Bostitch

Sie heften zwei A4-Blätter zusammen und greifen zum Bostitch. Das papierlose Büro, der grosse Traum der achtziger Jahre, hat sich buchstäblich in Papier aufgelöst. Und so erweist sich der Bostitch als das nützlichste Gerät seit der Erfindung des Papiers: ein handlicher Apparat, der ein gebogenes Drahtstück durch die losen Blätter treibt und auf der Rückseite fein säuberlich zusammenbiegt.

Bostitch
Bostitch
Bostitch hiess ursprünglich Boston wire stitcher; auf Deutsch Drahthefter. Der wird noch heute von der Firma Stanley-Bostitch hergestellt: im US-Bundesstaat Rhode Island und seit vielen Jahrzehnten. Der Ur-Bostitch, erfunden von Firmengründer Thomas Briggs, stammt aus dem Jahr 1903. Er sah aus wie eine Mischung aus Pedalnähmaschine und Bandsäge, und er heftete Büchlein, Kalender und Hutschachteln. Der erste handliche Bostitch, der diesen Namen verdient, kam 1914 auf den Markt. Die Form des Geräts hat sich bis heute gehalten: mit seinem Kniegelenk auf der Rückseite, dem Schacht für die Heftklammern und der runden polierten Auflagefläche zum Drücken. Bis 1924 mussten die Heftklammern einzeln eingefüllt werden, erst seit dann lassen sie sich säuberlich miteinander verleimt als Stangen einlegen: eine weitere patente Bostitch-Erfindung.

Bostitch heisst das Alltagsgerät übrigens nur in der Schweiz. Die Österreicher brauchen ihre Klammermaschine, die Deutschen ihren Hefter oder, lautmalerisch, den Tacker.

So ganz alltäglich war das profane Heften übrigens nicht immer: Die erste bekannte Heftmaschine soll schon um 1700, zu Zeiten des Franzosenkönigs Louis XV, in Gebrauch gewesen sein. Jede Klammer war von Hand gefertigt und trug das Wappen des königlichen Gerichts.

Bowie-Bonds

Keine Frage: David Bowie, mit bürgerlichem Namen David Robert Jones, ist einer der «Heroes» der Popgeschichte, wie einer seiner Welthits heisst. Mit «The Man Who Sold the World» schrieb Bowie 1970 einen Song, der eine ganz andere Seite vorwegnehmen sollte: die des smarten Businessman. Statt auf die wechselhaften Erträge aus den CD-Verkäufen zu hoffen, landete Bowie Anfang 1997 einen Coup: Anlässlich seines 50. Geburtstags gab er eine Anleihe heraus; das ist ein Wertpapier, das dem Käufer das Recht auf Rückzahlung und auf Zinsen einräumt. Als Sicherheit dienten David Bowie die künftigen Einnahmen seiner damals 25 Alben. Diese «Bowie Bonds» mit einer Laufzeit von 10 Jahren brachten dem Sänger auf einen Schlag 55 Millionen Dollar ein – gezeichnet wurden sie von einer Versicherung, die sich von den 7,9% Zinsen ein gutes Geschäft versprach.

Die Anleihe war ein Paukenschlag. Auf dem Londoner Finanzplatz galt die Emission als ein Riesending, und angesichts des Erfolgs liessen Nachahmer nicht lange auf sich warten: Rod Stewart, Iron Maiden oder James Brown griffen in der Folge ebenfalls zum Instrument der «Bowie Bonds».

Heute gehören solche Musiker-Bonds der Vergangenheit an. 2007 gerieten sie in den Strudel der Finanzkrise und galten bald einmal als «toxisch». Auch wenn sich der Ruf dieser Papiere heute wieder etwas erholt hat: Das CD-Geschäft als Sicherheit ist tot. David Bowie aber, dieser genialische Verwandlungskünstler, hat sein Geschäft gemacht: Die 55 Millionen nutzte er dazu, sein Management auszuzahlen und dessen Rechte an seinen Songs vollständig zurückzukaufen.

Boykott

Charles Cunningham Boycott, geboren 1832, war Captain der britischen Armee und Gutsverwalter für den Earl of Erne, der in Irland ausgedehnte Ländereien besass. Sein Ruf als Menschenschinder eilte Boycott voraus: Rechtshändel, Gewaltandrohung gegen ansässige Farmer, Diebstahl von Strandgut aus gesunkenen Schiffen und dergleichen mehr. Als Verwalter trieb Boycott bei den Bauern in der Grafschaft Mayo die Pachtzinsen ein. Er war hochnäsig, kleinlich und rücksichtslos, und als Engländer war er den irischen Bauern ohnehin suspekt.

