Alle Beiträge von twb

Blau

Für Physiker ist Blau reflektiertes Licht mit einer Wellenlänge zwischen 420 und 490 Nanometer. In der Netzhaut sitzen lichtempfindliche Nervenzellen, die ihrer Form wegen auch Zapfen heissen. Es gibt drei verschiedene Typen davon, und einer davon ist auf Blauviolett spezialisiert. Für Blau zuständige Zapfen verarbeiten nur ein schmales Band des gesamten Spektrums und reagieren empfindlich auf Anteile von Rot. Dann kippt die Empfindung von blau übergangslos ins Violette.

Blau hat seit jeher auch eine kulturelle Bedeutung. In der katholischen Kirche zum Beispiel galt Blau lange als Farbe der heiligen Maria, bis es 1570 aus der liturgischen Palette gestrichen wurde. Doch blau galt auch als Farbe der Täuschung. Davon zeugen bis heute Redensarten wie «sein blaues Wunder erleben» oder «das Blaue vom Himmel herunterlügen».

Für die meisten Menschen soll Blau Stabilität, Ausgeglichenheit und Ruhe ausstrahlen. Fatale Fehler am Computer werden auf blauem Hintergrund angezeigt, angeblich um die User nicht in Panik zu versetzen. Das zumindest ist falsch. Der Grund für das Blau beim sogenannten «Bluescreen» ist völlig lapidar: Die Workstation, die der frühe Windows-Entwickler John Vert benutzte, zeigte beim Aufstarten Systeminformationen in weisser Schrift auf blauem Grund an; die Software, die er zum Programmieren benutzte, tat dasselbe. Weiss auf blau, fand Vert, sei doch auch für Fehler das naheliegendste.

UFO

Ein UFO ist ein «unidentifiziertes Flugobjekt» – oder auf Englisch ein UAP, ein unidentified anomalous phenomenon. Tatsächlich gibt es immer wieder Sichtungen von Flugobjekten, die sich schwer erklären lassen. Ein körniges Schwarzweiss-Video stammt von einem Piloten der US-Navy. Es zeigt ein rasend schnelles Objekt, das nicht so aussieht und sich nicht so bewegt wie ein Flugzeug:

Mein Gott! Die fliegen gegen den Wind, und der weht mit 220 km/h nach Westen!

Das Pentagon bestätigte 2017 offiziell die Echtheit des Videos – was genau es zeigt, weiss man bis heute nicht.

Fliegende Untertassen und Ausserirdische, das halten viele für reine Fantasie. Tatsächlich gibt es oft plausible Erklärungen – Heissluftballons, verglühender Weltraumschrott, Versuchsflugzeuge oder sogar linsenförmige Wolken. Der angebliche Absturz eines UFOs bei Roswell, New Mexico, im Jahr 1947 und die Bergung toter Aliens wird unter Ufologen bis heute heiss debattiert; laut einem Untersuchungsbericht von 1995 sollen die Trümmer von einem geheimen Aufklärungsballon stammen.

Aber auch die Wissenschaft mit beschäftigt sich mit UFOs. Die Handschriftenabteilung der Uni Basel etwa bewahrt Aufzeichnungen über UFO-Sichtungen der Baslerin Louise Zinsstag auf, und an der amerikanischen Elite-Uni Harvard arbeiten Professor Avi Loeb und ein grosses Team mit eigenen Observatorien und selbstentwickelter KI daran, UFOs zu finden und zu dokumentieren. Und dennoch: Bis hieb- und stichfeste Ergebnisse vorliegen, bleiben UFOs vor allem eins: unbekannt.

Schlamassel

Nach dem Segen trinkt das Brautpaar einen Schluck Wein aus einem Becher; so will es der jüdische Hochzeitsbrauch. Der Becher wird danach in ein Tuch gehüllt, der Bräutigam tritt darauf, und die Gäste rufen «Masel tov!». Das Zertreten des Glases soll dabei an die Eroberung von Jerusalem und die Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. erinnern. Auf Jiddisch heisst der Glückwunsch Masel tov, auf Hebräisch Mazal tov. Beides bedeutet frei übersetzt «viel Glück» oder «gutes Gelingen». Das Wort «Massel», laut Duden der Ausdruck für unverdientes, unerwartetes Glück, ist schliesslich auch ins Deutsche eingewandert.

