Pullover

Der Pullover ist so deutsch, dass wir den Engländer in ihm kaum noch erkennen: Er kommt von pull over und ist wörtlich ein Überzieher. Während des zweiten Weltkriegs verbannten die Nationalsozialisten alles Englische aus dem Deutschen und versuchten, den Pullover in «Schwubber» umzubenennen. Vergeblich. Längst hatte sich der Pulli festgesetzt. (Der allerdings, der Pulli, war ursprünglich ein Pullunder, ein ärmelloser Unterzieher, den man über dem Hemd, aber unter der Jacke trug.)

So richtig durchgesetzt aber hat sich nur der Pullover, und das liegt daran, dass er zu allen Zeiten nicht bloss Kleidung war, sondern auch äusseres Zeichen der eigenen Weltanschauung. Im 19. Jahrhundert hatte der Pullover noch als unmodisch und unseriös gegolten, aber mit dem Aufkommen von Reformbewegungen und Sport im 20. Jahrhundert wurde er gesellschaftsfähig. Die minimalistische Mode der Existenzialisten liebte den schwarzen Rollkragenpullover, mit Jackett oder ohne. In den 70er-Jahren wurde der Pulli zum Markenzeichen der Öko-Szene, aus grober Wolle und vorzugsweise selbst gestrickt, danach, glatt gewoben, entdeckte ihn die Techno-Bewegung, mit Kapuze dann der Hip-Hop, die Skater, die Hooligans und die Autonomen. Und heute, als Pulli oder Sweatshirt, ist der praktische Überzieher aus den Kleiderschränken der Welt nicht mehr wegzudenken.

Aber nicht immer ging es dabei um Mode. Als in Frankreich ein Partygast einmal auf dem Arm der Politikerin und Holocaust-Überlebenden Simone Veil deren eintätowierte Häftlingsnummer entdeckte und tollpatschig nachfragte, ob das vielleicht ihre Garderobennummer sei, trug sie jahrelang nur noch langärmlige Pullover.

Pyjama

Der Pyjama ist nicht bloss ein Fall fürs Bett, sondern auch für die Wissenschaft. 2013 hat die amerikanische National Sleep Foundation belegt, dass der Pyjama der beliebteste Schlafanzug der Welt ist – laut einer gross angelegten Studie zumindest in den USA, in Kanada, Mexiko, Grossbritannien, Deutschland und Japan. Das Nachthemd, der Trainingsanzug, Unterwäsche oder auch gar nichts – all das kommt statistisch gesehen nicht an den Pyjama heran.

Der Pyjama stammt aus dem mittleren Osten und aus Indien. Pāy-jāmeh hiess auf persisch ursprünglich nichts anderes «Beinkleid», und über Indien und England kam beides, Wort und Hose, nach Europa. Die britischen Kolonialherren hatten die bequeme, leichte Kleidung Mitte des 17. Jahrhunderts in Indien kennengelernt. So wurde der Pyjama in Europa zu einer leichten Freizeithose – und geriet, wie so manche Mode, bald wieder in Vergessenheit. In den 1870er-Jahren aber blühte der Handel zwischen Indien und Grossbritannien auf, und auf einmal waren Stoffe wie Baumwolle oder Seide in grossem Stil verfügbar. Und damit begann sozusagen die Renaissance des Pyjamas. Zur leichten Hose kam ein Hemd mit Knöpfen, und bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte der Pyjama das davor für Männer und Frauen übliche Nachthemd verdrängt. In den 1930er-Jahren kam gar der Strandpyjama in Mode, eine leichte, weite Frauenhose für den Urlaub am Meer.

Auch in China hat sich der Pyjama durchgesetzt, als Zeichen des Wohlstandes seines Besitzers. Trotz behördlicher Kampagnen gegen dieses «unzivilisierte» Benehmen ist es in einigen Städten bis heute üblich, im Pyjama aus dem Haus zu gehen und einzukaufen.

Rand und Band, ausser

«Zwei ausser Rand und Band», heisst die Filmkomödie von 1977 in der deutschen Übersetzung. Die zwei, das sind Bud Spencer und Terence Hill, und ausser Rand und Band sind sie in der Tat: Als Streifenpolizisten in Miami nehmen die beiden, nach einer ellenlangen Schlägerei, eigenhändig gleich eine ganze Gangsterbande fest.

Tatsächlich kommt die Redensart «ausser Rand und Band geraten» aber weder aus Hollywood noch von der Polizei, sondern von Fässern, genauer: vom Handwerk der Küfer, Fassmacher, Fassbinder oder Böttcher. Jahrtausende lang waren Fässer neben Krügen und Amphoren die wichtigsten Behälter für Flüssigkeiten und Waren aller Art. Sogar Geschirr pflegte man in Fässer mit heisser, flüssiger Butter einzulegen. Kühlte die Butter ab und wurde fest, war das Geschirr im Fass sicher verstaut und konnte beim Transport mit Pferd und Wagen keinen Schaden nehmen – daher die Redensart «alles in Butter».

