Teufelsstein

Unterhalb von Göschenen liegt der sogenannte «Teufelsstein». Er ist 13 Meter hoch und 2000 Tonnen schwer, und hierher versetzt hat ihn – nein, nicht der Teufel, sondern vielmehr eine mächtige Hydraulikpresse. Und das kommt so:

In alten Zeiten hatten die Urner mehrmals versucht, in der Schöllenenschlucht eine Brücke zu bauen. Vergeblich: Jedesmal stürzte der Bau in die wilde Reuss. Da schlug der Teufel ein Geschäft vor: Er werde die Brücke bauen, wenn er dafür die Seele bekomme, die als erste die Brücke überquere. Gesagt, getan. Die Urner aber, bauernschlau, jagten als erstes einen Ziegenbock hinüber. Wutentbrannt griff der Teufel nach einem riesigen Felsen, um damit das Bauwerk zu zerschlagen. Ein in den Stein geritztes Kreuz aber verwirrte den Teufel so sehr, dass er die Brücke verfehlte. So will es jedenfalls die alte Sage.

Tatsache ist, dass der Teufelsstein, der seit Menschengedenken auf dem Teufelssteinmätteli bei Göschenen lag, 1968 der geplanten Gotthardautobahn im Weg war. Die Ingenieure waren um eine Lösung nicht verlegen und planten, den lästigen Block zu sprengen. Aber auch sie hatten die Rechnung ohne die Urner gemacht: Die Naturforschende Gesellschaft, der Göschener Gemeinderat, die Natur- und Heimatschutzkommissionen von Bund und Kanton, ja sogar die Göschener Schuljugend mit einer Schülerzeitung – alle fachten sie einen wahren Entrüstungssturm an. Bis der Bund klein beigab und statt dessen eine Versetzung vorschlug.

Und so kam es, dass 1973 moderne Technik und Kosten von gut 300 000 Franken dem Teufel ins Handwerk pfuschten und den Granitblock um 127 Meter nach Norden schoben, wo er bis heute liegt.

Tram

Zur Welt kam das Tram in England. Am 25. März 1807 wurde im südwalisischen Swansea ein Pferd angeschirrt und vor die hölzerne Schienenkutsche gespannt, die aussah, als wolle sie gleich den wilden Westen durchqueren. Damit war die erste Pferdebahn geboren. Ihr helvetisches Pendant liess noch etwas auf sich warten: Erst 1862 liessen sich die Genfer Stadtväter von den Vorzügen dieses Zwitters aus Postkutsche und Eisenbahn überzeugen und nahmen das erste Rösslitram in Betrieb.

Auch wenn die Geschichte bekannt ist: Woher der Name kommt – «Tram» (vom englischen tramway) –, liegt im Dunkeln. Der Ursprung ist, so wird spekuliert, das altnordische Wort für «Balken», das als tram oder trämel im Zimmermannswesen und in vielen Dialekten noch heute gebräuchlich ist. Dieser (im übrigen männliche) Tram wurde Anfang des 16. Jahrhunderts in Schottland zum Synonym für die auf Schienen laufende Lore in Kohleminen und später für jede Art von Schienenwagen.

Wie alle Fahrzeuge wurde auch das Tram zunächst mit Hafer betrieben, später mit Kohle, da und dort mit Diesel, dann endlich mit elektrischem Strom. Vieles hat sich im Laufe der Jahrzehnte geändert: nicht nur die Futtermittel, sondern auch die Länge. Die ersten Schweizer Kutschen boten Platz für eine Handvoll Reisende; Hochleistungstrams von heute sind über 40 Meter lang, fassen mehr als 200 Passagiere und bieten Klimaanlage und drahtloses Internet.

Die Moderne machte auch vor der historischen Schienenkutsche von Swansea nicht Halt: Das Zugpferd wurde der Reihe nach von einem Segel, einer Dampfmaschine, einem Diesel- und einem Elektromotor abgelöst. Bis schliesslich 1960 der schärfste Konkurrent des Trams das Geschäft übernahm: der Bus.

Velo

Es gibt Worte, bei denen wird einem einfach warm ums Herz. Zum Beispiel beim Wort «Velo». Nur in der Schweiz heisst es so – Deutschland kennt das Fahrrad, das modische Bike, den scherzhaften Drahtesel – nur hierzulande heisst das Ding Velo.

Velo
Velo
Dabei ist Velo die ursprüngliche Bezeichnung – für ein Gerät, das Karl Freiherr von Drais, ein Erfinder der Goethezeit, im Jahr 1817 erfunden hatte. Das Ding war lenkbar und hatte zwei Räder, zwischen denen der Fahrer sass und sich mit den Füssen vom Boden abstiess. Auch wenn Drais sein Gefährt «Laufmaschine» nannte: Die Presse hiess es einfach «Draisine». England war begeistert, und schon 1819 wurden in Ipswich Rennen durchgeführt. In England hiess die eiserne Laufmaschine bald schon velocipede, von lateinisch velox, schnell, und pes, Fuss.

