Kaffeefilter

Melitta Bentz liebte ihre wöchentlichen Kaffeekränzchen. Was die Dresdner Hausfrau aber nicht ausstehen konnte, war der lästige Kaffeesatz, der sich nur leider nicht vermeiden liess: Wie alle anderen goss Melitta Bentz den gemahlenen Kaffee auf, liess ihn einen Augenblick stehen und goss ihn dann ab. Dabei, selbst mit einem Sieb oder einer Stoffsocke, blieb immer ein bisschen Satz zurück, und das trübte den Genuss. So nahm Melitta Bentz eines Tages eine Konservendose zur Hand, schlug mit Hammer und Nagel Löcher in den Boden und legte ein zurechtgeschnittenes Löschpapier hinein. Darauf kam das gemahlene Pulver; mit kochendem Wasser übergossen, rann satzfreier Kaffee heraus – das Kaffeekränzchen war begeistert. Melitta Bentz experimentierte weiter, und 1908 wurde der

mit Filtrierpapier arbeitende Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern

patentiert.

Die Konkurrenz schlief nicht. Bald stellten verschiedene Hersteller Filter mit gelochtem oder geschlitztem Bodensieb vor, Kaffee-Eier, Siebrohre, Kaffeekannen mit herausnehmbarem Filtereinsatz. Das Rennen aber machten die Einwegpapierfilter mit dem passenden Halter, erst aus Aluminium oder emailliertem Blech, später, damit man sich nicht die Finger verbrannte, aus Porzellan.

Einfach, günstig, ökologisch – und bei manchen gar als sorgsam inszeniertes Kaffeeritual mit ausgeklügelter Aufgusstechnik: Selbst heute, bei all den Vollautomaten, Kapsel- und Kolbenmaschinen ist der Kaffee aus dem (biologisch abbaubaren) Filter alles andere als von gestern. In Schweizer Kaffeebars wird wieder Filterkaffee ausgeschenkt, und in Deutschland ist er von allen Zubereitungsarten nach wie vor die Nummer eins.

Klick

Was sich 1963 der Erfinder Douglas Engelbart ausdachte und mit seinem Team im Labor zusammenbastelte, hiess «X-Y-Positionsanzeiger für ein Bildschirmsystem» und sah aus wie die Bastelarbeit eines Schülers: Ein Kabel mit klobigem Stecker, ein Holzkästchen mit Rädchen und einem kleinen Taster obendrauf. Es war die erste Computermaus der Geschichte, und mit den Milliarden Mäusen, die bis heute verkauft wurden, klicken manche von uns – je nach Beruf und Hobby – bis zu fünftausend Mal pro Tag.

Diese Klicks gelten entweder einem Programm, einer Webseite oder einer Reklame. Und hinter diesen bunten Bildchen verbirgt sich ein Milliardengeschäft, dessen Leitwährung die Interaktion ist, genauer: der einzelne Klick, der den User zum Angebot des Inserenten weiterleitet. Dieser eine Klick hat einen Wert, dessen genaue Höhe von der Branche abhängt und sich nach der augenblicklichen Nachfrage richtet. Für einen einzigen Mausklick auf ihre Reklame blättern Inserenten schon mal bis zu 50 Rappen hin. Global geht es dabei um Unsummen: Der weltgrösste ad broker namens Google bestreitet den grössten Teil seiner Einnahmen mit Onlinewerbung und hat 2013 sage und schreibe 13 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaftet, bei einem Gesamtumsatz von 60 Milliarden Dollar. Tendenz weiterhin stark steigend.

«Denk immer daran, dass Zeit Geld ist», schrieb der Verleger und Staatsmann Benjamin Franklin 1748 in seinen «Ratschlägen für einen jungen Geschäftsmann (von einem alten)». Sähe sich der Gründervater der Vereinigten Staaten die Wirtschaft von heute an, dann wüsste er: Nicht Zeit, sondern Klick ist Geld.

Klicken

Der Sound des Digitalzeitalters ist das Klicken der Maus, mit der wir uns vor 35 Jahren zuerst über den Bildschirm des Apple Macintosh bewegten und bis heute durchs World Wide Web. Und doch ist das Klicken uralt: Geklickt wird seit Jahrhunderten, und ursprünglich bedeutete das Wort «mit einem klickenden Laut brechen».

wer die süssen mandeln will geniessen, der muss die schälen klicken,

schrieb 1630 der Stadtschreiber von Speyer und Schriftsteller Christoph Lehmann. Folgerichtig wurden im 17. Jahrhundert nicht nur Nüsse und Eier zerklickt, sondern auch weniger Appetitliches wie Flöhe oder Läuse.

