Butterfield, Stewart

Es war 1999, da hatte der damals 26-jährige Philosoph Stewart Butterfield eine Wut im Bauch. Es war die Zeit, als man die Bytes noch einzeln durch die Leitung rieseln hörte, und Butterfield wartete mal wieder endlos auf das Laden einer Webseite. Ursache der epischen Ladezeiten war die immer schlampigere Internetprogrammierung, die immer schnellere Verbindungen erzwang, die wiederum noch schlampigeres Programmieren zuliessen. Ein Teufelskreis. Also schrieb Butterfield zusammen mit Freund Eric Costello einen Wettbewerb für gute Webseiten aus – welchen Inhalts, war egal. Hauptsache, sie wogen weniger als 5 Kilobytes. Das ist ungefähr die Datenmenge maschinengeschriebenen A4-Seite. Unmöglich? Weit gefehlt: Unter den Einsendungen fanden sich ein funktionsfähiges Schachspiel oder das kleinste Kunstmuseum der Welt.

Drei Jahre später, 2002, folgte Butterfields nächster Streich: ein noch nie dagewesenes Onlinegame, in dem die Spieler virtuelle Landschaften erkunden und miteinander chatten konnten. Das Game war noch in der Testphase, da fiel Butterfield auf, dass die Spieler vor allem eigene Fotos hochluden, um sie anderen zu zeigen. Butterfield roch Lunte, legte das Game auf Eis und entwickelte www.flickr.com. Flickr ist heute die wichtigste Foto-Plattform der Welt, mit mehr als 5 Milliarden hochgeladenen Bildern und Videos.

Nachdem er Flickr für geschätzte 35 Millionen Dollar an Yahoo verkauft hatte, begann sich der Flickr-Chef zu langweilen. Und heute, da Google, Facebook & Co. vollauf damit beschäftigt sind, immer noch grösser zu werden, fängt Butterfield mal wieder von vorn an. Sein liegen gebliebenes Game heisst ironisch «Glitch» – auf Deutsch Fehler oder Panne – und wird demnächst fertig. Vom Programmierer und Philosophen Stewart Butterfield wird noch so einiges zu hören sein.

CD

Die CD, obgleich im Zeitalter von mp3 und Internet schon oft totgesagt, ist nicht mehr wegzudenken. Allein 2007 wurden 450 Millionen Musik-CDs verkauft. Aneinandergereiht, würden sie eineinhalbmal rund um den Globus reichen.

Die silberne Scheibe hat eine erstaunliche Geschichte. Erfunden wurde die CD von zwei Konzernen: von Philips und von Sony. Beide forschten sie an Möglichkeiten herum, Bild und Ton digital aufzuzeichnen, und beide stiessen sie auf dasselbe Problem: Geplant war eine Laserdisc von 30 Zentimetern Durchmesser, ähnlich einer Schallplatte. Nur: Würde man diese Platte für Ton nutzen, fänden darauf über 13 Stunden Musik Platz. Sony war klar, dass dies die Musikindustrie auf den Kopf stellen würde. Also besann man sich auf das Erfolgsprodukt der Tonträgerindustrie: die Musikkassette. Die hatte eine Diagonale von 11,5 Zentimetern, und diesen Durchmesser sollte auch die neue CD haben.

Dabei gab es aber ein Problem. Der für das Projekt verantwortliche Sony-Vizepräsident Norio Ohga war ausgebildeter Opernsänger und glühender Verehrer Beethovens: Er verlangte, die neue CD sollte dessen neunte Sinfonie fassen können. Nur, welche Neunte genau? Die Techniker waren ratlos und hielten sich daher an die längste Aufnahme, die sie finden konnten – jene von Wilhelm Furtwängler vom 29. Juli 1951 in Bayreuth. Die dauerte, ohne Applaus, etwas mehr als 74 Minuten. Das aber hiess einen halben Zentimeter mehr, und so messen unsere CDs heute genau 12 Zentimeter.

Dichtung und Wahrheit, schrieb Goethe, und se non è vero è ben trovato, sagen die Italiener: Wenn’s denn schon nicht wahr ist, so ist’s wenigstens gut erfunden. In dieser Zeit der Schlagzeilen und News sind gut erzählte Geschichten allemal etwas wert.

Cellophan

Das Sandwich, das appetitlich in der Auslage prangt, ist, wie es sich gehört, säuberlich in transparente Folie gehüllt. Womit wir zufrieden von dannen ziehen, ist also Brot, Beilage – und ein Viertelquadratmeter Cellophan. Und das ist ein kleines Wunder.