Im August 1880, nach einer schlechten Ernte, traten die zahlungsunfähigen Bauern in einen Streik. Sie weigerten sich, weiter für Boycott zu arbeiten oder mit ihm Handel zu treiben. Im Gegenzug rekrutierte dieser königstreue protestantische Arbeiter aus Ulster, die unter dem Schutz Hunderter Soldaten die Ernte einbrachten, worauf sämtliche Pächter und Landarbeiter, unterstützt von der irischen Landliga, ihre Verträge kündigten. Die Eisenbahn weigerte sich, Boycotts Vieh zu transportieren, und die Ladenbesitzer verkauften ihm keine Waren mehr. Boycott begann Pächter mit Gewalt von ihren Farmen zu vertreiben, worauf sämtliche Angestellten – Bauern, Landarbeiter, selbst der Schmied, der Postbote und die Wäscherin – aus Protest wegzogen. Am Ende sah sich Boycott gezwungen, Irland zu verlassen.

Als die London Times im November 1880 über den eskalierenden Konflikt berichtete, benutzte sie zum ersten Mal das Verb to boycott, und so gelangte das neue Wort ins Englische und in die ganze Welt.

Brakteat

Jahrhundertelang war der Handel Europas von den Münzen der Römer geprägt. Vorder- und Rückseite der römischen Münzen wurden mit aufwändig gravierten, gehärteten Prägestempeln geschlagen – Ornamente, Inschriften, Porträts traten auf der Münze deutlich hervor.

Diese Art der Münzherstellung war Hightech, und sie war teuer. Als im 5. Jahrhundert das römische Imperium zusammenbrach, fehlten auf einmal die Münzprofis, und zu allem Überfluss erforderte der aufblühende Handel immer mehr Zahlungsmittel. Also begann man in Skandinavien und Deutschland die Münzprägung zu vereinfachen. Hergestellt wurde nur noch eine Prägeform, der Oberstempel. Ein kleines, grob zurechtgeschnittenes Stück Silberblech wurde auf eine Bleiplatte gelegt und mit einem Hammerschlag geprägt. Die Münzen waren zwar dünn und unscheinbar, aber viel rascher und vor allem billiger herzustellen. Nach ihrer Herstellung nennt man sie «Brakteaten», von lateinisch bractea, «dünnes Blech», oder auch «Hohlpfennige», weil das Münzbild auf der Rückseite hohl war. Diese Brakteaten waren ein wirtschaftlicher Erfolg: Von Dänemark und Deutschland breiteten sie sich bis in die Schweiz und nach Liechtenstein aus, und noch bis ins 14. Jahrhundert wurden niedrige Münzwerte als Brakteaten geprägt.

Münzen waren im Frühmittelalter nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Wertanlage. Als Tresor diente oft das Erdreich im oder vor dem Haus; in Beuteln, Töpfen oder Kassetten wurde das Geld vergraben. Ging es vergessen, weil sein Besitzer unerwartet starb, blieb der Schatz erhalten – bis in unsere Zeit.

Brief

Papier ist geduldig, sagt man. Und das muss es auch sein: Mehr als 2,7 Milliarden Briefe hat allein die schweizerische Post letztes Jahr zugestellt. Für jede und jeden von uns heisst das ziemlich genau einen Brief pro Tag. Die meisten davon sind kurz und bündig – daher auch der Name: Brief kommt vom lateinischen brevis, kurz.

Briefe zu schreiben ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Schon 3200 vor Christus kratzten Sumerer ihre Briefe auf Tontafeln, seit 500 vor Christus Römer die ihren in Wachs. Wesentlich geeigneter war seit dem Altertum das Pergament, das viel leichter zu transportieren war, und seinen Durchbruch erzielte der Brief mit dem ums Jahr 100 nach Christus von Chinesen entwickelten Papier. Seit dem späten Mittelalter wird in Europa fast nur noch auf Papierbogen geschrieben – Bogen, deren Länge und Breite seit 1922 vom Deutschen Institut für Normung festgelegt sind. Daher auch der Name – DIN A4.

Und was findet sich seit 1922 alles im Format DIN A4! Allein die Anreden sprechen Bände – Geliebter Bruder! Geschätzter Herr! Werte Dame! Teure Schwester! Und heute leider fast nur noch Sehr geehrter Herr oder Sehr geehrte Frau. Milliardenfache Einfallslosigkeit, möchte man sagen.

Immerhin: Briefe haben eine Physis – man kann sie in Händen halten. Man kann Schleifen um sie binden, sie zu Akten bündeln – oder auch, je nach Temperament und Gemütslage, zerknüllen und zerreissen.

Allerdings: Sie bekommen starke Konkurrenz, die Briefe: die E-Mails. Jeder und jede von uns bekommt, neben dem einen Brief, heute schon drei Mails pro Tag. Und besieht man sich den Inhalt dieser E-Mails, dann wird in Zukunft nicht mehr das Papier um Geduld ringen, sondern vielmehr wir, die wir nichts lieber täten, als lästige E-Mails zu zerknüllen.