Gartenlaube

Grüß Euch Gott, lieben Leute im deutschen Lande!,

schrieben Redaktor Ferdinand Stolle und Herausgeber Ernst Keil in der Weihnachtszeit des Jahres 1852:

Zu den vielen Geschenken, die Euch der heilige Christ bescheert hat, kommen auch wir mit einer Gabe – mit einem neuen Blättchen! Fern von aller raisonnirenden Politik und allem Meinungsstreit in Religions- und andern Sachen, wollen wir Euch in wahrhaft guten Erzählungen einführen in die Geschichte des Menschenherzens und der Völker, in die Kämpfe menschlicher Leidenschaften und vergangener Zeiten.

Bescheiden war sie nicht, die Woche für Woche erscheinende «Gartenlaube», und die Namen der Autoren sind ein Who is Who der Zeit: Romankapitel von Theodor Fontane standen da Seite an Seite mit Texten von Alfred Brehm (von «Brehms Tierleben») oder Heimatgeschichten von Ludwig Ganghofer. Ein Erfolgsrezept war der damals noch neue Fortsetzungsroman: Keine zehn Jahre nach der Gründung lag die Auflage bereits auf 100 000; 1875 wurde das Blatt von Millionen gelesen.

Die «Gartenlaube» ist ein Spiegel der deutschen Geschichte. In den ersten Jahren eine moralische Belehrungsschrift, wurde sie nach der Reichsgründung 1871 zum preussisch-liberalen Kampfblatt, keine 10 Jahre später schliesslich zum konservativ-unpolitischen Unterhaltungsorgan. 1904 geriet die «Gartenlaube», diese Urmutter aller Illustrierten, in rechtsnationales, dann in nationalsozialistisches Fahrwasser. Der Erfolg aber war dahin: 1944, noch vor Kriegsende, war Schluss; späte Wiederbelebungsversuche in den 70er- und 80er-Jahren führten zu nichts. Und heute sind die erhaltenen Ausgaben der «Gartenlaube» vor allem ein Fall für die Forschung.