Das schnelle Veloziped war schlechterdings genial: Die nötige Bewegungsenergie ist bei keiner anderen Fortbewegungsart so niedrig wie beim Velo. Eine normale Nabenschaltung erreicht einen Wirkungsgrad von 95 Prozent; moderne Kettenschaltungen erreichen gar noch höhere Werte. Zum Vergleich: Ein normaler Automotor erreicht einen Wirkungsgrad von allerhöchstens 30 Prozent.

Eine so geniale Erfindung schreit geradezu nach Legenden. Eine Skizze auf altem Papier zum Beispiel, die ein Velo mit Kettenantrieb zeigt und angeblich von einem Schüler Leonardo da Vincis stammt, erwies sich als dreiste Fälschung aus den 1970er Jahren.

Dass das Velo im Deutschen nicht mehr Velo heisst, daran sind Sprachpuristen schuld. Im Jahr 1890 übersetzte der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins Otto Sarrazin 1300 störende Fremdwörter ins Deutsche. Und so wurde aus dem ungeliebten Velo das heutige Fahrrad.

In der Schweiz aber wird uns beim Klang des Wortes «Velo» noch immer warm ums Herz. Sei’s aus Heimatgefühl – oder von der Anstrengung.

Zeitball

Die Uhrzeit wird von Zeigern angezeigt, die wir uns vors Gesicht halten, um sie abzulesen. Grosse Distanzen erfordern grosse Zeiger – der Minutenzeiger des Big Ben in London misst 4,3 Meter.

Von noch weiter her sichtbar und dabei noch genauer als selbst der längste Minutenzeiger war der sogenannte Zeitball. Zeitbälle waren im 19. Jahrhundert für Seeleute gedacht. Auch sie waren auf die exakte Uhrzeit angewiesen, weil sich die geografische Länge der Schiffsposition nur in Kenntnis der exakten Uhrzeit bestimmen liess.

Ein Zeitball war eine schwarze Signalkugel aus Korbgeflecht von einem bis zwei Metern Durchmesser. Dieser Ballon wurde an einer weithin sichtbaren Stelle des Hafens an einem Mast aufgezogen und oben von einem Sperrhaken festgehalten. Täglich um 13 Uhr Greenwich-Zeit wurde der Haken durch ein elektrisches Signal der örtlichen Sternwarte ausgelöst, mit der sein Mechanismus verbunden war. Der Zeitball glitt dem Mast entlang in die Tiefe und stellte klar: Es ist jetzt genau 13 Uhr und null Sekunden.

Der erste Zeitball, die Erfindung eines britischen Kapitäns, wurde 1829 in Portsmouth getestet, ein zweiter wurde 1833 in der Sternwarte Greenwich aufgestellt. Das System war einfach und robust – und seines optischen Signals wegen ausgesprochen präzise: Der Klang eines Horns oder einer Glocke wäre bereits in einem Kilometer Entfernung erst mit drei Sekunden Verzögerung zu hören gewesen.

Und so verbreitete sich der Zeitball allmählich über die Häfen Englands und Europas – bis die weltweit existierenden 160 Zeitbälle Anfang des 20. Jahrhunderts schliesslich von Funk und Radio abgelöst wurden.

Zoll

«Zoll» kommt vom griechischen telṓnion, «Zollhaus», und das Geschäftsmodell ist seit dem Altertum gang und gäbe. Ein Zoll ist eine Abgabe, den der Fuhrmann einst für die Benutzung einer Strasse oder beim Übergang über eine Brücke zu zahlen hatte. Diese Wege- oder Brückenzölle waren zwar wenig beliebt, aber noch durchaus einleuchtend: Der Bau hatte eine Menge Geld gekostet, und man konnte es dem Erbauer nicht verdenken, wenn er, Abgabe für Abgabe, sein Geld wiedersehen wollte. Der Zoll als Steuer dagegen, die erst an den Kaiser oder König, später dann an den Staat ging, leuchtete weniger ein. Aber nur so lange, bis die örtliche Wirtschaft begriff, dass dieser Einfuhrzoll tatsächlich ein ziemlich wirksamer Schutz war: Fremde Ware wurde per se um den Zollbetrag teurer als hiesige; von Auswärtigen unterboten zu werden, wurde also schwieriger. Und damit war der Schutzzoll geboren – und der sogenannte Protektionismus zählte bald zum Standardrepertoire der Aussenhandelspolitik.

Zölle werden heute kritisch betrachtet, denn sie behindern den internationalen Handel. Sie haben den Nachteil, verkrustete Strukturen und damit unwirtschaftliche Branchen zu schützen, die Preise künstlich hoch zu halten und damit der Allgemeinheit mehr zu schaden als zu nützen. 1947 rückte das allgemeine Zoll und Handelsabkommen GATT den Zöllen weltweit auf den Leib, seit 1995 tut dies die Welthandelsorganisation WTO. Aber ganz der Vergangenheit gehören sie noch lange nicht an. Wer im Ausland shoppen geht, tut das zollfrei nur bis 300 Franken. Geht’s gar um Fleisch, Tabak oder Alkohol, helfen nur noch Merkblätter weiter – oder, ganz zeitgemäss, die App «QuickZoll».