Nerd

Er ist jung, blass und genial. Er sitzt den ganzen Tag am Computer, bricht das Gesetz, ernährt sich von Pizza und ist genauso sozial wie sportlich, nämlich gar nicht. Das Klischee ist wenig zimperlich, wenn’s um den Nerd geht, wie der meist jugendliche Technik- und Computerfreak heute heisst. Dass wir immer wieder von Nerds lesen, die Datenbanken überfallen, trägt wenig dazu bei, dieses Vorurteil abzubauen.

Nerd
So schräg wie die Nerds ist auch ihr Name. Das Wort soll aus einem Kindergedicht von 1950 stammen oder eine Abkürzung für Northern Electric Research and Development sein. Wieder andere wollen wissen, dass es jugendlicher Unfug war, der darin bestand, das Wort drunk («betrunken») rückwärts auszusprechen. Phonetisch geschrieben, soll das «nerd» ergeben haben. Eines allerdings ist sonnenklar: Nerds sind lichtscheu. Das liegt daran, dass Computer nie an der Sonne stehen (eine ungesunde Blässe nennt man scherzhaft «Bildschirmbräune»), und natürlich auch daran, dass nicht immer mit dem Gesetz in Einklang steht, was Nerds so alles treiben.

Nicht immer legal, aber immer kreativ: im Film «War Games» spielte 1983 Matthew Broderick die Rolle des jungen, hochbegabten David, der sich mit seinen Hackerkünsten kostenlose Flugtickets ergaunert, auch wenn er schliesslich die Welt an den Rand eines Atomkriegs bringt. Einem anderen genialen Nerd, Steve Jobs‚ Freund Steve Wozniak, haben wir die «Blue Box» zu verdanken, ein Gerät, mit dem man schon 1971 kostenlos, wenngleich illegal Ferngespräche führen konnte.

Wozniaks nächste Erfindung allerdings, der erste Personal Computer namens «Apple I», hat Geschichte geschrieben. Ihm verdanken wir, dass Apple heute nicht nur ein Apfel und Nerd nicht nur ein Zungenbrecher ist.

Panzerknacker

Roter Kittel, blaue Hose und Mütze, die schwarze Maske im Gesicht und die Sträflingsnummer auf der Brust: Die Panzerknacker aus Entenhausen hatten höchst reale Vorbilder. Wie zum Beispiel die Gebrüder Franz und Erich Sass aus Berlin. Im deutschen Reich der 1920er-Jahre wurden sie zu gefeierten Medienstars.

Wochenlang hatten sie geschuftet, um den Tunnel zu graben, doch nun, an diesem 27. Januar 1929, waren sie am Ziel, im Tresorraum der Diskontobank an der Kleiststrasse 23. Staubig und verschwitzt leerten die beiden Bankräuber zur Feier des Sonntags zwei Flaschen Wein. Die Schliessfächer waren aufgebrochen, und alles, was die Berliner Hautevolee der Bank anvertraut hatte, lag zum Abtransport bereit.

Es sollte eine Weile dauern, bis der Einbruch überhaupt bemerkt wurde. Als der Kassierer am Montagmorgen den Tresor öffnen wollte, stellte er verblüfft fest, dass sich die Panzertür nicht bewegen liess. Die Bank vermutete einen Defekt, und erst nach zwei Tagen gelang es, die massive Wand zu durchbrechen. Um Zeit zu gewinnen, hatten die Sassens die Tür von innen blockiert.

Der Fall schlug hohe Wellen. Die Kriminalpolizei hatte sofort die Brüder Sass im Visier, doch es half alles nichts: Keine Fingerabdrücke, von der Beute keine Spur. Als die Sassens aus der U-Haft freikamen, schenkten sie der begeisterten Presse Champagner aus.

Fünf Jahre später wurden die Ganoven dann doch überführt und 1940 auf Befehl Adolf Hitlers erschossen. Die 2,5 Mio. Reichsmark aus der Diskontobank dagegen sind bis heute verschollen.

Preise, gebrochene

Mineralwasser für Fr. –.95, Duschmittel für 2.90, Waschpulver für 23.95 – die Preise von Produkten folgen den Regeln der Preispsychologie. Und die besagen: Was 14 Franken kostet, wirkt teurer als als bei Fr. 13.99, auch wenn am Ende fast genau derselbe Betrag in der Kasse liegt.

Bloss: Der Ursprung dieser sogenannten «gebrochenen Preise» liegt nicht in der Wahrnehmung, sondern im Verhindern von Diebstahl. Wer Anfang des 20. Jahrhunderts im Verkauf arbeitete und selbst mehr schlecht als recht über die Runden kam, lebte mit der ständigen Versuchung, den runden Betrag einzukassieren – und, wenn der Chef gerade nicht hinsah, einzuheimsen. Das konnte auf die Dauer nicht gutgehen, und die Chefs rüsteten auf. Sie beschafften eine Registrierkasse, die alle Beträge auf eine Papierrolle druckten, und sie setzten die Preise so fest, dass der Verkäufer gezwungen war, zur Kasse zu gehen, um dem Kunden das Rückgeld auszuhändigen.