«Klicken», hält das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm fest, «ist das Schwesterwort zu klacken, klecken». Das Prinzip dahinter nennt die Sprachwissenschaft onomatopoeia, auf Deutsch «Lautmalerei» – «klicken» ahmt dabei einen hellen Laut nach, «klacken» einen dunkleren, ähnlich wie bei «klipp» und «klapp», «schnipp» und «schnapp». Solche Klangwörter sind womöglich die sprachgeschichtlich ursprünglichsten überhaupt – Lautmalerei ist denn auch ein wichtiger Teil der Kindersprache und hat sich in neuerer Zeit stark in Comics verbreitet, in der Pop Art und in Chats.

«Klicken» für das Geräusch der Computermaus brauchte seine Zeit: Als in den 80er-Jahren die ersten Computermäuse auftauchten, sprachen Fachleute noch von «tippen» oder «drücken». Doch bald erwies sich «klicken» als so sinnfällig, dass wir heute selbst da noch klicken, wo gar kein Klick mehr zu hören ist: auf dem Handybildschirm.

Klischee

Berner sind langsam und behäbig, Zürcher schnell und hochnäsig. So will es das Klischee. Es ist ein Stereotyp, eine abgegriffene Vorstellung, ein gedanklicher Abklatsch – und ist es negativ besetzt, wird es gar zum ausgewachsenen Vorurteil.

Das Klischee ist uralt. Es stammt aus einer Zeit, in der Druckerpressen noch lärmende Maschinen waren, die ächzten und rasselten und penetrant nach frischer Druckfarbe rochen. Ein Klischee ist ursprünglich eine Druckform für den Hochdruck, die – im Gegensatz zu den Bleilettern – aus Kupfer, Zink oder Messing besteht und grafische Motive drucken kann. Ein Klischee muss immer eigens für seinen ganz bestimmten Zweck angefertigt werden: Auf die Metallplatte wird eine lichtempfindliche Schicht aufgebracht, das Druckmotiv anschliessend aufbelichtet. Das Licht lässt die Schicht härten, die unbelichteten Stellen dagegen bleiben wasserlöslich und lassen sich abspülen. Das Metall wird dann mit Säure weggeätzt. So bleiben nur die belichteten Partien erhöht und hinterlassen später einen Abdruck.

Das Wort «Klischee» kommt vom französischen clicher (auf Deutsch «nachbilden», «zum Druckrelief formen»). Sein Ursprung ist ein spätmittelalterliches Wort aus den Zeiten Johannes Gutenbergs: Clic ahmt das Geräusch des Druckstocks nach, der aufs Papier gepresst wird. Und wie die Form auf dem Papier Mal für Mal dieselbe Spur hinterlässt, greifen wir gern zum gedanklichen Klischee. Jedenfalls wenn‘s um Berner oder Zürcher geht.

Klo

Das Schliessen ist eine Kulturtechnik, die so alt ist wie die Menschheit. Zuschliessen, abschliessen, verschliessen – seit fünf Jahrtausenden wird weggeschlossen, was nicht an die Öffentlichkeit gehört, und die Schliessanlage Nummer eins ist das Klo. Genau das heisst es auch, denn «Klo», die Abkürzung des altertümlichen Wortes «Klosett», kommt vom lateinischen Verb claudere, «schliessen».

Damit ist heute vor allem die abschliessbare Klotür gemeint – oft genug lässt die sich ohne korrekten Code ja nicht einmal mehr öffnen. Dass «Klo» also vom Türschloss herrührt, ist allerdings ein historisches Missverständnis. Das deutsche «Klosett» kommt zwar durchaus vom englischen water closet, mit «t». In seiner Patentschrift aus dem Jahr 1775 allerdings beschrieb der schottische Uhrmacher, Mathematiker und Universalerfinder Alexander Cumming seine neuartige Einrichtung als water closed, mit «d». Und damit meinte er keine Schliessvorrichtung, sondern vielmehr das neue S-förmige Rohr, den sogenannten Siphon, dessen darin stehen bleibendes Wasser den Abfluss luftdicht abschliesst und die üblen Gerüche zuverlässig daran hindert, sich in die Stille des Örtchens zu verbreiten.

Als «Wasserklosett» (oder als englisches Akronym «WC») hielt die bahnbrechende Vorrichtung Einzug ins Deutsche – und wurde, weil doch etwas umständlich, zum «Klo» von heute. Und obwohl das Klo in hektischen Zeiten wie diesen ein Ort des Innehaltens und der Reflexion geworden ist, denkt niemand daran, dass in Klo ein altes Wort für «schliessen» steckt. Und dass das Klo deshalb eng verwandt ist mit der Klausur – und mit dem Kloster.