Freemium

Gratis kostet nichts? Quatsch. «Gratis» ist tatsächlich das bauernschlaueste Geschäftsmodell der Welt. Wer eine Gratis-App herunterlädt, will bald mehr Funktionen haben und bezahlt die teure Vollversion. Wer sein Handy gratis bekommt, bezahlt jahrelang die hohen Gebühren.

Auf Neudeutsch heisst das Modell «Freemium», von englisch free, «gratis», und premium. «Freemium» gibt’s in vielen Varianten: Das Programm oder der Dienst ist zwar unzweifelhaft gratis. Aber nur für Studenten. Oder nur 30 Tage lang. Oder mit zuwenig Speicher. Oder mit fehlenden Optionen. Oder ohne Support. Oder, ganz besonders nett, der Nachbar hat’s gratis bekommen, doch danach war leider Schluss.

Das Geschäftsmodell namens «Freemium» treibt bunte Blüten. Die jüngste Knospe sind die sogenannten «In-App-Käufe»: Das Handyspiel macht süchtig, wird aber immer schwieriger – und am Ende so vertrackt, dass man irgendwann steckenbleibt. Es sei denn, man kaufe sich zusätzliche Züge oder am besten gleich zusätzliche Leben. Für nur einen Dollar. Pro Mal, versteht sich.

Das erfolgreichste dieser Freemium-Games heisst «Candy Crush», ein Puzzlespiel mit kitschigen, knallbunten Bonbons, das täglich von bis zu 100 Millionen Menschen gespielt wird. Es stammt vom Londoner Unternehmen King Digital Entertainment, das mit «Candy Crush» zeitweise eine Dreiviertelmillion Dollar einnahm – pro Tag. Heute beschäftigt King 1500 Angestellte und macht einen Jahresumsatz von weit über 2 Milliarden Dollar. Das Geschäftsmodell namens «Freemium» ist der Goldesel des Digitalzeitalters.

Gadget

Ob Smartphone oder Smartwatch: Das Gadget ist so etwas wie der Feuerstein des modernen Menschen. Smart sind wir bekanntlich alle, und ohne gehen wir nie dem Haus. Die begehrtesten stammen aus dem Hause Apple, doch obwohl wir Äpfel reif und saftig mögen, ist es bei Gadgets genau andersrum: Die grünsten sind die besten, und die fettesten Schlagzeilen gibt es, wenn sie noch gar nicht geerntet sind.

Das Wort «Gadget» dagegen hat Jahrhunderte auf dem Buckel. Schon um 1850 war es Teil der Seemannssprache und stand für irgendwas, dessen Namen man vergessen hatte. Zum ersten Mal schwarz auf weiss steht es in einem Reisebericht des Forschers Robert Brown von 1886:

Und dann die Namen all der Dinge auf einem Schiff! Ich kenne noch nicht mal die Hälfte davon! Sogar die Matrosen vergessen sie ab und zu; und wenn ihnen der Name für ein Ding gerade nicht einfällt, dann nennen sie es auf Englisch «chicken-fixing», «gill-guy», «timmey-noggy», «wim-wom» oder «gadjet».

Auf Deutsch ist das Gadget also einfach ein «Dings». Immer wieder liest man, es komme von einem New Yorker Souvenir, einer Mini-Freiheitsstatue, die von der Firma Gaget, Gauthier & Cie produziert wurde. Sprachforscher dagegen glauben, es stamme vom französischen gâchette ab, einem Allzweckwort, das Auslöser einer Kamera, Abzug einer Waffe oder Mechanismus eines Türschlosses bedeutet.

Damit schliesst sich der Kreis: Das Gadget, das wir alle in der Tasche tragen, hat einen Auslöser, mit dem wir Fotos schiessen, und abgeschlossen ist es auch, mit einem Riegel namens Passwort.

Ghettoblaster

JVC RC-M90 oder Sharp GF-777: Sie waren die ungekrönten Könige der späten 1970-er und der 1980-er Jahre. Sie waren mit Tragegriff versehene Hi-Fi-Anlagen der Sonderklasse: 10 bis 15 Kilo schwer und mit bis zu 100 Watt Leistung, und sie pflegten Batterien zu fressen wie Kühe Gras. Mit ihrer Soundgewalt vermochten sie ganze Strassenzüge leerzufegen; nicht umsonst nannte man sie auf Englisch boombox oder ghetto blaster – von Englisch to blast, «in die Luft jagen». Tragbar waren sie mit Einschränkungen – mit mehr oder weniger elegantem Schwung pflegte sich der breaker die koffergrossen Kraftwerke auf die Schulter zu wuchten, um anschliessend mit rhythmischem Hüftschwung die hämmernden Bässe durchs Viertel zu tragen.

