Metronom

Mit dem Takt ist es so eine Sache: Lange Zeit war Musik entweder zu schnell oder zu langsam. Das änderte sich erst 1696, als der Musiker Étienne Loulié in Paris seinen «Chronomètre» entwarf, ein an der Wand hängendes Brett mit einer Skala und einem Fadenpendel mit Bleigewicht. Je nach Länge schlug das Pendel schneller oder langsamer aus. Dieses erste Metronom war zwar noch stumm, aber es erfüllte seinen Zweck.

Ludwig van Beethoven, Antonio Salieri und anderen war das allerdings nicht genau genug. Deshalb dachte sich 1815 der Instrumentenbauer Johann Nepomuk Mälzel das Metronom aus, das wir heute noch kennen: Eine aufziehbare Feder sollte, wie bei einer Uhr, das Pendel in Schwung halten. Mälzel suchte Rat bei einem deutschen Automatenbauer, der einen Prototypen konstruierte. Zurück in Paris, fügte Mälzel eine Skala hinzu und liess sein Metronom in grossen Stückzahlen anfertigen. Doch dann geriet die Geschichte aus dem Takt: Nach einem jahrelangen, wüsten Patentstreit wurde Mälzel die Urheberschaft wieder aberkannt. Sein Name hielt sich trotzdem: Noch heute tragen Partituren nach dem Tempowert die Abkürzung «MM», für «Mälzels Metronom».

Mechanische Metronome geben heute bei jedem Ausschlag ein vernehmliches Klacken von sich. Dieser Sound ist naturgemäss etwas eintönig, doch das hinderte den ungarischen Komponisten György Ligeti nicht daran, ein «Poème symphonique» für 100 Metronome zu schreiben. Alle werden bis zum Anschlag aufgezogen, auf verschiedene Tempi eingestellt und gleichzeitig gestartet – bis die anfängliche Kakophonie, nach 6 oder 7 Minuten, mit einem letzten «Klack» erstirbt.

Migros-Wagen

Im Sommer 1925 tauchen in Zürich Flugblätter auf: «Migros – der fahrende Laden: An die intelligente Frau, die rechnen kann». Verfasser ist der Unternehmer Gottlieb Duttweiler. An seinem 37. Geburtstag, dem 15. August 1925, hat er mit einem Startkapital von 100 000 Franken die Migros AG gegründet – Geschäftsidee: Waren in grossen Mengen einkaufen, Zwischenhandel umgehen, Lagerkosten niedrig halten, minimale Margen einbehalten. Und vor allem: Der Laden soll zu den Kundinnen, nicht umgekehrt. Also beschafft Duttweiler fünf «Ford T»-Lastwagen, belädt sie mit Kaffee, Reis, Zucker, Teigwaren, Kokosfett und Seife und lässt sie an 178 Haltestellen in der Stadt Zürich Halt machen. Ein Kilo Nudeln etwa kostet 95 Rappen, viel weniger als bei der Konkurrenz.

Die Klapperkisten sind eine Sensation, auch wenn sich die junge Migros anfangs kaum über Wasser halten kann. Jeder Gewinnfranken wird sofort wieder investiert, und im Migros-Wagen einzukaufen, hat etwas Anrüchiges. Die angestammten Händler fürchten um ihre Pfründe und versuchen, die Migros in Misskredit zu bringen. Nicht selten versammeln sich erzürnte Gegner auf dem Dorfplatz und blockieren die Wagen; oft rückt gar die Polizei an, um Schlimmeres zu verhindern.

Doch Duttweilers Idee setzt sich durch. Schon ein Jahr später sind es 48 Migros-Wagen, und mehr als 80 Jahre lang gehören sie zum Schweizer Strassenbild – bis zum 30. November 2007, als im Wallis die letzten beiden Wagen ihre Runde machen. So ist die Migros endgültig sesshaft und zu einem der grössten Schweizer Unternehmen geworden.

Nelson, Horatio

Horatio Nelson war krank, oft und heftig – Zeit seines Lebens litt Englands berühmtester Admiral ausgerechnet an der Seekrankheit.

Und doch sollte die See seine Heimat werden. Sohn eines Reverend, lernte er schon als Bub segeln, und mit nur 12 Jahren heuerte er wie viele andere bei der Royal Navy an, nicht als Bootsjunge, sondern – weil sein erster Kapitän ein Onkel war – gleich als Midshipman und damit Offiziersanwärter. Nelsons offenkundiges Talent und die Protektion seines Onkels waren die steife Brise in den Segeln seiner Karriere.

