Faradayscher Käfig

Der Versuch am 15. Januar 1836 in der Royal Institution in London war spektakulär. Im Hörsaal stand ein Würfel aus Holzlatten, etwa zweimal mannshoch, die Seitenflächen mit einem Netz aus Draht bespannt. Der Forscher Michael Faraday schloss den Würfel an eine Elektrisiermaschine an, stieg hinein und mass die elektrischen Felder – Ergebnis: null. Jeder Punkt des Raums war frei von Elektrizität. Eine geschlossene Hülle aus Metall, die ihr Inneres vor elektromagnetischen Feldern schützt, heisst seither «Faradayscher Käfig».

Ob das Flugzeug, dessen Passagiere vor Blitzschlag sicher sind; das Auto, das die Antenne auf dem Dach trägt, weil sonst das Radio nichts empfangen kann; der Mikrowellenherd, dessen Innenraum aus Metallgitter die Umgebung von jeder Strahlung abschirmt; das Elektrolabor, dessen leitende Wände die empfindlichen Messgeräte von Störfeldern schützen: allesamt Faradaysche Käfige.

Tatsächlich war das Phänomen schon 80 Jahre davor entdeckt worden. Ein anderer Forscher mit Namen Benjamin Franklin hatte 1755 eine ungeladene Kugel an einem Seidenfaden in eine elektrisch geladene Metalldose fallen lassen.

Obwohl die Kugel den Boden berührte,

schrieb Franklin später,

wurde sie nicht elektrisch geladen, wie das bei einer Berührung der Aussenseite der Fall gewesen wäre.

Franklins Dose war nichts anderes als ein Faradayscher Käfig.

Auch Franklin kennen wir heute weniger als Wissenschaftler als vielmehr als Staatsmann. Er hatte am Entwurf der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten mitgearbeitet und gilt heute als einer der Gründerväter der USA.

Fender, Leo

Sie heissen Telecaster, Stratocaster, Precision Bass und Jazz Bass. Sie haben zweierlei gemeinsam: Sie sind elektrisch, und sie heissen – Fender. Und noch etwas: Sie haben Musikgeschichte geschrieben. Zum Beispiel in den Händen des genialen Bassisten Jaco Pastorius.

Meilensteine des Jazz, undenkbar ohne den gelernten Buchhalter Leo Fender. Der eröffnete 1938 in Fullerton, Kalifornien, ein Radiogeschäft, und begann wenig später, quasi nebenher Hawaiigitarren und Verstärker zu bauen. 1946 sattelte er um und gründete die Fender Electrical Instrument & Co. Und vier Jahre später war sie da: die erste in Serie gebaute Elektrogitarre der Welt, die Telecaster. Sie bestand – und besteht bis heute – aus einem massiven Holzklotz aus Erlen- oder Eschenholz, mit eingesetzten single-coil-Pickups, also Ein-Spulen-Tonabnehmern, und einem aufgeschraubten Gitarrengriffbrett. Dann war da der Fender Precision Bass, die erste elektrische Bassgitarre mit Bundstäben. Kurz darauf: die nächste Erfindung: die Stratocaster. Diese futuristische Gitarre sah ein bisschen aus wie ein 1952er Chevrolet – tatsächlich liess sich Fender von den Autobauern inspirieren –, und sie besass einen neuartigen Hebel, mit dem sich der Ton beugen liess.

Leo Fenders Kundenliste liest sich wie ein Who is Who: Eric Clapton, Jimi Hendrix, Mark Knopfler, Bruce Springsteen – und natürlich David Gilmour von Pink Floyd mit seinem unsterblichen Solo im Song «Another Brick in the Wall part II». Leo Fender musste die Firma 1965 an CBS verkaufen; er starb 1991 an Parkinson. Er hatte sich Zeit seines Lebens geweigert, selbst Gitarre zu spielen.

Fernbedienung

1950. Der Fernseher ist noch ein edles Möbel aus poliertem Nussbaumholz. «Lazy Bones» heisst das neue Gerät der amerikanischen Fernsehfirma «Zenith». Der Couch potato kann im Sitzen den Sender wechseln, und seine faulen Knochen geraten nur dann in Gefahr, wenn er über die «Lazy Bones» stolpert: Diese erste Fernbedienung der Welt nämlich hängt noch an einem Kabel.

Die Stolperfalle steht in krassem Widerspruch zu den populären Science-fiction-Filmen mit ihren futuristischen Raumschiffen. Eugene F. McDonald Jr. ist ein früherer Navy-Commander und Gründer von «Zenith». Vor allem hasst er Fernsehwerbung. Eine bessere Zapp-Maschine muss her. 1955 präsentiert der Ingenieur Eugene Polley dem Chef, der sich auch in der Firma als «Commander» anreden lässt, die brandneue «Flash-matic». Die sieht aus wie eine Mischung aus Pistole und Duschbrause – und ist im Wesentlichen eine Taschenlampe. Ihr Licht wird von vier Fotozellen in den Ecken des Fernsehapparats erkannt. Zielt der Zuschauer nach oben links oder rechts, wechselt der Sender, die unteren Zellen schalten das Bild oder den Ton aus. Das wäre wirklich Science fiction – wenn nicht ab und zu die Morgendämmerung den Fernseher in voller Lautstärke losbrüllen liesse.

