Patent Ochsner

Jakob Ochsner baut Fuhrwerke für die Landwirtschaft. Das Wagner-Handwerk hat er bei seinem Vater im schaffhausischen Oberhallau gelernt. Erst 22, wandert er 1880 nach Chicago aus und stellt fest: Hier sind nicht nur die Möglichkeiten unbegrenzt, sondern auch der Abfall, der sich in den Strassen türmt und zum Himmel stinkt.

Zurück in der Schweiz, hat Ochsner eine Idee: In Zürich fängt er an, neuartige Metalleimer mit Deckel zu bauen und dazu Müllwagen mit Containern. Der Clou: Die Eimer passen genau auf die Öffnungen der Container, und die wiederum passen exakt auf die Feuerklappen der Verbrennungsanlage. Einmal im Kübel, erblickt der Abfall nie mehr das Tageslicht. Die Abfuhr bleibt quasi staub- und geruchsfrei.

1908 wird das System Ochsner mit seinen erst viereckigen, später dann runden Eimern eingeführt. Auf dem Deckel prangt das Schweizerkreuz; spätere Modelle tragen sogar das passende Kantonswappen und eine Nummer, um Diebstahl vorzubeugen. 1926, im Todesjahr seines Erfinders, wird der Ochsnerkübel für alle Zürcher Haushalte obligatorisch, andere Städte folgen.

1930 wird der markante Kessel von Ochsner & Cie.patentiert, aus dem «System Ochsner» wird das «Patent Ochsner». In den 70er- und 80er-Jahren schliesslich wird der Eimer vom Abfallsack aus Plastik abgelöst. Heute sind die Kübel Sammlerstücke, und «Patent Ochsner» ist nur noch der Name einer Berner Mundartband.

Rubinstein, Jon

Wie jedes Jahr lud Apple Ende Februar 2001 zur Kultmesse, auf der der oberste Apple-Chef Steve Jobs jeweils seine neuesten Gadgets vorstellt. Der Konferenzsaal an der «Macworld» in Tokio war restlos ausgebucht, und Jobs sprach: Digitalkameras und Organizer hätten längst ihren Siegeszug angetreten, nur die Musikplayer, das wohl wichtigste Requisit des modernen Menschen, seien nach wie vor «gross und sperrig oder aber klein und nutzlos», ihre Software «unglaublich hässlich». Das Publikum hörte gebannt hin – volle 12 Minuten lang unterbrach kein Applaus das Evangelium des Steve Jobs, bis dato ein Rekord.

Nur einer fehlte im Saal: der Apple-Entwicklungschef Jon Rubinstein. Der nutzte die Messe für eine Stippvisite bei den Ingenieuren von Toshiba. Die führten ihm voller Stolz ihre neueste Errungenschaft vor: eine nur viereinhalb Zentimeter kleine Computerfestplatte mit einer Kapazität von 5 Gigabyte. Auf Rubinsteins verblüffte Frage, wozu dieser Winzling denn dienen sollte, herrschte betretenes Schweigen: Toshiba hatte schlicht keine Ahnung.

Jon Rubinstein dagegen schon. Kurzerhand lieh er sich das Minilaufwerk aus, führte es seinem Chef Steve Jobs vor und machte sich ans Werk. Nur acht Monate später war er geboren: der allererste iPod von der Grösse einer Handseife, mit gerundeten Kanten, elegant verchromtem Rücken, blau leuchtendem Display und Platz für 1000 Songs.

Ein Wunderding. Zusammen mit der Musiksoftware iTunes und dem Music Store machte der iPod Apple zum Giganten: Bis heute sind gegen 300 Millionen Stück verkauft, und das laufende Geschäftsjahr wird für Apple ein glänzendes sein: mit einem Gewinn von über 20 Milliarden Dollar.

Schreber, Moritz

Gemüsebeet, Giesskanne, Gartenlaube und rund herum ein Lattenzaun: Ein Schrebergarten ist dem Städter, was Arkadien den alten Griechen war: Ein Naturidyll, das Befreiung von den Zwängen des Alltags – und dazu erst noch günstiges Gemüse verheisst.

Der Schrebergarten trägt den Namen von Daniel Gottlob Moritz Schreber, einem etwas exzentrischen Arzt und Professor an der Universität Leipzig. Schreber beschäftigte sich Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Gesundheit der Kinder und den sozialen Folgen der Industrialisierung, die das Stadtbild regelrecht umpflügte: Fabriken und Mietskasernen schossen in die Höhe und verdrängten das verbleibende Grün. Viel Bewegung an der frischen Luft aber, davon war Schreber überzeugt, könne die Kinder verarmter Familien kurieren, die zunehmend an Mangelernährung und an Haltungsschäden litten. Letztere versuchte Schreber durch martialische Apparaturen zu heilen – lederne Kinnbänder, um Fehlbissen vorzubeugen, Schulterriemen, die das im Bett liegende Kind in Rückenlage zwangen, sogenannte «Geradhalter» für aufrechtes Sitzen und, ganz dem sexualfeindlichen Zeitgeist entsprechend, mechanische Gerätschaften zur «gesunden Triebabfuhr», im Klartext: um die Jugendlichen am Onanieren zu hindern.

