Schienenzeppelin

So sieht die Zukunft aus: eine hellgraue, 26 Meter lange Zigarre auf Schienen, mit Rippen aus Aluminium und einer Haut aus Segeltuch. «Schienenzeppelin» nennt Ingenieur Franz Kruckenberg sein futuristisches Gefährt. Denn während Luftschiffe längst den Himmel bevölkern, ist der Schienenzeppelin der erste seiner Gattung. Zwei Jahre lang hat Kruckenberg, der vor dem Ersten Weltkrieg Flugzeuge gebaut hat, an seinem neuartigen Schienenfahrzeug getüftelt. 1930 ist es fertig: ein Zeppelin auf Rädern, mit einem 600-PS-Motor von BMW und einem gewaltigen Propeller aus Eschenholz im Heck. Dessen Achse ist leicht nach oben geneigt, damit das Fahrzeug nicht seinen Namensvettern nacheifert, sondern auf die Schienen gepresst wird. Wo immer der Schienenzeppelin vorgeführt wird – er zieht Technikbegeisterte in hellen Scharen an.

Hamburg-Bergedorf, 21. Juni 1931, 3.27 Uhr nachts, eine Zeit, in der im ganzen Reich kein Zug unterwegs ist. Pilot Kruckenberg dreht den Motor hoch. Nach der Durchfahrt in Karstädt, 150 Kilometer von Hamburg entfernt, erreicht der Schienenzeppelin eine Geschwindigkeit von über 230 Stundenkilometern. Um 5.05 Uhr, gut eineinhalb Stunden nach dem Start, hält der Zug im Lehrter Bahnhof in Berlin.

Trotz des enormen Tempos hat der Schienenzeppelin keine Zukunft: Die Luftschraube im Heck lässt keine weiteren Wagen zu, für Rangierfahrten ist ein Hilfsmotor nötig, und der offene Riesenpropeller ist eine Gefahr für die Passagiere. 1939, fünf Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wird das exotische Fahrzeug verschrottet.

Überlebt haben einzig Schwarzweissfotos – und Modelle des Spielwarenherstellers Märklin.

Schubumkehr

Wir Nichtflieger kennen die Aviatik bestenfalls durch den Flugsimulator am Computer. Und unsere kläglichen Landeversuche bei schlechter Sicht und heftigen Seitenböen haben uns gelehrt, dass auch einfachere Flugmodelle ihre Tücken haben.

Ein Problem beim Landen ist das Tempo: Nach dem Aufsetzen muss gebremst werden, und das tüchtig: Die Landegeschwindigkeit eines modernen Airbus A 320, wie ihn etwa die Swiss einsetzt, beträgt 220 Stundenkilometer. Mit herkömmlichen Bremsen allein ist ein Passagierflugzeug schwer zu stoppen. Dazu braucht es bei Jets die Schubumkehr: Mit einer Stahlklappe, die sich von oben her schräg über den Abgasstrahl schiebt, wird dieser nach unten und nach vorn abgelenkt. Der damit gegen die Fahrtrichtung gerichtete Schub bremst das ausrollende Flugzeug stark ab; die Passagiere hören die Schubumkehr vor allem als Aufheulen der Triebwerke. Bei Tempo 110 wird die Schubumkehr wieder ausgeschaltet, damit aufgewirbelte Steine oder angesaugte Abgase das Triebwerk nicht beschädigen können. Den Rest erledigen dann mechanische Bremsen.

In der zivilen Luftfahrt dürfen nur Flughäfen angeflogen werden, die eine Landung auch ohne Schubumkehr zulassen. Namentlich bei schlechtem Wetter aber ist die Schubumkehr nötig; es hat schon mehrere Unfälle gegeben, weil die Piloten die Schubumkehr zu spät aktivierten. Umgekehrt kann ein Aktivieren vor dem Aufsetzen den Jet abstürzen lassen, und Umkehrschub während des Starts war ebenfalls die Ursache einer ganzen Reihe von Flugzeugunglücken.

Aller Katastrophen zum Trotz: In der Schweiz sind 2007 12 Menschen in Schweizer Flugzeugen ums Leben gekommen. Im Strassenverkehr waren es 384.

Teufelsstein

Unterhalb von Göschenen liegt der sogenannte «Teufelsstein». Er ist 13 Meter hoch und 2000 Tonnen schwer, und hierher versetzt hat ihn – nein, nicht der Teufel, sondern vielmehr eine mächtige Hydraulikpresse. Und das kommt so:

In alten Zeiten hatten die Urner mehrmals versucht, in der Schöllenenschlucht eine Brücke zu bauen. Vergeblich: Jedesmal stürzte der Bau in die wilde Reuss. Da schlug der Teufel ein Geschäft vor: Er werde die Brücke bauen, wenn er dafür die Seele bekomme, die als erste die Brücke überquere. Gesagt, getan. Die Urner aber, bauernschlau, jagten als erstes einen Ziegenbock hinüber. Wutentbrannt griff der Teufel nach einem riesigen Felsen, um damit das Bauwerk zu zerschlagen. Ein in den Stein geritztes Kreuz aber verwirrte den Teufel so sehr, dass er die Brücke verfehlte. So will es jedenfalls die alte Sage.

