Zeitangaben an der Uni waren keine einfache Sache. Im Vorlesungsverzeichnis waren zwar Ort und Uhrzeit angegeben, zum Beispiel 9 Uhr. Nur hiess das eben nicht 9.00 Uhr, sondern vielmehr 9.15 – eine alte akademische Tradition, das sogenannte «akademische Viertel». Und das ging auf die Gründung der ersten Universitäten im Mittelalter zurück. Dozenten unterrichteten nicht auf einem Campus, sondern in ihren Wohnhäusern, die über die ganze Stadt verteilt waren. So bürgerte sich die Regel ein, dass eine Vorlesung spätestens zur vollen Stunde endete und die nächste eine Viertelstunde später begann. Das gab den Studenten Zeit für den Fussweg.
In alten Verzeichnissen hiess das akademische Viertel auf Lateinisch cum tempore, abgekürzt «c. t.» und auf Deutsch «mit Zeit». Um das Ganze noch komplizierter zu machen, gab es auch die Zeitangabe magno cum tempore, «m. c. t.», eine halbe Stunde später; in seltenen Fällen sogar maximo cum tempore, «mm. c. t.», eine Dreiviertelstunde später. Sine tempore dagegen, wörtlich «ohne Zeit», hiess sinngemäss «genau zur vollen Stunde».
Das akademische Viertel ist aus der Mode gekommen; an der Uni Zürich etwa wurde es im Wintersemester 2006/2007 abgeschafft. Heute heisst 9 Uhr meistens tatsächlich neun Uhr. Um allerdings nach dieser jahrhundertelangen Zeitenverwirrung Klarheit zu schaffen, sagt man dann zur Sicherheit und auf Englisch «9 Uhr sharp».