Und doch liegt es auf der Hand, dass man im Leben nicht immer nur Massel haben kann. Wenn man also gehörig Pech hat, dann ist das auf Jiddisch ein schlimasl, Unglück. Das Wort schlimasl, so steht es im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm zu lesen,

entstammt der jüdischen Gaunersprache, sein zweiter Theil entspricht dem jüdischen mazal, Glücksstern, das als Masel, Massel in der Gaunersprache gebräuchlich ist.

Aus diesem jiddischen schlimasl und vielleicht auch in Verbindung mit dem Adjektiv «schlimm» ist im 18. Jh. in Deutschland der Schlamassel geworden (und in Österreich die «Schlimastik»), der Ort also, in dem wir immer dann stecken, wenn wir in einer schwierigen, verfahrenen Lage sind – oder, um’s mit demselben jiddischen Wort zu sagen: wenn wir etwas gehörig vermasselt haben.

Scheisstag

Die feudalen Zeiten waren hart. Von Hauspersonal und Landarbeiterinnen wurde quasi rund um die Uhr Dienst erwartet, was allerdings allein schon aus biologischen Gründen unmöglich war: Wenn das Personal seine Notdurft verrichtete, stand es dem Dienstherrn notgedrungen eine Weile nicht zur Verfügung.

Gegen Ende des Jahres pflegten Bauern daher nachzurechnen, wie viel Zeit ihre Bediensteten insgesamt auf dem stillen Örtchen verbracht hatten. Übers ganze Jahr gesehen kam so einiges zusammen, und wenn das Arbeitsleben zwischen Weihnacht und Neujahr zum Stillstand kam, mussten Mägde und Knechte diese verpasste Zeit nachholen. Darüber waren sie nicht sonderlich erfreut – und in der Namensgebung wenig zimperlich:

Scheißtage nennt das Gesinde in Bayern die 1–3 Tage, welche sie über den eigentlichen Termin hinaus in dem Hause, das sie verlassen wollen, noch im Dienste bleiben, gleichsam um die während ihres Dienstes durch Erledigung des Bedürfnisses verlorene Zeit dem Dienstherrn wieder einzubringen.

So steht es im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm.

Solche «Scheisstage» gab es nicht nur in Bayern, und sie waren, je nach Gegend, nach Lichtmess abzuleisten, also nach dem 2. Februar, meist aber am 29. Dezember, bei ganz besonders geizigen Dienstherren auch am 31. Dezember. So feierte das findige Personal Silvester halt schon einen Tag früher, und deshalb, so will es die Legende, heisst der 30. Dezember auch «Bauernsilvester».

Zahlen, gerade

Gott erfreut sich ungerader Zahlen,

schreibt der römische Dichter Vergil in einem seiner Hirtengedichte. Es erzählt von Amaryllis, die von ihrem Daphnis verlassen worden ist und nun einen Liebeszauber anwendet, der den Geliebten wieder zu ihr zurückbringen soll – sie knüpft drei Knoten in buntes Tuch, weil sie weiss: Die Zahl drei ist ungerade, und das freut den Liebesgott Amor.

Gerade Zahlen sind ganze Zahlen, die sich ohne Rest durch zwei teilen lassen; bei ungeraden Zahlen bleibt immer 1 übrig. Was Zahlen aber mit einer Geraden zu tun haben, das erschliesst sich erst aus der Sprachgeschichte. Im Gotischen hiess «Zahl» rathjo. «Zählen» hiess garathian, ein Wort, das irgendwann mit dem Adjektiv «gerade» verschmolz und im 15. Jh. den Weg in die Mathematik fand. Gerade Zahlen waren also sozusagen zum Zählen da. Und an diese Wortgeschichte erinnert noch immer die Redensart «fünfe gerade sein lassen», ein Appell, es nicht immer ganz so genau zu nehmen.

Das gotische rathjo kommt ursprünglich von der lateinischen ratio, auf Deutsch «Vernunft». Und hier schliesst sich der Kreis: Die Mathematik kennt nämlich nicht nur gerade und ungerade Zahlen, sondern auch die sogenannt «rationalen Zahlen». Darunter versteht man alle ganzen Zahlen, positiv und negativ, aber auch alle Bruchzahlen. Rationale Zahlen sind also 0, 1, 2, 3 usw., dazu -1, -2, -3 usw, und ebenso Zahlen wie 1/3 oder -0,2.

Übrigens: Der Liebeszauber der Amaryllis mit den drei Knoten – eine ungerade, natürliche Zahl – bringt den geliebten Daphnis am Ende tatsächlich zurück.