Casino

Fjodor Dostojewskis Roman «Der Spieler», fieberhaft in nur 26 Tagen seiner Stenografin und späteren Ehefrau Anna diktiert, war eine Studie seiner eigenen Sucht: Geld rann Dostojewski wie Wasser durch die Finger, Spielcasinos zogen ihn magnetisch an.

Doch nicht immer war das Casino ein Ort des Lasters. «Casino» war ursprünglich bloss ein Diminutiv von casa und bedeutete auf Italienisch einfach «Häuschen», etwa ein schmuckes Gartenhaus, wie es italienische Barockfürsten bauen liessen. In Venedig war ein «casino» ein privater Raum, den Adlige in der Nähe des Dogenpalastes unterhielten, um dort vor Ratsversammlungen ihre Amtstracht anzulegen; der legendäre Venezianer Giacomo Casanova wohnte zeitweise gar in einem dieser Casinos.

Im frühen 19. Jh. begannen die vielen neu gegründeten politischen, kaufmännischen, literarischen, musikalischen und Bildungsvereine sogenannte «Casinos» zu bauen, die bald wichtige Orte städtischer Geselligkeit waren. Das Offizierscasino war ein Speise- und Gesellschaftsraum, und an der Stelle des heutigen Bundeshauses in Bern stand bis 1895 ein Casino mit Restaurant und einem grossen Saal für Tanz und Theater. Auch das heutige, 1909 eröffnete Casino Bern ist ein Konzerthaus.

Zum Mekka der Spieler wurde das Casino wiederum in Venedig: 1638 wurde im Palazzo Dandolo das erste öffentliche Spielcasino eröffnet, und als im 18. Jahrhundert das Glücksspiel ganz Europa eroberte, wurden die Vereinshäuser namens «Casino» nach und nach zu jenen Spielhöllen, in denen Dostojewski seinen traurigen Helden Aleksej buchstäblich seinen allerletzten Gulden setzen lässt.

Catering

Catering ist die globalisierte Variante des Streichens von Pausenbroten. Und wie es sich für ein Kind der Globalisierung gehört, kommt Catering aus dem Englischen und bezeichnet ganz einfach das Liefern von Lebensmitteln. Weil der Mensch ein gefrässiges Tier ist, braucht er Snacks in jeder Lebenslage: Ob in der Bahn oder der Kantine, ob auf der Gartenparty oder dem Langstreckenflug – überall kommt Catering zum Zug.

Gate Gourmet heisst der Nachfolger des einstigen Swissair-Caterings und ist die Nummer eins der Schweiz im Flugzeug- und Bahngeschäft. Jahr für Jahr werden in den Töpfen des Zürcher Konzerns 250 Millionen Mahlzeiten zubereitet und an Airlines in 28 Ländern geliefert. Bei dieser gewaltigen Nachfrage ist Schluss mit gemütlichem Brutzeln und Köcheln. Da wird, an 365 Tagen pro Jahr, auf so genannten Koch- und Bratstrassen hochindustriell produziert, und Köche aller Herren Länder verarbeiten jährlich Tausende von Tonnen Obst, Gemüse, Fleisch.

Gross geschrieben werden dabei nicht nur Tempo und Pünktlichkeit, sondern auch Kühlung und Hygiene. Von jeder grösseren Lieferung wird eine Gegenprobe eingelagert, die man von unabhängiger Seite untersuchen lassen kann, falls einem Passagier mal nicht nur vom Fliegen übel wird. Die Kehrseite der Medaille: Jedes nicht verzehrte Schnitzel wird, selbst wenn verpackt und unberührt, ungerührt vernichtet.

Catering ist längst ein deutscher Begriff geworden. Der klingt zwar nach einem Anglizismus, ist aber genau genommen keiner. Denn to cater ist der Enkel des altfranzösischen achater, «kaufen». Vermutlich deshalb sind die Snacks von heute so teuer.

CD

Die CD, obgleich im Zeitalter von mp3 und Internet schon oft totgesagt, ist nicht mehr wegzudenken. Allein 2007 wurden 450 Millionen Musik-CDs verkauft. Aneinandergereiht, würden sie eineinhalbmal rund um den Globus reichen.

Die silberne Scheibe hat eine erstaunliche Geschichte. Erfunden wurde die CD von zwei Konzernen: von Philips und von Sony. Beide forschten sie an Möglichkeiten herum, Bild und Ton digital aufzuzeichnen, und beide stiessen sie auf dasselbe Problem: Geplant war eine Laserdisc von 30 Zentimetern Durchmesser, ähnlich einer Schallplatte. Nur: Würde man diese Platte für Ton nutzen, fänden darauf über 13 Stunden Musik Platz. Sony war klar, dass dies die Musikindustrie auf den Kopf stellen würde. Also besann man sich auf das Erfolgsprodukt der Tonträgerindustrie: die Musikkassette. Die hatte eine Diagonale von 11,5 Zentimetern, und diesen Durchmesser sollte auch die neue CD haben.

