Brille

Wenn wir am Morgen verschlafen zur Brille greifen, dann verschwenden wir keinen Gedanken daran, welche Bedeutung ihre Erfindung gehabt haben muss. Das ist ja auch schon eine Weile her: Das erste Gemälde, auf dem eine Brille zu sehen ist (auf der Nase eines Kirchenfürsten in Frankreich), stammt aus dem Jahr 1352. Doch Augengläser gab es schon lange vorher: Dass eine Linse das Licht auf ganz besondere Weise bricht, war schon in der Antike bekannt; angeblich soll bereits im 3. Jh. v. Chr. der griechische Gelehrte Archimedes einen Kristall zur Sehkorrektur benutzt haben. Nachahmer fand er noch keine – zwar soll Kaiser Nero im 1. Jh. n. Chr. Gladiatorenkämpfe durch Gläser aus grünem Smaragd verfolgt haben, doch die dienten nicht zur Sehkorrektur, sondern nur zum Schutz der Augen vor dem gleissenden Sonnenlicht. Bekannt waren dagegen Linsen, die das Licht bündelten, um Feuer zu entfachen. Neros Berater Seneca wiederum wusste, dass sich kleine Buchstaben mithilfe einer wassergefüllten Glaskugel vergrössern liessen. Die Wikinger schliesslich entdeckten, dass das Ergebnis noch besser war, wenn man geschliffene Kristalle auf Buchseiten legte – auf diese Weise wurde die Schrift auch für Weitsichtige lesbar.

Das Schleifen von Linsen setzte Glas oder durchsichtige Halbedelsteine voraus – Bergkristall oder auch das häufig vorkommende Silikatmineral Beryll. Aus Beryll wurden im Mittelalter die Sichtfenster von Reliquiaren und Monstranzen geschliffen, Linsen, durch die man die eingeschlossenen Reliquien sehen konnte. Und so wurde der Kristall namens Beryll zum Inbegriff alles Durchsichtigen – und am Ende zu unserem heutigen Wort «Brille».

Broch

Ein Broch ist ein Wohnturm aus der Eisenzeit. Er hat keine Wände, sondern meterdicke Rundmauern, keinerlei Fenster und statt einer Tür einen niedrigen Eingangstunnel. Brochs wurden vor über zweitausend Jahren gebaut – im nordöstlichsten Zipfel Schottlands und auf den noch nördlicher gelegenen Inseln Orkney und Shetland. Die mächtigen Gebäude aus Trockenmauern, von Hand aufgeschichtet und ohne jeden Mörtel, boten Schutz vor Regen, Kälte und Wind – und vor den Feinden, die zu allen Zeiten übers Meer kamen und die es auf das fruchtbare Ackerland und die reichen Fischgründe abgesehen hatten.

Der Broch von Mousa auf den Shetlands ist der besterhaltene überhaupt. Er misst 15 Meter im Durchmesser, ist mehr als 13 Meter hoch und fast vollständig erhalten. Die viereinhalb Meter dicken Aussenmauern sind doppelwandig und hohl. Sie enthalten drei Kammern und eine Steintreppe, die bis auf die Mauerkrone hochführt. Im Inneren des kreisrunden Schlots sind ein Wassertank und eine Feuerstelle eingebaut.

Längst nicht alle Rätsel sind gelöst: Wie viele Menschen lebten in einem Broch? Gab es Holzböden, mehrere Stockwerke? Wie wurden die Dächer konstruiert, und womit wurden sie gedeckt? Klarer scheint dagegen, dass die Türme von den Rundhäusern abstammen, wie sie für die britischen Inseln typisch waren. Die hatten nämlich einen grossen Vorteil: Im Verhältnis zum Raum, den sie bieten, haben runde Bauten die kleinste Oberfläche.

Dass wir Brochs heute noch bestaunen können, hat übrigens einen ganz einfachen Grund: Weil das Klima im Norden für Bäume zu rauh ist, baute man mit Stein – mit Stein, der die Jahrtausende, im Gegensatz zum Holz, fast unbeschadet überdauerte.

Browser

Schemengleich tauchte es am Medienhorizont auf: das Internet. Dreizehn Jahre ist es her, da liess ich mich – damals schon Computerfreak – von einem noch kundigeren Kollegen ins Bild setzen. Er, gestandener Auslandskorrespondent, erklärte mir geduldig, was es mit HTML, mit Suchmaschinen, mit Protokollen, mit Browsern und Webservern auf sich hatte. Am Ende schwirrte mir der Kopf, und ich beschloss, auf diesen Unfug zu verzichten.