Ghettoblaster
Der Ghettoblaster war in den USA nicht nur Musikmaschine, sondern Programm. In den Vierteln sozial benachteiligter Schichten wurde der Ghettoblaster rasch zum Instrument einer Strassenkultur, die sich «Hip-hop» nannte und die eigentliche music battles auszutragen pflegte, Breakdance-Duelle, bei denen die b-boys genannten Tänzer gegeneinander antraten, sich zu Boden fallen liessen, um dort mit atemberaubend akrobatischen Drehungen und Sprüngen ihrem Protest lautstark Ausdruck zu geben.

Die «Rock Steady Crew», 1977 in der New Yorker Bronx entstanden, war eine dieser Gruppen. Ihre Tanzakrobaten mit Fantasienamen wie «Crazy Legs» oder «Frosty Freeze» trugen dazu bei, dass aus dem New Yorker Hip-Hop eine weltweite Bewegung wurde – und die Soundmaschine namens Ghettoblaster zum Statussymbol.

Gif

Als die Bilder auch im Internet laufen lernten, zeigten sie etwa einen emsig schaufelnden Arbeiter und darunter die Worte «Site in construction» oder ein sich drehendes @-Zeichen, darunter «Für E-Mail hier klicken». Mit solchen bewegten Bildchen pflegten die Webmaster der ersten Stunde ihre Seiten zu dekorieren wie der Zuckerbäcker seine Torten. Was heute als Merkmal grässlichen Designs gilt, ist tatsächlich eine geniale Erfindung, die älter ist als das Web.

Am Anfang war das Internet schwarzweiss. Um das zu ändern, gab der Onlinedienst Compuserve 1987 dem Ingenieur Steve Wilhite den Auftrag, ein Farbformat zu entwickeln. Zusammen mit seinem Team schaffte Wilhite die Quadratur des Kreises: Ihr neues Format hiess «Gif» für Graphics Interchange Format. Es konnte 256 Farben speichern und sogar transparent sein, und trotzdem erzeugte es nur eine geringe Datenmenge. Der Clou aber war: Ein Gif kann beliebig viele Einzelbilder speichern, die es dann genau so abspielt wie in alten Zeiten das Daumenkino.

Die neuen Gifs waren sparsam und damit ideal für das Schneckentempo der damaligen Datenverbindungen. Dass die Bildqualität dürftig blieb, spielte noch keine sonderlich grosse Rolle. Denn Gifs konnten Fotos und Symbole zum Leben erwecken, und so war ihr Siegeszug quasi vorprogrammiert.

Das Schwarzweissfoto eines Grammophons, auf dem sich lautlos eine Platte dreht; das Stilleben, dessen Kerzenflamme erkennbar flackert – «Gif Art», diese Fotokunst in Endlosschlaufen, ist zu einer Form der Popkultur geworden, deren Werke sich viral im Netz verbreiten.

Goldberg, Rube

Reuben Lucius Goldberg, Jahrgang 1883, war Ingenieur mit Abschluss an der University of California in Berkeley. Seine wahre Leidenschaft aber galt dem Zeichnen, zuerst als Cartoonist in San Francisco, später in New York. Für seine politischen Karikaturen in der «New York Sun» erhielt Rube Goldberg 1948 den Pulitzer-Preis. Seine bekannteste Figur aber ist Professor Lucifer Gorgonzola Butts, und der ist über die Massen komisch. In diesem Comic kommen immer wieder die kompliziertesten Maschinen zur Bewältigung der einfachsten Aufgaben vor. Diese hier erklärte Goldberg in einem Film von 1940 gleich selbst:

Kellner setzt Katze B auf den Geschirrstapel A. Katze B sieht ausgestopfte Maus C. Katze springt auf Maus und betätigt damit Hebel D, der brennende Kerze E an Zündschnur F hält, worauf Bombe G explodiert, was ganz sanft Tür H öffnet.

Unsinnige Apparate wie dieser Türöffner machten die nach ihrem Zeichner benannten «Rube-Goldberg-Maschinen» zum Inbegriff unnötig komplizierter Technik.

Goldbergs detailverliebte Mechanismen erinnern an Patentschriften, und sie ziehen Nerds bis heute in ihren Bann. Auf Youtube versuchen sich Rube-Goldberg-Tüftler gegenseitig zu überbieten, mit Hunderten komplexester Konstruktionen mit Kugeln und schiefen Bahnen, Rädern und Hebeln, Glaskolben und Bunsenbrennern, ja selbst Kaninchen und Goldhamstern, die nach minutenlanger Arbeit am Ende nichts anderes vollbringen als etwa das Umblättern einer Zeitung. Rube Goldberg und sein verrückter Comicprofessor hätten ihre helle Freude daran.