Tinte

Die schlechteste Tinte ist besser als das beste Gedächtnis,

sagt ein chinesisches Sprichwort. Tatsächlich wurde in China und Ägypten schon im 3. Jahrtausend v. Chr. mit Russtinte geschrieben; der römische Architekt und Ingenieur Vitruv beschreibt, wie der dazu nötige Russ in eigens dafür gebauten Öfen gewonnen wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Name: «Tinte» kommt vom lateinischen Ausdruck aqua tincta, «gefärbtes Wasser» und wurde lange mit «c», also «Tincte» geschrieben.

Schon in der Antike war Tinte nicht gleich Tinte: Bei der Herstellung von Gallustinte etwa wurden als erstes Galläpfel gewonnen, eine Wucherung auf der Unterseite von Eichenblättern. Nach dem Abkochen mit Eisensulfat und der Zugabe von Gummi arabicum und Wasser entstand eine Tinte, die ganz besonders beständig war und noch heute als «dokumentenechte» Tinte verwendet wird. Daneben gab es auch Tinten mit dem Farbstoff aus Tintenfischen, solche, die nur langsam eintrockneten und die Feder nicht so schnell verstopften, Farbtinten aus unterschiedlichsten Pigmenten, Dufttinten mit ätherischen Ölen, Geheimtinten, die nur durch Erwärmen des Papiers sichtbar wurden, und für ganz besondere Manuskripte entstanden im Mittelalter sogar Gold- und Silbertinten.

Das Tintenfass ist heute Vergangenheit, doch ohne Tinte geht’s auch heute nicht. Kugelschreibertinte muss wischfest sein und eine extreme Deckkraft besitzen, so dass eine Mine für Hunderte von Seiten reicht. Und Druckertinte muss in Sekundenbruchteilen trocknen und sich beliebig mischen lassen, so dass aus drei Grundfarben unendlich viele Farbtöne dargestellt werden können. Aus dem Kulturgut Tinte ist ein High-Tech-Produkt geworden.