Und so kommt ein anderer Tüftler, der 43-jährige Physiker Robert Adler, auf den Ultraschall. Weil die Fernbedienung aber ohne Batterien funktionieren soll, baut Adler eine Art Taschenklavier mit Klangstäben aus Aluminium, deren unhörbarer Ton vom Fernseher erkannt wird. «Space Command» heisst der Apparat, der das Sofa zur Kommandobrücke und Adler zum Vater der modernen Fernbedienung macht.

Ironie der Geschichte: Adler, zeitlebens ein begnadeter Erfinder, hat das Fernsehen nie gemocht.

Festplatte

It is the business of some of us to think about the businesses of others. In businesses large and small one of the greatest problems is getting the facts and figures for making daily decisions. So we thought about creating a new kind of electronic machine to keep business accounts up-to-date and make them available – not monthly nor even daily. But immediately.

Eine Maschine, die Zahlen ausspuckt – nicht monatlich oder täglich, sondern sofort: So stellt IBM im Werbepathos von 1956 den IBM 305 Ramac vor. Das Herzstück des Supercomputers ist ein dunkel schimmernder Zylinder von der Grösse eines Kühlschranks. Dieser Klotz ist die erste Festplatte der Welt. Sie macht es möglich, gespeicherte Daten im Nu zu finden, zu lesen und anzuzeigen. In einer Welt, in der Buchhalter noch mit mechanischen Rechenmaschinen hantieren, ist der Ramac ein achtes Weltwunder. Computer mit Magnetbändern gibt es zwar schon, aber die wollen eingelegt, vor- und zurückgespult und wieder archiviert werden – das kostet Zeit und Geld.

Es hat Jahre gedauert, bis die IBM-Techniker es geschafft haben, 50 auf einer senkrechten Spindel sitzende Platten mit Magnetfarbe zu bestreichen, mit 1200 Umdrehungen pro Minute rotieren und einen beweglichen Arm dabei Daten speichern und lesen zu lassen. Diese über eine Tonne schwere Ur-Festplatte speichert 5 Megabyte – die Datenmenge eines heutigen Urlaubsfotos –, und sie ist der eigentliche Durchbruch. 25 Jahre später, 1981, sind Harddisks mit der doppelten Kapazität bereits so klein wie ein Ziegelstein. Wieder 20 Jahre später, 2001, fasst eine Festplatte bereits das Eintausendfache an Daten und ist das Herzstück des ersten iPod, und heute ist eine Harddisk noch so gross wie ein Fünffrankenstück und wiegt etwas mehr als 10 Gramm.

Übrigens: Der Ur-Rechner von 1956 funktioniert immer noch. Er steht im Museum für Computergeschichte in Mountain View, Kalifornien – und wenn die noch schnelleren, kleineren, robusteren Speicherchips die Festplatten von heute bald abgelöst haben, wird das tonnenschwere Ungetüm von damals immer noch laufen.

Flipperkasten

Der Flipperkasten hat eine Sprungfeder, mit der sich der Ball nach oben schiessen lässt, die «Flipper», die ihn im Spiel halten sollen, und einen gefrässigen Münzschlitz, der das Taschengeld ganzer Generationen aufzufressen pflegte. Und vor allem hat der Flipperautomat eine Geschichte, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Der Vorfahr des Flipperkastens war ein Zeitvertreib des französischen Adels und hiess «Bagatelle». Das war ein geneigtes Brett mit Holzstiften, auf dem der mit einem Queue gestossene Ball in Löcher mit möglichst hohen Punktzahlen befördert wurde. «Bagatelle» war ein Riesenerfolg, und französische Soldaten brachten das Spiel mit nach Amerika. Spätere Spiele wiesen erste Sprungfederkatapulte, sogenannte plungers, und statt Holzstöpseln Nägel auf, weshalb der heutige Flipperkasten auf Englisch pinball heisst. Die 1930er-Jahre brachten die ersten elektrischen Münzautomaten mit den charakteristischen bumpers, ein Jahrzehnt später kamen die elektromechanischen Paddel und Zähler dazu. Meist in der Mafiastadt Chicago hergestellt, wurden die Automaten so beliebt, dass New York City und andere Städte im Zweiten Weltkrieg das Flippern verboten und die Automaten mit Vorschlaghämmern zerschlagen liessen, weil sie angeblich Schulkindern das Geld aus der Tasche zogen und ihre Herstellung wertvolle, kriegswichtige Metalle vergeudete. Allein, es half nichts: In den Siebzigerjahren wurde der technisch immer weiter perfektionierte Flipper zur Spiel-Ikone.

Die alten Automaten sind heute begehrte Sammlerobjekte, und als Handyspielchen für zwischendurch gibt’s «Pinball» als App.