Schrebers Schwiegersohn Ernst Hauschild war Schuldirektor und liess 1865 in Leipzig eine Wiese herrichten, die er «Schreberplatz» nannte. Hier konnten die Kinder unter Betreuung nach Herzenslust herumturnen und sich austoben. Aus diesem «Schreberplatz» schliesslich wurde unser heutiges Vorstadtidyll, das bis heute den Namen des Leipziger Medizinprofessors trägt.

Sen, Amartya

Die Harvard University ist sozusagen der Olymp der Wissenschaft. Hier lehrt der Ökonom, Philosoph und Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen. Sein Forschungsgebiet ist Armut. Und das kam so.

Amartya Sen stammt aus dem indischen Bundesstaat Westbengalen. 1933 in einem wohlhabenden Elternhaus geboren, erlebte der achtjährige Sen einen Schock: Auf offener Strasse wurde der muslimische Tagelöhner Kader Mia von einem extremistischen Hindu niedergestochen. Schwer verletzt schleppte sich Mia zum Haus der Familie Sen. Auf dem Weg ins Spital flüsterte der Sterbende, seine Frau habe ihn genau davor gewarnt: als Ausländer in einem Land sozialer Unrast Arbeit zu suchen; doch weil seine Familie nichts zu essen habe, sei ihm nichts anderes übrig geblieben. «Der Tod dieses Mannes hat mich geprägt», schreibt Sen in einem biografischen Essay. «Er hat mir klargemacht, dass ökonomische Unfreiheit einen Menschen zum hilflosen Opfer macht.»

Und so begann Amartya Sen, die Zusammenhänge zwischen ökonomischer Freiheit und sozialen Chancen zu untersuchen. Ihm fiel auf, dass die Wissenschaft das Phänomen der Armut ausgesprochen eindimensional betrachtete. Nicht einfach die Verteilung von Gütern bestimme, ob jemand arm sei, stellte Sen fest: Entscheidend sei vielmehr, wie viele Chancen auf Verwirklichung seiner Ziele ein Mensch habe. Diese capabilities seien es, die seinen Grad an ökonomischer Freiheit bestimmten.

Trotz all des Elends, das Amartya Sen erforscht, hat er sich seinen Schalk bewahrt: «Ich habe an vielen grossen Universitäten gelehrt», steht in seinem Lebenslauf zu lesen. «Einen anständigen nichtakademischen Job hatte ich nie.»

Sparschäler

Jahrhundertelang wurde Gemüse mit dem Messer geschält. Das brauchte Geschick, und trotzdem fiel immer ein Teil dem Schneiden zum Opfer. Seit den späten 1930er-Jahren gab es zwar einen deutschen Sparschäler zu kaufen, der einem normalen Küchenmesser glich, aber auch der war nicht sonderlich praktisch.

Dem schuf Alfred Neweczerzal Abhilfe. Der in Davos geborene Elektromechaniker und Marktfahrer mit tschechischen Vorfahren war ein begnadeter Tüftler. 1947 liess er seinen neuartigen Küchenhelfer patentieren, mit dem sich Gemüse kinderleicht schälen liess, und taufte ihn auf den Namen «Rex». Ein U-förmig gebogener, ergonomischer Alubügel, darüber eine quer liegende, bewegliche Doppelklinge, die sich jederzeit der Gemüseform anpasst und nichts als die dünne Schale entfernt, dazu an der Seite eine kleine gebogene Zusatzklinge, mit der sich Kartoffelaugen bequem herausschneiden lassen.

In schlichtem Alu, heute auf Wunsch in allen Regenbogenfarben, als Jubiläumsausgabe sogar vergoldet: Neweczerzals Sparschäler ist Kult – jährlich wird er weltweit rund eine Million Mal verkauft. Jahrzehntelang wurde der «Rex» vom Familienunternehmen Zena AG in Affoltern am Albis hergestellt, das 2020 von Victorinox übernommen wurde. Seine elegante Form und seine einfache Handhabung machten den Sparschäler made in Switzerland zum Designklassiker, den 2003 sogar die Schweizerische Post mit einer 15-Rappen-Briefmarke verewigte. Ein Klassiker zum Schnäppchenpreis: Der «Rex» kostet bis heute fast genau gleich viel wie 1947: im günstigsten Fall 1.95 Franken.