Drakonische Strafen sind grausam. Und doch tragen sie nicht den Namen eines Scharfrichters, sondern, im Gegenteil, eines Gelehrten.
Drakon von Athen war ein Jurist, der sich im Jahr 621 v. Chr. anschickte, einen Katalog aller bekannten Strafen zu erstellen und den Strafvollzug zu vereinheitlichen. Neben einer ellenlangen Liste teils barbarischer Bestrafungsmethoden führte Drakon auch zwei wichtige Neuerungen ein: die Unterscheidung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tötung und den Grundsatz, dass Fälle stets an spezialisierte Gerichtshöfe zu verweisen seien.
Damit die Athener dieses neue Strafgesetzbuch auch wirklich lasen, liess Drakon die Gesetze auf Holztafeln schreiben und auf Dreibeinen oder Säulen auf dem Marktplatz aufstellen. Diese «drakonischen Gesetze» galten bald als ausserordentlich grausam. Bei Plutarch steht zu lesen:
Drakons Gesetze, so sagte man, waren nicht mit Tinte, sondern mit Blut geschrieben. Drakon selbst wurde einmal gefragt, weshalb denn auf die allermeisten Taten der Tod stehe. Das sei ganz einfach, antwortete er: Schon für kleinere Vergehen halte er die Todesstrafe für gerechtfertigt, und für schwere Verbrechen gebe es halt einfach keine härtere Strafe.
Drakon der Richter hat der sprichwörtlichen drakonischen Strafe den Namen gegeben. Eines wird dabei aber übersehen: Drakon war nicht Henker, sondern Reformer. Er systematisierte geltendes Recht, setzte zum ersten Mal ein staatliches Gewaltmonopol durch – und schaffte damit die alten, ausufernden, noch viel grausameren und bis hin zur Blutrache reichenden Strafen ein für allemal ab.