Strafe, drakonische

Drakonische Strafen sind grausam. Und doch tragen sie nicht den Namen eines Scharfrichters, sondern, im Gegenteil, eines Gelehrten.

Drakon von Athen war ein Jurist, der sich im Jahr 621 v. Chr. anschickte, einen Katalog aller bekannten Strafen zu erstellen und den Strafvollzug zu vereinheitlichen. Neben einer ellenlangen Liste teils barbarischer Bestrafungsmethoden führte Drakon auch zwei wichtige Neuerungen ein: die Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tötung und den Grundsatz, dass Fälle stets an spezialisierte Gerichtshöfe zu verweisen seien.

Damit die Athener dieses neue Strafgesetzbuch auch wirklich lasen, liess Drakon die Gesetze auf Holztafeln schreiben und auf Dreibeinen oder Säulen auf dem Marktplatz aufstellen. Diese «drakonischen Gesetze» galten bald als ausserordentlich grausam. Bei Plutarch steht zu lesen:

Drakons Gesetze, so sagte man, waren nicht mit Tinte, sondern mit Blut geschrieben. Drakon selbst wurde einmal gefragt, weshalb denn auf die allermeisten Taten der Tod stehe. Das sei ganz einfach, antwortete er: Schon für kleinere Vergehen halte er die Todesstrafe für gerechtfertigt, und für schwere Verbrechen gebe es halt einfach keine härtere Strafe.

Drakon der Richter hat der sprichwörtlichen drakonischen Strafe den Namen gegeben. Eines wird dabei aber übersehen: Drakon war nicht Henker, sondern Reformer. Er systematisierte geltendes Recht, setzte zum ersten Mal ein staatliches Gewaltmonopol durch – und schaffte damit die alten, ausufernden, noch viel grausameren und bis hin zur Blutrache reichenden Strafen ein für allemal ab.

Tausend-Franken-Note

Sie schulden 10 Millionen und zahlen in bar. Das lässt zwei Schlüsse zu. Erstens: Sie haben Dreck am Stecken. Und zweitens: In Ihrem Aktenkoffer liegen 1000-Franken-Noten.

Bargeld kommt Kriminellen ganz besonders entgegen – je grösser der Realwert, desto besser. Gangsters Liebling ist die Schweizer Tausendernote: Kein anderer Geldschein der Welt ist so viel wert wie die grösste Banknote der Schweiz; übertroffen wird sie nur von den 10 000-Dollar-Noten des Sultanats Brunei und jener von Singapur, die allerdings nicht mehr ausgegeben wird. Die grösste Note der Schweiz ist entsprechend beliebt – mehr als 60 Prozent des gesamten Notenumlaufs der Schweiz besteht aus Tausendern.

Wer das Licht scheut, liebt sie, die violette Note mit dem Konterfei des Kunsthistorikers Jacob Burckhardt: Der britische «Economist» rechnet vor, dass ein Gauner die Summe von 10 Millionen Dollar – in Schweizer Tausendernoten – in einer Aktentasche tragen kann, die weniger als 12 Kilo wiegt. In 500-Euro-Scheinen bräuchte er dazu bereits zwei Geldkoffer à 10 Kilo; in 100-Dollar-Scheinen, der grössten aktuellen Banknote der USA, bräuchte er Träger, um die 100 Kilo Papiergeld in acht Koffern schleppen zu können.

Sind grosse Noten also Mafiageld? Genaue Zahlen fehlen, doch ein britischer Polizeibericht von 2010 schätzt, dass 90 Prozent aller 500-Euro-Scheine, der Banknote mit dem zweithöchsten Realwert, für illegale Zahlungen genutzt werden. Die Europäische Zentralbank will diese grösste Euronote daher abschaffen. So etwas ist für die Schweizer Nationalbank kein Thema: Die 1000-Franken-Note ist und bleibt die ungekrönte Königin der Geldscheine dieser Welt.

Zinken

«Zinken» ist Rotwelsch – so nennt man die Sprache der Gauner. Sie ist dazu da, von der Obrigkeit nicht verstanden zu werden – eine Art Geheimcode der unteren Zehntausend. Und trotzdem haben es viele rotwelsche Wörter in unser heutiges Deutsch geschafft: Kassiber (aus der Gefängniszelle geschmuggelter Zettel), Blüte (gefälschte Banknote) oder baldowern (auskundschaften).

Baldowern ist die Königsdisziplin des gewissenhaften Einbrechers. Um die Erkenntnisse seinen Kumpanen mitzuteilen, bedient er sich einer geheimen Schriftsprache: der sogenannten «Zinken». Zinken sind einfache Zeichen, die für das ungeübte Auge aussehen wie Kinderkritzeleien. Was sie tatsächlich mitnichten sind. Ein schlichter Kreis oder eine einfache waagrechte Linie, unauffällig in den Fenster- oder Türrahmen geritzt, ist einigermassen beruhigend, denn es bedeutet: «Hier gibt es nichts». Kleine Ringe oder ein doppelter Gartenzaun dagegen sagen, dass es hier sehr wohl etwas zu holen gibt, im besten Fall sogar bares Geld. Und weil das niemand einfach so hergibt, sind viele Zinken Warnungen: Eine gezackte Linie heisst «Vorsicht, bissiger Hund!», ein Kreis mit zwei Schrägstrichen «Die Leute rufen die Polizei!», ein Kreis mit zwei waagrechten Pfeilen «Abhauen, aber subito!».

Das Wort «Zinken» selbst ist alt. Es stammt entweder vom lateinischen signum ab, Zeichen, oder aber vom alten deutschen Wort für «Zweig», weil Diebe einander den Weg zur Beute mit am Wegrand eingesteckten Zweigen wiesen. Und auch die Zinken sind in unsere Alltagssprache eingewandert: «Gezinkt» sind die falschen Spielkarten, die der Gauner beim Pokern aus dem Ärmel zieht.