Holzgehäuse, in dem sich eine Schreibmaschine befand, mit Batterie und beleuchteten Buchstaben. Texte wurden damit nach allen Regeln der Kunst verschlüsselt. Drei, vier oder gar acht austauschbare Walzen mit je allen 26 Buchstaben drehten sich, wie bei einem Kilometerzähler, mit jedem Tastendruck weiter und vertauschten die Buchstaben mit jedem Zeichen neu und anders. Aus OTTO – vier Buchstaben, je zwei davon gleich – wurde in der Enigma etwa QITF. Die verräterische Buchstabenhäufigkeit – 17,4 Prozent aller Buchstaben sind im Deutschen ein E – war weg.

Mit der Enigma verschlüsselte Meldungen erwiesen sich als nicht zu knacken, selbst dann noch nicht, als den Alliierten mehr als einmal Gebrauchsanweisungen, Schlüsseltafeln und und sogar Enigmas in die Hände fielen. Die Meisterleistung schaffte 1932 der erst 27-jährige Pole Marian Rejewski – mit einer legal gekauften Enigma, mit Glück und ganz viel Mathematik. Rejewskis Erfolg, dazu die Leistung der Analytiker im Spionage-Zentrum Bletchley Park bei London, der brillante britische Mathematiker Alan Turing mit seiner Entschlüsselungsmaschine – das alles machte es möglich, dass die Alliierten 1943 jeden Tag 2500 Funksprüche mitlesen konnten.

Nicht Kommandoaktionen, nicht Granaten und Geschütze: Die stärkste aller Waffen war am Ende das Genie einer Handvoll Mathematiker.

F-Loch

Nicholas Makris ist Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology und entwickelt akustische Ortungsgeräte, mit denen sich Meerestiere aufspüren lassen. In seiner Freizeit spielt er Laute, und als Wissenschaftler, der er ist, beschloss er 2014, dem Klang von Saiteninstrumenten auf den Grund zu gehen.

Die Laute besitzt, ebenso wie die Gitarre, in der Korpusmitte ein rundes Schallloch, durch das die bewegte Luft entweichen kann. Frühmittelalterliche Fiedeln hatten ebenfalls runde Schalllöcher, allerdings zwei, auf jeder Seite des Stegs eines. Im Lauf der Jahrhunderte begann sich bei den Geigen die Form der Löcher zu ändern – im 12. Jh. zu halbkreisförmigen, im 13. Jh. zu c-förmigen und im 16. Jh. schliesslich zu f-förmigen Schalllöchern. Makris’ Team begann, Instrumente aus der goldenen Zeit des Geigenbaus zu untersuchen – von Amati, Stradivari, Guarneri, anhand von Plänen aus Museen, Datenbanken von Sammlern, mit Röntgen und Computertomographie.

Was die Forscher herausfanden, war zunächst trivial: Je grösser das f-Loch und je fester der Boden, desto voller der Klang. Tatsächlich wurden vom 16. bis ins 18. Jahrhundert die f-Löcher länger, die Böden dicker, und beides führte zu einem mächtigeren Ton.

Ob die berühmten Geigenbauer genau wussten, was sie taten, lässt sich nicht beantworten. Doch mit Sicherheit wussten sie den Klang einer ganz besonders gelungenen Geige zu beurteilen und nutzten die dann als Vorlage für die nächste. So veränderte sich die Form von Instrument und f-Loch, besser und besser, in kleinen und kleinsten Schritten, bis hin zu den Meistergeigen von heute.