Hash

#foodporn, #metoo, #art: Der Hashtag ist in aller Munde – oder besser: in aller Hand. Die sozialen Medien strotzen nur so von klickbaren Schlüsselwörtern, die immer mit einem sogenannten hash beginnen. Auch der Hash selbst kennt viele Namen. Das charakteristische Zeichen aus zwei senkrechten und zwei waagrechten Strichen heisst auf Deutsch «Doppelkreuz», «Raute», «Lattenzaun», «Kanalgitter» oder «Schweinegatter» – und auf Schweizerdeutsch meist ganz einfach «Gartehag».

Der Hashtag ist zwar eine Erfindung des Computer-Zeitalters; den Hash als typografisches Zeichen dagegen gibt es schon seit dem Mittelalter. Das römische Pfund hiess auf Latein libra pondo. Aus pondo wurde schliesslich das deutsche Pfund, und libra, ebenfalls ein Wort für «Pfund», wurde von englischen Schreibern seit dem 14. Jahrhundert abgekürzt – als «lb» mit einem darüberliegenden horizontalen Strich, um die Abkürzung anzuzeigen. Im frühen Buchdruck gab es sogar ein «lb»-Zeichen mit Überstrich, währenddem sich das handschriftliche, oft hastig hingeworfene Pfund-Zeichen verschliff und zum «Lattenzaun» wurde, den wir heute auf Englisch hash nennen.

Und der kann noch viel mehr als nur soziale Medien. In der Musik erhöht er als Ersatzzeichen für das Kreuz um einen Halbton, in Computersprachen kennzeichnet er Kommentare oder Sprungmarken. Den «Hash» finden wir auf der Telefontastatur und auf Rechenmaschinen; er bezeichnet Nummern und Parallelogramme, bedeutet Schachmatt und – in der Medizin – sogar den Bruch eines Knochens. Der Hash im Hashtag ist ein Hansdampf in allen Gassen.

Heinrich, süsser

Heinrich Wilhelm Kurz, gelernter Sattler aus dem hessischen Nidderau, war ein leidenschaftlicher Erfinder. Von ihm stammen Skizzen für eine Waschmaschine, einen Pfannkuchenwender, Stehaufmännchen, eine Auflaufbremse, eine Einzelradaufhängung für Fuhrwerke und einen Toilettenaufsatz für Kleinkinder. Und für einen Gegenstand, den wir noch heute täglich benutzen: den Zuckerstreuer.

Davor nämlich kam der Zucker aus der Dose. Jeder bediente sich mit seinem Löffel, die Menge war mehr oder weniger zufällig, und ausserdem konnte man nicht sehen, ob die Dose bald leer war. Kurzens Zuckerstreuer löste gleich eine ganze Reihe von Problemen. Er war aus Glas und mit einem Schraubdeckel hygienisch verschlossen. Durch den Deckel lief ein Rohr, das beim Kippen immer genau dieselbe Zuckermenge aufnahm und durch das abgeschrägte Ende abgab.

Bürokratie war seine Sache nicht, und Kurz starb 1934 als armer Mann. Seine Einfälle aber hatte er säuberlich in einem Büchlein notiert, das Jahre später seinem Enkel Theodor Jacob in die Hände fiel. Der meldete die Erfindung seines Grossvaters 1953 zum Patent an; ein Jahr später begann die Produktion.

Blieb die Sache mit dem Namen. Die Patentschrift sprach von einem «Portionierer für granuliertes Streugut». Weil das viel zu sperrig war, und um seinem erfinderischen Grossvater Heinrich Kurz die Ehre zu erweisen, wurde der Zuckerstreuer auf den Namen getauft, den man in Deutschland noch heute kennt: «Süsser Heinrich».

Hellebarde

Die Hellebarde ist ein fürchterliches Gerät. Sie hat eine kurze, aber breite Klinge, die an eine Axt erinnert, und dazu an der Spitze eine messerscharfe Stossklinge. Der hölzerne Schaft ist bis zu zwei Meter lang und achteckig, damit sich die Hellebarde beim Hieb nicht seitlich wegdreht.

So schwer die Waffe, so sperrig das Wort. Es kommt von helm, Mittelhochdeutsch für «Stiel», und von barte für «Beil». Am Anfang noch in der Form eines langen Messers, richtet dieses neuartige «Stangenbeil» 1315 in der Schlacht am Morgarten zwischen den Eidgenossen und den Habsburgern wahre Verheerungen an. Der Mönch und Chronist Johannes von Winterthur schreibt:

Die Schweizer hatten auch in den Händen gewisse Mordwaffen, Spiessbeile, in selbiger Volkssprache genannt Helmbarte, sehr schreckliche, mit denen sie die noch so stark bewaffneten Gegner wie mit einem Schermesser zerteilten und in Stücke zusammenhieben.

