Blau

Für Physiker ist Blau reflektiertes Licht mit einer Wellenlänge zwischen 420 und 490 Nanometer. In der Netzhaut sitzen lichtempfindliche Nervenzellen, die ihrer Form wegen auch Zapfen heissen. Es gibt drei verschiedene Typen davon, und einer davon ist auf Blauviolett spezialisiert. Für Blau zuständige Zapfen verarbeiten nur ein schmales Band des gesamten Spektrums und reagieren empfindlich auf Anteile von Rot. Dann kippt die Empfindung von blau übergangslos ins Violette.

Blau hat seit jeher auch eine kulturelle Bedeutung. In der katholischen Kirche zum Beispiel galt Blau lange als Farbe der heiligen Maria, bis es 1570 aus der liturgischen Palette gestrichen wurde. Doch blau galt auch als Farbe der Täuschung. Davon zeugen bis heute Redensarten wie «sein blaues Wunder erleben» oder «das Blaue vom Himmel herunterlügen».

Für die meisten Menschen soll Blau Stabilität, Ausgeglichenheit und Ruhe ausstrahlen. Fatale Fehler am Computer werden auf blauem Hintergrund angezeigt, angeblich um die User nicht in Panik zu versetzen. Das zumindest ist falsch. Der Grund für das Blau beim sogenannten «Bluescreen» ist völlig lapidar: Die Workstation, die der frühe Windows-Entwickler John Vert benutzte, zeigte beim Aufstarten Systeminformationen in weisser Schrift auf blauem Grund an; die Software, die er zum Programmieren benutzte, tat dasselbe. Weiss auf blau, fand Vert, sei doch auch für Fehler das naheliegendste.

Bleistift

Ein rechter Maler, klug und fleissig,
Trägt stets ’nen spitzen Bleistift bei sich.

So reimte einst Wilhelm Busch, im übrigen selbst ein begnadeter Bleistiftzeichner. Der Stift heisst falsch, weil seine Mine nicht im mindesten aus Blei besteht.

Bleistift
Und doch: Ein Stift aus Blei war er lange Zeit. Blei ist weich, und sein Abrieb ergibt zwar schwache, aber erkennbare Konturen. Und so gossen schon vor 5000 Jahren die alten Ägypter Blei in Bambus-, Schilf- oder Papyrusstängel. Plinius der Ältere schreibt, dass im Rom des ersten Jahrhunderts n. Chr. der Griffel aus reinem Blei – stilus plumbeus – gang und gäbe war. Noch bis ins Mittelalter griffen Maler beim Vorzeichnen zum so genannten reissbley, doch für wirklichen Zeichenkomfort war das zu hart, nahm das Papier zu sehr mit und war der Gesundheit des Künstlers nicht eben zuträglich.

Das änderte sich, als englische Hirten 1564 in der Grafschaft Cumberland – so will es die Legende – an den Wurzeln eines umgestürzten Baumes eine tiefschwarze Masse bemerkten, in der sie Bleierz zu erkennen glaubten und mit der sich ein Schaf gut markieren liess. Im benachbarten Keswick entstand die erste, bis heute erhaltene Bleistiftmanufaktur, die den Grundstein zu einer eigentlichen Bleistiftindustrie legte. Der schwarze Wunderstoff wurde in zylindrische Form gepresst und in eckige Hülsen aus Silber, Gold oder das sündhaft teure, aber wohlriechende Zedernholz gesteckt. Bleistifte konnten gut und gern dreimal mehr kosten als eine teure Feder.

Es sollte lange dauern, bis die Wissenschaft herausfand, dass des Bleistifts Kern nicht aus Blei, sondern vielmehr aus Graphit besteht. Dem griffigen Namen indes konnte das nichts mehr anhaben.

Blockchain

Die Blockchain (auf Deutsch «Blockkette») ist das Herzstück der Kryptowährung namens Bitcoin. Sie ist eine Datenbank, in der Transaktionen – Betrag X von Konto A auf Konto B – in codierter Form aufgelistet werden. Diese Datenbank wird laufend aktualisiert; neue Überweisungen werden in einer immer länger werdenden Kette von Datenblöcken gespeichert. Die bekannteste Blockchain, die von Bitcoin, ist damit nichts anderes als ein fortlaufendes öffentliches Kassenbuch, in das jede einzelne Zahlung jedes einzelnen Teilnehmers verzeichnet wird, so dass darin alle Transaktionen enthalten sind, die jemals ausgeführt wurden.

Heute liegen Bankdaten auf Serversystemen, die von einem ganzen Arsenal von Sicherheitsmassnahmen und Firewalls vor unbefugten Zugriffen geschützt werden. Schafft es nun ein Gauner trotz allem, diesen Datenpanzer zu knacken, kann er die Daten manipulieren. Die Blockchain-Datenbank dagegen ist nicht auf einem einzelnen Server gespeichert, sondern vielmehr lokal auf den Abertausenden von Nutzercomputern, die permanent über das Web synchronisiert werden. Die auf jedem einzelnen dieser Computer gespeicherte ‹Blockchain› ist eine exakte Kopie aller anderen. Schafft es ein Räuber, in einer dieser privaten Computer einzudringen, um die Daten zu verändern, wird dies dank der mathematischen Sicherheitsfunktionen sofort erkannt und die Manipulation sang- und klanglos überschrieben.