Tatsache ist, dass der Teufelsstein, der seit Menschengedenken auf dem Teufelssteinmätteli bei Göschenen lag, 1968 der geplanten Gotthardautobahn im Weg war. Die Ingenieure waren um eine Lösung nicht verlegen und planten, den lästigen Block zu sprengen. Aber auch sie hatten die Rechnung ohne die Urner gemacht: Die Naturforschende Gesellschaft, der Göschener Gemeinderat, die Natur- und Heimatschutzkommissionen von Bund und Kanton, ja sogar die Göschener Schuljugend mit einer Schülerzeitung – alle fachten sie einen wahren Entrüstungssturm an. Bis der Bund klein beigab und statt dessen eine Versetzung vorschlug.

Und so kam es, dass 1973 moderne Technik und Kosten von gut 300 000 Franken dem Teufel ins Handwerk pfuschten und den Granitblock um 127 Meter nach Norden schoben, wo er bis heute liegt.

Tram

Zur Welt kam das Tram in England. Am 25. März 1807 wurde im südwalisischen Swansea ein Pferd angeschirrt und vor die hölzerne Schienenkutsche gespannt, die aussah, als wolle sie gleich den wilden Westen durchqueren. Damit war die erste Pferdebahn geboren. Ihr helvetisches Pendant liess noch etwas auf sich warten: Erst 1862 liessen sich die Genfer Stadtväter von den Vorzügen dieses Zwitters aus Postkutsche und Eisenbahn überzeugen und nahmen das erste Rösslitram in Betrieb.

Auch wenn die Geschichte bekannt ist: Woher der Name kommt – «Tram» (vom englischen tramway) –, liegt im Dunkeln. Der Ursprung ist, so wird spekuliert, das altnordische Wort für «Balken», das als tram oder trämel im Zimmermannswesen und in vielen Dialekten noch heute gebräuchlich ist. Dieser (im übrigen männliche) Tram wurde Anfang des 16. Jahrhunderts in Schottland zum Synonym für die auf Schienen laufende Lore in Kohleminen und später für jede Art von Schienenwagen.

Wie alle Fahrzeuge wurde auch das Tram zunächst mit Hafer betrieben, später mit Kohle, da und dort mit Diesel, dann endlich mit elektrischem Strom. Vieles hat sich im Laufe der Jahrzehnte geändert: nicht nur die Futtermittel, sondern auch die Länge. Die ersten Schweizer Kutschen boten Platz für eine Handvoll Reisende; Hochleistungstrams von heute sind über 40 Meter lang, fassen mehr als 200 Passagiere und bieten Klimaanlage und drahtloses Internet.

Die Moderne machte auch vor der historischen Schienenkutsche von Swansea nicht Halt: Das Zugpferd wurde der Reihe nach von einem Segel, einer Dampfmaschine, einem Diesel- und einem Elektromotor abgelöst. Bis schliesslich 1960 der schärfste Konkurrent des Trams das Geschäft übernahm: der Bus.

Velo

Es gibt Worte, bei denen wird einem einfach warm ums Herz. Zum Beispiel beim Wort «Velo». Nur in der Schweiz heisst es so – Deutschland kennt das Fahrrad, das modische Bike, den scherzhaften Drahtesel – nur hierzulande heisst das Ding Velo.

Velo
Velo
Dabei ist Velo die ursprüngliche Bezeichnung – für ein Gerät, das Karl Freiherr von Drais, ein Erfinder der Goethezeit, im Jahr 1817 erfunden hatte. Das Ding war lenkbar und hatte zwei Räder, zwischen denen der Fahrer sass und sich mit den Füssen vom Boden abstiess. Auch wenn Drais sein Gefährt «Laufmaschine» nannte: Die Presse hiess es einfach «Draisine». England war begeistert, und schon 1819 wurden in Ipswich Rennen durchgeführt. In England hiess die eiserne Laufmaschine bald schon velocipede, von lateinisch velox, schnell, und pes, Fuss.

Das schnelle Veloziped war schlechterdings genial: Die nötige Bewegungsenergie ist bei keiner anderen Fortbewegungsart so niedrig wie beim Velo. Eine normale Nabenschaltung erreicht einen Wirkungsgrad von 95 Prozent; moderne Kettenschaltungen erreichen gar noch höhere Werte. Zum Vergleich: Ein normaler Automotor erreicht einen Wirkungsgrad von allerhöchstens 30 Prozent.

Eine so geniale Erfindung schreit geradezu nach Legenden. Eine Skizze auf altem Papier zum Beispiel, die ein Velo mit Kettenantrieb zeigt und angeblich von einem Schüler Leonardo da Vincis stammt, erwies sich als dreiste Fälschung aus den 1970er Jahren.

Dass das Velo im Deutschen nicht mehr Velo heisst, daran sind Sprachpuristen schuld. Im Jahr 1890 übersetzte der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins Otto Sarrazin 1300 störende Fremdwörter ins Deutsche. Und so wurde aus dem ungeliebten Velo das heutige Fahrrad.

In der Schweiz aber wird uns beim Klang des Wortes «Velo» noch immer warm ums Herz. Sei’s aus Heimatgefühl – oder von der Anstrengung.