Cellophan fühlt sich wie Plastik an, ist es aber nicht. Cellophan – das Wort kommt vom Rohstoff Cellulose und dem griechisch-französischen diaphane, «durchsichtig» – wird vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. (Der Name übrigens ist, wie so oft, nur ein Markenname. Der Chemiker spricht von Cellulosehydrat – oder kurz von «Zellglas».) Und weil es eben kein Kunst-, sondern ein Naturstoff ist, lässt sich Cellophan sogar kompostieren; wer reines, unbeschichtetes Cellophan lieber ins Altpapier legt, liegt auch nicht falsch. Staunenswert ist allerdings nicht die bequeme Entsorgung, sondern vor allem eine chemische Eigenschaft. Cellophan alias Zellglas ist nämlich wasserdicht, doch Dampf lässt es passieren. Kondenswasser, etwa vom gewaschenen Salat, kann also durch die Folie hindurch verdunsten, und das Sandwich bleibt knusprig und frisch.

Den Wunderstoff erfunden hat ein Schweizer. Jacques Edwin Brandenberger war eine Art Wunderkind der Chemie, als er nach einem Studium an der Universität Bern und mit nur 22 Jahren seinen Doktortitel erwarb – summa cum laude, versteht sich. 1908 erfand er in Frankreich jene dünne, durchsichtige, nicht besonders elastische Folie, die er «Cellophan» nannte und die ihm bis zu seinem Tod 1954 ein beachtliches Vermögen eintragen sollte.

Aber Achtung: Längst nicht jede transparente Folie besteht aus Zellglas – oft genug ist es eine billigere Plastikfolie. Für Süssigkeiten aber, für Gebäck, Käse und Fleisch bleibt Cellophan bis heute die erste Wahl.

Chopper

Dennis Hopper, Peter Fonda und die amerikanische Rockband «Steppenwolf» haben ihm im Road Movie «Easy Rider» ein Denkmal gesetzt: dem Chopper mit seiner flachen Vordergabel und dem vielen Chrom. Allein schon die Bemalung des Tanks reichte aus, um den Fahrer zum natürlichen Feind jeder bürgerlichen Ordnung werden zu lassen. Das Thema des Films, das Schmuggeln von Kokain, tat da wenig, um dieses Image zu korrigieren.

Chopper – das kommt von «to chop», hauen, hacken, wegschneiden. Das war, in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, durchaus wörtlich gemeint. Bei Kriegsende sass die US-Army auf 90 000 Motorrädern, von Harley-Davidson für den Kampfeinsatz gebaut, und in Friedenszeiten zu nichts mehr nütze.

Die gut erhaltenen Maschinen mit ihren 23 PS und ihrem Hubraum von 740 Kubikzentimetern wurden oft von Veteranen gekauft, die ihr im Krieg gelerntes Mechanikerhandwerk weiterpflegen wollten. Weil die Bikes aber schwer und hässlich waren, griffen die Bastler als erstes zum Schweissbrenner und schnitten alles weg, was nicht zwingend nötig war: Windschutzscheibe, Radabdeckungen, Munitionsbehälter, Gewehrtasche, Scheinwerfer und sogar die Rückspiegel, die man keck durch winzige Spiegelchen ersetze, die nicht selten aus einer Zahnarztpraxis stammten. Die Chopper: das waren nicht die Bikes, sondern vielmehr die Bastler.

Ihre radikal umgebauten Maschinen, einst ausrangiertes Kriegsgerät, gerieten zum Kult. Heute ist der rider nicht mehr ganz so easy: Eine zum Chopper umgebaute Harley, wie sie Dennis Hopper 1969 gefahren war, kostet ein kleines Vermögen.

Cloud computing

Fast, lieber Reinhard Mey: Wirklich grenzenlos ist die Freiheit nicht über, sondern vielmehr in den Wolken. Vor allem dann, wenn es um die Freiheit geht, mit Daten und mit Programmen zu hantieren, wo immer man gerade ist. Cloud computing nennt sich das. Und es ist, kurz gesagt, das Arbeiten am Computer mit Daten aus dem Netz.

Kaum jemand, der das noch nie erlebt hat: Die Festplatte macht keinen Mucks mehr, und die letzte Datensicherung datiert vom Mittelalter. Briefe, Bilder, Programme – alles weg. Dagegen hilft Fluchen (für die Seelenhygiene), ein neuer PC (für die Arbeit), nur gegen den Datenverlust ist kein Kraut gewachsen. Es sei denn, die lägen in den Wolken des Web.

Cloud computing kann bedeuten, dass man für E-Mail nur noch web-basierte Dienste nutzt wie Hotmail, GMX oder Google Mail, die gleichzeitig Mailprogramm und den nötigen Speicherplatz zur Verfügung stellen – kostenlos. Oder auch das Anbieten von Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenablage durch Google, multi-user-fähig und ebenfalls gratis. Der heimische Computer treibt dabei nur noch den Web-Browser an.

Vorteil: Die Software up-to-date zu halten, ist Sache des Anbieters, man spart Geld und Speicherplatz, und mögliche Computerabstürze bleiben folgenlos. Nachteil: Daten und Dienste lassen sich nur nutzen, wenn man online ist, Anbieter können Bankrott gehen, und namentlich Google wertet E-Mails aus, um kontextabhängige Werbung zu verkaufen.

In der Wolke muss die Freiheit der Daten wohl grenzenlos sein. Nur ist sie auch da nicht ganz ohne Schattenseiten.