Wenig später wird die Hellebarde zum eigentlichen Kriegsmaterial-Exportschlager. 1656 ziehen die progressiven, reformierten Städte Zürich und Bern gegen die konservativ-katholischen Landorte in den Krieg – und erleiden im ersten Villmergerkrieg eine schmähliche Niederlage. Danach gehen schweren Stangenwaffen in Serie, insbesondere für die Berner und Zürcher, die ihre unterlegenen Truppen tüchtig aufrüsten.

Bis heute steht die Hellebarde als Ordonnanzwaffe im Dienst: Sie zählt, neben Maschinenpistolen und Sturmgewehren, noch immer zur offiziellen Ausrüstung der päpstlichen Schweizergarde im Vatikan.

Hochwacht

Atemlos stürmt Aragorn in die Halle des Königs von Rohan:

Die Leuchtfeuer von Minas Tirith, die Leuchtfeuer brennen! Gondor ruft um Hilfe!

Grimmig antwortet König Théoden:

Und Rohan wird antworten! Die Heerschau soll beginnen!

Die Szene aus «Der Herr der Ringe» handelt von den Leuchtfeuern der fiktiven Stadt Minas Tirith, die um Hilfe ruft. In der Schweiz hiessen diese Signalfeuer «Hochwachten», und sie waren dem Sprachhistoriker und Fantasy-Autor J. R. R. Tolkien durchaus vertraut.

Mit weithin sichtbaren Flammen wurde in der alten Eidgenossenschaft die Mobilisierung von Truppen ausgelöst. Hochwacht um Hochwacht entzündete das Feuer, und so wurde der Alarm über das gesamte Signalnetz hinweg weitergegeben. Hochwachten gab es in den Kantonen Luzern, Zürich, Freiburg, Thurgau, und das Netz der 156 sogenannten «Chutzen» im Kanton Bern reichte gar vom Rhein bis an den Genfersee. In nur drei Stunden konnte mit ihnen das gesamte Kantonsgebiet alarmiert werden.

Frühe Signalfeuer bestanden aus einem Baum, der mit Stroh umgeben und in Brand gesteckt wurde. Ab dem 15. Jahrhundert wurden daraus ausgeklügelte Systeme: eine bemannte Wachthütte oder ein Wachtturm, ein trockener Holzstoss, ein Visierinstrument (damit eine gewöhnliche Feuersbrunst nicht mit einem Signal verwechselt wurde), eine Eisenpfanne mit Harz oder Pech und ein Mörser. Nachts wurden Signale mit Feuer weitergegeben, tagsüber mit Rauch und bei Nebel mit einem Kanonenschuss.

Zum letzten Mal eingesetzt wurden die Hochwachten 1870 im Deutsch-Französischen Krieg. Heute dagegen dienen sie nur noch als Messpunkte der Landesvermessung – und, ihrer Aussicht wegen, als beliebte Wanderziele.

HTML

In der Zeit vor dem Turmbau zu Babel sprach alle Welt dieselbe Sprache. So steht es im Alten Testament. Und so ist es auch in der modernsten aller Welten, im worldwide web. Das www ist, wie der Turm zu Babylon, in den Himmel gewachsen: Das Web zählt heute 43 Milliarden Webseiten. Selbst die babylonische Sprachenverwirrung ist Tatsache: Allein die Wikipedia gibt’s bereits in 260 Sprachen.

Und doch: Dieses unvorstellbar grosse Web ist in einer einzigen, technischen Sprache geschrieben, und die heisst HTML, hypertext markup language. Freaks schreiben sie sozusagen fliessend, doch die meisten, die sich im Internet bewegen, haben sie nie gesehen, auch wenn sie buchstäblich nur zwei Klicks entfernt ist.

HTML ist noch nicht einmal 20 Jahre alt. Geboren wurde sie im März 1989. Da schrieb der damals erst 33jährige Informatiker Tim Berners Lee in Genf ein 20seitiges Papier ans Management des Cern. Berners Lee ärgerte sich darüber, dass die Zusammenarbeit der mehreren tausend auf Frankreich und die Schweiz verteilten Mitarbeiter immer schwieriger wurde, weil Informationen irgendwo versandeten. Information hiess damals Papier, und Mail hiess Post. Berners Lee schlug nun vor, Information per Computer zirkulieren zu lassen, und zwar als nicht-lineare Texte. Nicht-linear hiess, was wir heute als Link kennen: Von einem Text sollte der Leser ganz einfach per Mausklick zum nächsten springen können. Der gewaltige Vorteil: Ein Dokument existierte in einer einzigen Version, brauchte nicht mehr kopiert zu werden und konnte nicht mehr veralten.

In nur eineinhalb Jahren entwarf Berners Lee mit wenigen Kollegen die technische Sprache, in der alle diese Hypertexte verfasst sind: HTML. Ohne diese Sprache gäbe es kein Web. Und so paradox es klingt: Ohne diese eine weltweite Sprache gäbe es auch keine babylonische Sprachenverwirrung.