Dass sich gebrochene Preise tatsächlich positiv auf die Umsätze auswirken, lässt sich bis heute wissenschaftlich nicht belegen. Versuche mit runden oder auf .95 oder .99 gedrückten Preisen ergaben kaum je ein eindeutiges Ergebnis. Doch die Faustregel, gebrochene Preise seien gut fürs Geschäft, hat längst ein Eigenleben entwickelt. Ein Experiment aus dem Jahr 2003 von der Universität von Chicago und dem MIT zeigt, dass Kunden gebrochene Preise geradezu erwarten: Den Versandhauskatalog eines Modehauses gab es in unterschiedlichen Versionen – in der einen kostete ein bestimmtes Kleidungsstück 34, in der anderen 39 Dollar. Das teurere, mit einer 9 am Schluss, wurde häufiger gekauft.

Rasterfahndung

1979 standen die Frankfurter Polizei und das Bundeskriminalamt vor einem Problem, und die Lösung, die der damalige BKA-Chef vorschlug, hiess «Rasterfahndung». Zwei Jahre waren seit dem Terrorjahr 1977 vergangen: Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Vorstandssprecher Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer waren erschossen worden, die Lufthansa-Maschine «Landshut» gekapert und entführt.

In der Zwischenzeit aber war die Polizei den Terroristen immer näher gekommen. Sie wusste, dass die RAF in Frankfurt am Main unter falschen Namen Wohnungen gemietet hatte, aber sie wusste nicht, wo. Klar war, dass die Terroristen ihre Stromrechnungen nicht von einem normalen Bankkonto bezahlten, sondern in bar – um keine Spuren zu hinterlassen. Die Fahnder beschafften also ein Magnetband, auf dem alle 18 000 Frankfurter Bürger gespeichert waren, die ihre Rechnungen in bar bezahlten. Rasterfahndung, das heisst: Nach und nach alle unverdächtigen Namen nach bestimmten Kriterien (oder «Rastern») aus der Liste löschen: Die gemeldeten Einwohnerinnen. Autobesitzer. Rentnerinnen. Bezüger von Stipendien. Versicherte. Hausbesitzer – und so immer weiter, bis am Ende noch genau zwei Namen übrig blieben: der eines Drogenhändlers und tatsächlich der eines Mitglieds der RAF.

Die Rasterfahndung ist umstritten, denn alle erfassten Personen werden am Anfang verdächtigt, und die raffiniert miteinander kombinierten Daten können leicht missbraucht werden. 1979 in Frankfurt aber war die Methode erfolgreich: Nach einer Schiesserei und schwer verletzt konnte der gesuchte Terrorist Rolf Heißler in der angegebenen Wohnung verhaftet werden.

Reservebanknoten

Die 1000-Franken-Note des damals erst 29-jährigen Luzerner Künstlers Hans Erni zeigt in strenger Zentralperspektive die Schnittdarstellung einer mächtigen Wasserturbine, rechts davon, in Reih und Glied, eine Reihe von Transformatoren. Eine Vision des Fortschritts vor schattigem Alpenmassiv – die Banknote von 1938 sollte in den Jahren der aufziehenden Weltkriegskatastrophe eine moderne, stabile, autarke Schweiz verkörpern.

Die Banknote hat nur einen Makel: Keiner hat sie je in der Hand gehalten. Und das kommt so: Im Gegensatz zum Münzgeld, das sich nicht gar so leicht fälschen lässt, sind Banknoten nichts weiter als bedrucktes Papier, und dieser Umstand zieht Fälscher an wie der Mist die Fliegen. Der Plan B der Schweiz: Sollten die Fälscher oder, noch schlimmer, eine feindliche Macht das Land mit Blüten überschwemmen, wollte die Schweizerische Nationalbank jederzeit in der Lage sein, quasi über Nacht sämtliche im Umlauf befindlichen Banknoten für ungültig zu erklären, einzuziehen und durch nagelneue zu ersetzen. In den Tresoren lagen daher stets Reservebanknoten bereit. Zwei vollständige Serien, die von Hans Erni und seinem Künstlerkollegen Victor Surbeck aus dem Jahr 1938 und eine weitere von 1984, waren genauso wie einzelne Noten frührerer Serien reine Reserve.

Der Plan, das gesamte Papiergeld von einem Tag auf den anderen zu ersetzen, existierte nicht nur in der Schweiz, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas. Doch Reservenoten waren stets eine Notlösung, und eine ausgesprochen teure dazu. In der Schweiz war die Reserveserie von 1984 daher die letzte: Die Sicherheitsmerkmale der Banknoten sind nach Ansicht der Nationalbank heute so ausgeklügelt, dass ein Plan B gar nicht mehr nötig ist.