Dabei gab es aber ein Problem. Der für das Projekt verantwortliche Sony-Vizepräsident Norio Ohga war ausgebildeter Opernsänger und glühender Verehrer Beethovens: Er verlangte, die neue CD sollte dessen neunte Sinfonie fassen können. Nur, welche Neunte genau? Die Techniker waren ratlos und hielten sich daher an die längste Aufnahme, die sie finden konnten – jene von Wilhelm Furtwängler vom 29. Juli 1951 in Bayreuth. Die dauerte, ohne Applaus, etwas mehr als 74 Minuten. Das aber hiess einen halben Zentimeter mehr, und so messen unsere CDs heute genau 12 Zentimeter.

Dichtung und Wahrheit, schrieb Goethe, und se non è vero è ben trovato, sagen die Italiener: Wenn’s denn schon nicht wahr ist, so ist’s wenigstens gut erfunden. In dieser Zeit der Schlagzeilen und News sind gut erzählte Geschichten allemal etwas wert.

Celebration

Die Vision, die der legendäre Trickfilmer Walt Disney in seinen letzten Jahren formulierte, war die einer in jeder Hinsicht perfekten Stadt:

Epcot [die englische Abkürzung für «experimentelle Prototyp-Community von morgen»] wird eine durchgeplante, vollständig kontrollierte Gemeinschaft sein, ein Vorzeigeprojekt amerikanischer Industrie. Es wird keinen Landbesitz geben, keine Stimmrechtskontrollen. Die Menschen werden ihre Häuser nicht kaufen, sondern günstig mieten. Es wird keinen Ruhestand geben, und alle Menschen werden Arbeit haben.

Bis zu Walt Disneys Tod 1966 blieb Epcot eine blosse Idee. 1994 aber gründete die Disney Company im US-Bundesstaat Florida die Planstadt «Celebration». Eine idyllische Seenlandschaft, die Strassen blitzsauber, die Hecken akkurat gestutzt: In Celebration sollten die Menschen strikt nach den Vorstellungen Walt Disneys leben. Parkverbot am Strassenrand, die Vorhänge ausschliesslich weiss, keine verdorrten Zierpflanzen auf der Veranda: Jedes noch so kleine Detail war amtlich geregelt.

Celebration war ein voller Erfolg: Mit einer Lotterie wurde 1995 der Zuschlag für eines der 350 Häuser verlost. Doch schon ein Jahr später begehrten die ersten Zuzüger auf: Die umstrittenen Lehrmethoden der Schule führten zu Protesten, um die sich der Disney-Konzern nicht scherte. Demokratische Mitbestimmung war nicht vorgesehen; und so kehrten erste Siederfamilien Celebration den Rücken. 2008 wurde die 11 000 Einwohner zählende Stadt von der Finanzkrise hart getroffen, über 100 Familien mussten ihre Häuser verkaufen. Indes: Celebration besteht bis heute – mit immer noch 7500 Einwohnerinnen und Einwohnern, und einem 166 Seiten starken Regelbuch.

Cellophan

Das Sandwich, das appetitlich in der Auslage prangt, ist, wie es sich gehört, säuberlich in transparente Folie gehüllt. Womit wir zufrieden von dannen ziehen, ist also Brot, Beilage – und ein Viertelquadratmeter Cellophan. Und das ist ein kleines Wunder.

Cellophan fühlt sich wie Plastik an, ist es aber nicht. Cellophan – das Wort kommt vom Rohstoff Cellulose und dem griechisch-französischen diaphane, «durchsichtig» – wird vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. (Der Name übrigens ist, wie so oft, nur ein Markenname. Der Chemiker spricht von Cellulosehydrat – oder kurz von «Zellglas».) Und weil es eben kein Kunst-, sondern ein Naturstoff ist, lässt sich Cellophan sogar kompostieren; wer reines, unbeschichtetes Cellophan lieber ins Altpapier legt, liegt auch nicht falsch. Staunenswert ist allerdings nicht die bequeme Entsorgung, sondern vor allem eine chemische Eigenschaft. Cellophan alias Zellglas ist nämlich wasserdicht, doch Dampf lässt es passieren. Kondenswasser, etwa vom gewaschenen Salat, kann also durch die Folie hindurch verdunsten, und das Sandwich bleibt knusprig und frisch.

Den Wunderstoff erfunden hat ein Schweizer. Jacques Edwin Brandenberger war eine Art Wunderkind der Chemie, als er nach einem Studium an der Universität Bern und mit nur 22 Jahren seinen Doktortitel erwarb – summa cum laude, versteht sich. 1908 erfand er in Frankreich jene dünne, durchsichtige, nicht besonders elastische Folie, die er «Cellophan» nannte und die ihm bis zu seinem Tod 1954 ein beachtliches Vermögen eintragen sollte.

Aber Achtung: Längst nicht jede transparente Folie besteht aus Zellglas – oft genug ist es eine billigere Plastikfolie. Für Süssigkeiten aber, für Gebäck, Käse und Fleisch bleibt Cellophan bis heute die erste Wahl.