Ein hölzernes Fass besteht aus gehobelten Brettern, die über dem Feuer oder mit Dampf gebogen werden und die man Dauben nennt. Am Rand sind diese Dauben mit einer innen liegenden Nut versehen, in die der Deckel und der Boden eingepasst werden; aussenrum wird das Fass durch eiserne Bänder zusammengehalten. Passiert also ein Unglück, und der Boden springt aus der Nut oder ein Band rutscht ab, dann wird das Fass undicht, oder es fällt gleich ganz auseinander. In diesem Fall ist das Fass in der Sprache der Küfer, buchstäblich, ausser Rand und Band.

Sakko

Man trägt ihn in der Freizeit und im Büro, zur Anzughose oder auch zu Jeans, zu Leder- oder zu Turnschuhen: den sportlich-eleganten «Sakko» – auf Englisch heisst er denn auch sports jacket, in den USA sack coat. Der Sakko ist mit dem figurbetonten «Jackett» verwandt, das aus dem Gehrock entstand, bei dem man die antiquierten Schösse wegliess. Doch im Gegensatz zum vornehmen Jackett war der schlichtere, gerade geschnittene Sakko anfangs eher für die Arbeiterklasse gedacht. Von einem Sack, vom italienischen «sacco», hat er auch seinen Namen. Heute sind die Grenzen fliessend – ein Sakko oder ein Jackett sind heute in der Regel ein und dasselbe.

Der Sakko ist eine ein- oder zweireihige Jacke traditionell aus Schurwolle, manchmal auch aus Baumwolle oder Leinen, Cord oder Tweed, und mit einem Fasson – so heisst sein markantes, umgeschlagenes Revers. Aussen trägt der Sakko zwei aufgesetzte Taschen und zwei, seltener drei oder sogar noch mehr Knöpfe. Er wird entweder offen getragen oder aber mit einem, und nur einem, geschlossenen Knopf.

Der Grund dafür liegt im ausgehenden 19. Jahrhundert, genauer, beim englischen Kronprinzen Albert Edward und späteren König Edward VII. Edward war modebewusst, aber sehr beleibt, und er schaffte es beim besten Willen nicht, seinen Sakko vollständig zuzuknöpfen. Weil also der untere Knopf des königlichen Sakkos stets offenstand, gingen Adel und Hofstaat dazu über, aus Respekt vor Edward den unteren Knopf ebenfalls offen zu lassen. Das war praktisch, und es liess sich auch besser reiten. Und so wird der Sakko bis heute, wenn überhaupt, nur oben zugeknöpft.

Salär

«Salär» kommt vom französischen «salaire», und das wiederum geht auf «salarium» zurück, das lateinische Wort für Sold. Wie das Wort Salat stammen sie alle vom Ur-Wort «sal» ab, das seit Jahrtausenden «Salz» bedeutet. Kochsalz – genauer: Natriumchlorid – ist der wichtigste aller Mineralstoffe. Im Körper eines erwachsenen Menschen zirkulieren 150 bis 300 Gramm Salz. Täglich werden bis zu 20 Gramm davon ausgeschieden, und dieses Salz muss über die Nahrung wieder ersetzt werden.

Am Meer ist die Salzgewinnung im Prinzip einfach: Meerwasser enthält durchschnittlich 35 Gramm Salz pro Liter. Es wird in flache, «Salzgärten» genannte Becken geleitet, und nach dem Verdunsten lassen sich die zurückbleibenden Salzkristalle ernten. Daneben wurde zu allen Zeiten Steinsalz aus unterirdischen Lagerstätten gewonnen, in Wasser gelöst und in flachen Pfannen eingedampft. Von diesem Verfahren übrigens stammt der Name «Kochsalz» – nicht weil man das Salz zum Kochen braucht, sondern weil es durch Sieden gewonnen wurde.

Salz wurde sogar als Geldersatz gebraucht. Römische Legionäre erhielten ihren Sold gelegentlich in Form von Salzfisch, der auf den langen Märschen nicht verdarb. Salz hatte immer auch eine hohe symbolische Bedeutung: Im Barock galt Salz auf Gemälden als Symbol der Reinheit und, weil lebensnotwendig, für Christus selbst. Das Salzfass umzustossen, galt als ausgesprochen schlechtes Omen.

Ein Salär ist heute Geld, und ein Leben ohne Geld ist undenkbar. In Island aber, wo das Konservieren mit Salz lebensnotwendig war, sagt man noch immer: «Das Leben ist Salzfisch».