Öffentlichkeit, Dezentralität und ausgeklügelte Mathematik: Die elektronische Urkunde namens Blockchain gilt als enorm sicher. Die Wahrscheinlichkeit eines Versagens ist um vieles kleiner als ein Zusammenbruch von Banken oder Grundbuchämtern, auf die wir uns heute verlassen, wenn es um unser Hab und Gut geht.

Blog

Alle haben einen – Bundesrat Moritz Leuenberger hat einen, Blogging Tom hat auch einen. Sie vermehren sich wie die Karnickel: die sogenannten «Blogs». 1994 standen Blogs noch in den Sternen, und heute gibt’s schon 71 Millionen davon. Nur: Was ist ein Blog?

Blogs sind tagesaktuelle Webseiten, ganz persönliche sogar. Sie enthalten meist täglich wechselnde Beiträge, die aus Texten, Bildern, Hörproben und Videos bestehen können, und aus Links, die zu besonders bemerkenswerten Stellen im Internet führen. Blogs kosten nichts – was man dazu braucht, steht kostenlos im Internet -, und Blogs werden gern als Möglichkeit des kleinen Mannes gehandelt, sich und seinen Anliegen wirkungsvoll Gehör zu verschaffen. Enthusiasten sprechen schon vom citizen journalism, vom Bürgerjournalismus. Allerdings: Blogs sind meist anonym – ihre Verfasser tragen klingende Pseudonyme, ein aussagekräftiges Impressum findet sich selten.

Wir aber, das potenzielle Publikum, stolpern erst einmal über das Wort: Der Blog? das Blog? Der Duden ist keine rechte Hilfe – er sagt nämlich: Sowohl als auch. Beides ist richtig. Was hilft, ist die Wortgeschichte: Das Wort Blog ist ein Zusammenzug aus Web, dem weltweiten Datennetz, und Log, dem Geschwindigkeitsmesser aus der Schiffahrt.

Tatsächlich waren Blogs ursprünglich digitale Logbücher von Menschen, die nächtelang das Web bereisten und ihren Fans ihre Schätze zeigten – Bemerkenswertes und Nichtssagendes, Schönes und Skurriles. Auf ihren Blogs veröffentlichten diese virtuellen Seefahrer ihre kurzen Texte, ihre Bilder und ihre Links, und ihr Publikum sah, las und klickte staunend.

Wo sich Öffentlichkeit findet (auch wenn’s nur eine virtuelle ist), da sind auch Narzissmus und Exhibitionismus nicht fern: Immer mehr wurden die Blogs auch zu öffentlichen Tagebüchern. Dieser pikante Gegensatz versprach und verspricht Aufmerksamkeit, und so zeichnet Blogs vor allem eines aus: das Buhlen um ein Publikum.

Nun: Massenmedien gibt’s ja nicht erst seit gestern – Flugblätter mit den neuesten Nachrichten tauchten bereits im 15. Jahrhundert auf. Und seit da suchen sie ein lesendes Publikum. Die Frage sei daher erlaubt: Heute, da Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet gelesen, gesehen und gehört sein wollen, kommen nun noch 71 Millionen Blogs hinzu – wer um Himmels willen soll das alles lesen?

Am Ende ist es mit dem Sprachrohr des kleinen Mannes wohl doch nicht so weit her. Wer Bundesrat Moritz Leuenberger ist, wussten wir schon vor der Erfindung des Blogs. Und wer Blogging Tom ist, wissen wir noch immer nicht.

Bostitch

Sie heften zwei A4-Blätter zusammen und greifen zum Bostitch. Das papierlose Büro, der grosse Traum der achtziger Jahre, hat sich buchstäblich in Papier aufgelöst. Und so erweist sich der Bostitch als das nützlichste Gerät seit der Erfindung des Papiers: ein handlicher Apparat, der ein gebogenes Drahtstück durch die losen Blätter treibt und auf der Rückseite fein säuberlich zusammenbiegt.

Bostitch
Bostitch
Bostitch hiess ursprünglich Boston wire stitcher; auf Deutsch Drahthefter. Der wird noch heute von der Firma Stanley-Bostitch hergestellt: im US-Bundesstaat Rhode Island und seit vielen Jahrzehnten. Der Ur-Bostitch, erfunden von Firmengründer Thomas Briggs, stammt aus dem Jahr 1903. Er sah aus wie eine Mischung aus Pedalnähmaschine und Bandsäge, und er heftete Büchlein, Kalender und Hutschachteln. Der erste handliche Bostitch, der diesen Namen verdient, kam 1914 auf den Markt. Die Form des Geräts hat sich bis heute gehalten: mit seinem Kniegelenk auf der Rückseite, dem Schacht für die Heftklammern und der runden polierten Auflagefläche zum Drücken. Bis 1924 mussten die Heftklammern einzeln eingefüllt werden, erst seit dann lassen sie sich säuberlich miteinander verleimt als Stangen einlegen: eine weitere patente Bostitch-Erfindung.

Bostitch heisst das Alltagsgerät übrigens nur in der Schweiz. Die Österreicher brauchen ihre Klammermaschine, die Deutschen ihren Hefter oder, lautmalerisch, den Tacker.

So ganz alltäglich war das profane Heften übrigens nicht immer: Die erste bekannte Heftmaschine soll schon um 1700, zu Zeiten des Franzosenkönigs Louis XV, in Gebrauch gewesen sein. Jede Klammer war von Hand gefertigt und trug das Wappen des königlichen Gerichts.