Browser
Klar: Dieser Beschluss hatte nicht lange Bestand. Das Web ist unser täglich Brot, und der Griff zur Suchmaschine, die heute Google heisst, ist um ein Vielfaches häufiger als jener zur Tageszeitung. Dass uns die Technik egal sein kann, liegt an einem Computerprogramm namens Browser. Ein Browser ist wörtlich «ein Stöberer» – er ist das Programm, das uns das Web auf den Bildschirm holt: als Text, als Link, als Bild, als Musik, als Film. Das ist alles andere als trivial, denn das Web besteht aus verschiedensten Dateiformaten, Dokumenten, Datensprachen, und der Browser sorgt dafür, dass am Ende alles blitzschnell und möglichst einfach nutzbar dargestellt wird.

Der allererste Browser wurde am 21. April 1993 veröffentlicht. Er hiess Mosaic 1.0 und stammte aus dem National Center for Supercomputing Applications der Universität von Illinois. Heute gibt es Dutzende von Browsern, allesamt kostenlos – vom grossen blauen «e» von Microsoft bis hin zu Lynx, der lediglich Text darstellt. Bereits werden die ersten Kleincomputer entwickelt, die gar keine Software mehr benötigen – ausser einem kleinen Betriebssystem und, natürlich, einem Browser.

Der Browser ist nichts weniger als das Fenster zum Universum des Web. So gesehen ist er um nichts weniger revolutionär als anno 1611 Johannes Keplers erstes Teleskop.

Bücherrad

Dies ist eine schöne künstliche Maschine, die sehr nützlich ist, weil man mit ihr in einer grossen Menge Bücher blättern kann, ohne sich von der Stelle zu bewegen.

So beschreibt der italienische Ingenieur Agostino Ramelli 1588 das von ihm erfundene Bücherrad. Diese Lesemaschine sieht ein bisschen aus wie ein Wasserrad für Bücher. Es besteht aus einem Holzgestell und zwei mannshohen Radscheiben. Dazwischen befinden sich acht Lesepulte, die von Zahnrädern so bewegt werden, dass die aufgeschlagenen Bücher ihre Neigung stets behalten und nicht zu Boden fallen. Auf diese Weise kann ein Leser durch einfaches Drehen zwischen verschiedenen Bänden und Textstellen hin und her springen – das Bücherrad gilt deshalb auch als eine Art Kindle des 16. Jahrhunderts.

Das Bücherrad wird im 700-Seiten-Wälzer mit dem Titel «Die verschiedenen und kunstvollen Maschinen des Capitano Agostino Ramelli» als einer von insgesamt 195 Apparaten beschrieben und abgebildet. Im Grunde war das Bücherrad unnötig kompliziert: Solche epizyklischen Getriebe waren bis dahin nur in astronomischen Uhren verbaut worden. Vermutlich auch deshalb hat Ramelli selbst nie ein solches Bücherrad gebaut, es ging ihm vor allem darum, sein mathematisches Genie unter Beweis zu stellen.

Ob es Bücherräder tatsächlich gegeben hat, ist nicht bekannt, doch aufwändige Nachbauten sind in einer ganzen Reihe europäischer Museen zu sehen.

Büro, papierloses

Gedanken sind flüchtig, und wenn wir auf Nummer sicher gehen wollen, dann geht nichts über das gute alte Papier. Ob Handschrift oder Ausdruck: Papier ist verlässlich, und im Gegensatz zu all den Schallplatten, Disketten und CDs überdauert es Jahrhunderte.

Nur: Papier riecht und roch schon immer ein bisschen nach Vergangenheit. Und so tauchte in den sechziger Jahren eine Vision auf, ein Ideal von einem Büro gänzlich ohne Papier. Ein Science-Fiction-Film von 1966 zeigt ein blitzblank aufgeräumtes Büro mit drei grossen Bildschirmen und einer Art elektronischer Schreibplatte, auf der man mit Spezialstift schreiben kann. Ein Brief aus Papier kommt nicht mehr vor.

«Der Ehemann wird auch eine Korrespondenzmaschine zur Verfügung haben, eine Art persönliches Postbüro für sofortige geschriebene Kommunikation zwischen Menschen irgendwo auf der Welt.»

In einer Analyse des Wirtschaftsmagazins Bloomberg skizziert der Physiker und Forschungschef des Kopiergiganten Xerox, George E. Pake, 1975 das paperless office, das papierlose Büro der Zukunft:

«Ich werde in der Lage sein, per Knopfdruck Dokumente auf meinem Bildschirm aufzurufen, Post und jede Art von Nachrichten. Ich habe keine Ahnung, wieviel Papier ich in dieser Welt noch brauchen werde.»

Und heute? Büro ohne Papier? Weit gefehlt: Jeder von uns verbraucht pro Jahr über 60 Kilo davon, Verpackungen, Hygiene– und Zeitungspapier nicht eingerechnet. Das sind, papierloses Büro hin oder her, immer noch mehr als 30 Seiten. Pro Tag.