Der Mann war ein leidenschaftlicher Schlosser: Jede freie Minute verbrachte er in seiner kleinen Werkstatt und baute Schlösser. Oft aber hatte er anderes zu tun – sein Name war Louis Auguste, besser bekannt als Louis XVI, König von Frankreich.
70 Jahre später im US-Bundesstaat New York: Linus Yale senior ist Erfinder und hält mehr als ein Dutzend Patente für Schlösser, Dreschmaschinen und Sägemühlen. Sein Sohn Linus Yale junior dagegen studiert Malerei. Doch die Pflicht ist stärker. 1850 tritt der Junior ins Familiengeschäft ein, und als sein Vater stirbt, stellt der junge Linus Yale auf Schlösser um, die unter keinen Umständen zu knacken sind.
Schliessvorrichtungen, in denen Schlüssel einen Riegel bewegen, gibt es seit Jahrtausenden. Ihre Achillesferse aber ist seit jeher das Schlüsselloch: An dieser verräterischen Öffnung machen sich auch Unbefugte zu schaffen, mit geeignetem Werkzeug, und sei es auch nur mit Schiesspulver. Also erfindet Yale das Kombinationsschloss für Banksafes, die das hinter massivem Stahl versteckte Schlüsselloch erst nach der Eingabe der Kombination freigeben.
Yales bedeutendste Konstruktion aber ist ein Schloss, das viel kleiner ist – und das wir auch heute noch benutzen: das 1861 patentierte Zylinderschloss mit seinem charakteristischen flachen Schlüssel. Diese neuen Schlösser stellt Yale erstmals in Massenproduktion her, auch dies eine seiner bahnbrechenden Erfindungen.
Um diesen Platz in der Geschichte hätte Louis Auguste den Konstrukteur Yale beneidet: Er selbst kam nicht als Schlosser zu Ruhm, sondern als glückloser König, von der Revolution zum einfachen citoyen degradiert und 1793 auf der Pariser Place de la Concorde hingerichtet.