Pastorius, Jaco

Vor 35 Jahren erschien in den USA Party Down, eine Platte mit Rhythm ’n‘ Blues. Unter einem Pseudonym, und nur für einen einzigen Track, spielte da zum allerersten Mal der Bassist John Francis Pastorius. Und der wusste schon damals: I am the best bass player in the world. Das war eine Tragödie. Denn Jaco, wie ihn der Jazz nennt, war tatsächlich der grösste Bass-Spieler der Welt. An sich, an seiner Kunst und an seinem Anspruch sollte er zerbrechen – an Drogen und Alkohol, bis er, erst 36 und sternhagelvoll, in Fort Lauderdale und im Streit mit einem Türsteher buchstäblich erschlagen wurde.

Jaco Pastorius, Jahrgang 1951, war Sohn eines Jazzschlagzeugers und begann ebenfalls an den Drums. Ein gebrochenes Handgelenk – Jaco war begeisterter Sportfan – zwang ihn an ein anderes Instrument: an den Elektrobass, aus dem er mit einem Buttermesser kurzerhand die Bünde herausbrach, die Fugen mit Kitt füllte und das Griffbrett mit Bootslack überzog. Dieser Fretless-Bass war viel schwerer zu spielen, aber wo‘s für andere Bassisten nachgerade unmöglich wurde, fing der Autodidakt Jaco gerade erst an.

Jaco Pastorius war ein Komet von einem Musiker, sein Leben eine Flugbahn. Den Jazzbass hat Jaco gleichsam neu erfunden. Zuvor war der vor allem Begleitinstrument gewesen, quasi der basso continuo des Jazz. Bis Jaco kam. Der machte den Bass zum Soloinstrument, und das mit einer geradezu wütenden Virtuosität.

Jacos Soloalbum von 1976 trug den sehr selbstbewussten Titel: «Jaco Pastorius». Sowas konnte sich nur ein Schnösel leisten, der auf den ersten Ton klar machte: Hier spielt niemand anderes als der grösste Bassist der Welt.

Polaroid

So schnell kann es gehen mit der Nostalgie: Gestern noch waren sie die Zukunft: Polaroidfotos, die nicht ganz quadratischen, immer leicht grünstichigen Bilder mit ihrem charakteristischen weissen Rand. Damals hiess Fotografieren vor allem Warten – auf die Entwicklung des Films, danach auf das Vergrössern der Fotos. Polaroidbilder, die man nach dem Klick einfach der Kamera entnehmen konnte, waren da gleichsam die Steigerung, der Komparativ der Fotografie.

Polaroid
Der sperrige Name Polaroid stammt von der optischen Eigenschaft einer Folie. Die filtert durchscheinendes Licht so, dass nur polarisierte, also auf einer einzigen Ebene schwingende Lichtstrahlen sie durchdringen. Die erste solche Folie erfand 1928, gerade mal 19-jährig, der Physikstudent Edwin Herbert Land. Vier Jahre später hatte Land sein Studium noch immer nicht abgeschlossen. Doch die polarisierende Folie war eine wissenschaftliche Sensation. Land gründete in Boston seine eigene Firma namens Polaroid und begann, seinen revolutionären Film für Fotofilter, Sonnenbrillen und Flugzeugfenster herzustellen. Und 1947 stellte Land seine bahnbrechende Sofortbildkamera vor.

Polaroid als Komparativ der Fotografie – wie es Steigerungen so geht: Irgendwann droht der Superlativ. Und der ist digital. Ob Spiegelreflex oder Handy – heute werden Bilder nicht mehr belichtet, sondern gespeichert. Dem unerbittlichen Trend beugt sich auch Polaroid: Die Produktion der unförmigen Plastikkameras und der dazugehörigen Filme wurde 2008 eingestellt. Die letzten Polaroids gingen, irgendwann im Jahr 2009, über den Ladentisch.

Auf die liebgewonnenen Sofortbilder müssen wir trotzdem nicht verzichten: Sie kommen künftig aus Minidruckern von der Grösse eines Handys. Natürlich aus dem Hause Polaroid.

Pomade

«Grease», auf Deutsch «Schmierfett», in den Hauptrollen John Travolta und seine ölglänzende Tolle, war der Kinohit des Jahres 1978. Der Song «Greased Lightning» – «Geölter Blitz» – handelt von einem betagten Ford, und das Fett schmiert Ventile und Frisuren gleichermassen. «Grease», das ist die Wiederauferstehung einer Rostlaube auf vier Rädern – und ebenso der Schmalzlocke der fünfziger Jahre.

Ungebärdige Locken aber gab es immer schon, und der Widerspenstigen Zähmung war bereits im 18. Jahrhundert beim Adel gang und gäbe. Die «Grease» der ersten Stunde hiess «Pomade» – von französisch pomme, weil sie nach den darin enthaltenen, zerstampften Äpfeln duftete. Im Lauf der Zeit wurde dann so ziemlich alles zu Pomade verarbeitet, was aufmüpfige Strähnen an den Schädel zu kleben vermochte: Bärenfett (von dem man glaubte, es helfe gegen Glatzenbildung, weil Bären einen dichten Pelz besitzen), Vaseline, Bienenwachs und, für nicht ganz so gut Betuchte, Butter oder Schweineschmalz.

Vom Stummfilmstar Rudolph Valentino bis zur Boxerlegende Joe Louis: Seit den Goldenen Zwanzigern war pomadisiertes Haar der letzte Schrei, und die Marken, mit denen man all die ducktail, quiff oder pompadour genannten Schmalztollen zusammenkleisterte, lesen sich wie eine Kulturgeschichte des schönen Scheins: «Murray’s Superior Hair Dressing Pomade», «Brylcreem», «Royal Crown», «Black & White», «Sweet Georgia Brown Pomade».

Heute haben Bratfett & Co. ausgedient: Moderne Haargels duften nach Parfüm, sind wasserlöslich und lassen sich leicht wieder auswaschen.

Portal

Was der Bibliothek der gute alte Katalog war, ist dem Internet das Portal. Jede Website, die etwas auf sich hält, nennt sich heute – ganz modisch und neudeutsch – ein Portal.

Neudeutsch? Uraltdeutsch wäre richtiger. Denn wie so oft, wenn’s um unsere Sprache geht, ist die Antike nicht weit. Der Ursprung des Portals ist das lateinische porta, die Tür. Das Tor ist ein so einprägsames Sinnbild für Eingang oder Übergang, dass es als lateinisches Lehnwort gleich mehrmals ins Deutsche übernommen wurde. Und jedes Mal entstand daraus ein anderes deutsches Wort.

Schon im ersten Jahrhundert vor Christus wurde porta eingedeutscht – zur heutigen Furt, dem seichten Durchgang durch einen Fluss, den man an dieser Stelle mit Pferd und Wagen durchqueren konnte, ohne jämmerlich zu ersaufen.

Aber auch die wörtliche Übersetzung der lateinischen Tür fand ihren Weg zu den Germanen: Das war etwa im sechsten Jahrhundert und führte zur heutigen Pforte.

Noch später, als Prachtbauten in Mode kamen, besann man sich wieder auf die grossen antiken Vorbilder – und nannte ein prunkvolles Tor Portal. Und da sich die neuen Medien nicht gerade durch übermässige Bescheidenheit auszeichnen, muss heute als Bezeichnung für Einstiegsseiten ins Internet natürlich der vornehmste dieser Begriffe herhalten: eben das Portal.

Wieviel bescheidener ist da für einmal das Englische: Die grösste Bibliothek der Welt, die Library of Congress in Washington, nennt ihre Portalseite schlicht und einfach home.

Projekt

Das wichtigste Wort in der Sprache der Manager ist «Projekt». Ein Projekt kann schlechterdings alles sein: Ein Auftrag, ein Hobby, eine Ehe. Die Managementlehre kennt ganze Regelwerke, wie Projekte abzuwickeln sind. Zum Beispiel nach der «Smart»-Regel: Smart ist ein Akronym, ein Abkürzungswort, für «spezifisch», «messbar», «akzeptiert», «realistisch» und «terminiert». Sprich: Ziele müssen erreichbar sein, so präzise wie möglich definiert und vom Auftraggeber bewilligt werden, die Ergebnisse müssen messbar sein und zu einem festgelegten Termin vorliegen.

Allen Management-Moden zum Trotz ist das Projekt kein Kind unserer Zeit: Schon 1783 schrieb der Schweizer Arzt und Schriftsteller Johann Georg Zimmermann in seinem Buch «Über die Einsamkeit»:

So schwärmet und wirbelt man Tag für Tag und Jahr für Jahr in rauschender Lustbarkeit durch das Leben; oder man rennet von Gedanken zu Gedanken, von Projekt zu Projekte.

Dabei war Zimmermann selbst ein über alle Massen smarter Projektleiter: Er war ein Bekannter Goethes, Leibarzt des englischen Königs Georgs III in Hannover und später auch des Preussenkönigs Friedrichs des Grossen in Potsdam; von der russischen Zarin Katharina II wurde er zum Ritter geschlagen.

Doch bei all dem Glanz und Gloria ist das Projekt (ein sprachlicher Verwandter des Projektils) nur das lateinische Partizip proiectus, auf Deutsch «nach vorn geworfen» oder auch nur «hingeschmissen». Bevor wir uns also ans nächste Projekt machen, sollten wir uns gut überlegen, ob es denn tatsächlich nur ein «Projekt» sein soll.