Die Klippen waren gesundheitlicher Natur. Einmal zwang die Malaria Nelson von Bord, später das Gelbfieber, schliesslich Holzsplitter, die sich beim Treffer einer französischen Festungskanone in sein rechtes Auge gebohrt hatten, am Ende eine spanische Musketenkugel, die eine Amputation seines rechten Arms nötig machte.

Dennoch kletterte Nelson die Wanten von Militär und Adel hoch, wurde Vizeadmiral und Graf, als königlicher Dank für eine ganze Reihe gewonnener Gefechte.

Seine letzte, vier Stunden dauernde Seeschlacht schlug Nelson 1805 an Bord seines Flaggschiffs «HMS Victory» am Kap Trafalgar. Überragender Taktiker, der er war, brachte er den vereinigten Flotten Frankreichs und Spaniens eine vernichtende Niederlage bei. Auf Deck von einem französischen Scharfschützen getroffen, starb der Admiral, kurz nachdem man ihm von seinem überwältigenden Sieg berichtet hatte.

Damit der Leichnam nicht zerfiel, wurde Nelson in einem vollen Brandyfass nach London zurückgebracht. Sein Grab liegt in der St. Pauls Cathedral, sein Denkmal am Trafalgar Square, sein Schiff im Trockendock in Portsmouth. Unter Deck: noch immer das geschichtsträchtige Fass.

Oechsle, Ferdinand

Ferdinand Oechsles erste Liebe war das Gold. Als «Grossherzoglich-badischer Goldkontrolleur» wusste er: Goldschmiedearbeit ist Feinarbeit, und so fand Oechsle zu seiner zweiten Liebe, der Präzisionsmechanik. 1810 hatte er in Pforzheim eine Werkstatt eröffnet, in der er Waagen herstellte – von der mächtigen Brückenwaage für ganze Fuhrwerke bis hin zur Goldwaage.

Oechsle liebte nicht nur Gold und Präzision, sondern auch den Wein. Guten Wein. Ihm war klar, dass der Zuckergehalt der Trauben zwar nicht das einzige, aber doch ein wichtiges Qualitätskriterium des späteren Weins ist.

Wenn man nun den Zuckergehalt des Mostes messen könnte, müsste es doch möglich sein, die Entwicklung des auszubauenden Weins besser vorauszusehen

– und damit auch dessen Qualität, überlegte er und wurde zum Erfinder. Zusammen mit seinem Sohn Christian Ludwig schickte er sich an, die damals gebräuchlichen Mostwaagen zu verbessern. Die bestanden im Wesentlichen aus einem mit Gewichten versehenen Glaszylinder. Der Winzer liess das Glas in den Most hinab, und je süsser der Traubensaft war, desto weniger tief sank das Glas ein. Denn Zucker ist schwerer als Wasser, und je zuckerhaltiger der Most, desto höher seine Tragfähigkeit. Um das genaue Mostgewicht zu ermitteln, wurde der Zylinder solange mit Gewichten beschwert, bis er ganz in den Most eingetaucht war – das kostete Zeit, war ungenau und ziemlich klebrig obendrein. Oechsle versah das Gerät mit einer genauen Skala, so dass sich das Mostgewicht ganz einfach anhand der Eintauchtiefe ablesen liess. Die Skala teilte er in hundert Grad – Grade, die bis heute Oechsles Namen tragen.

Pastorius, Jaco

Vor 35 Jahren erschien in den USA Party Down, eine Platte mit Rhythm ’n‘ Blues. Unter einem Pseudonym, und nur für einen einzigen Track, spielte da zum allerersten Mal der Bassist John Francis Pastorius. Und der wusste schon damals: I am the best bass player in the world. Das war eine Tragödie. Denn Jaco, wie ihn der Jazz nennt, war tatsächlich der grösste Bass-Spieler der Welt. An sich, an seiner Kunst und an seinem Anspruch sollte er zerbrechen – an Drogen und Alkohol, bis er, erst 36 und sternhagelvoll, in Fort Lauderdale und im Streit mit einem Türsteher buchstäblich erschlagen wurde.

Jaco Pastorius, Jahrgang 1951, war Sohn eines Jazzschlagzeugers und begann ebenfalls an den Drums. Ein gebrochenes Handgelenk – Jaco war begeisterter Sportfan – zwang ihn an ein anderes Instrument: an den Elektrobass, aus dem er mit einem Buttermesser kurzerhand die Bünde herausbrach, die Fugen mit Kitt füllte und das Griffbrett mit Bootslack überzog. Dieser Fretless-Bass war viel schwerer zu spielen, aber wo‘s für andere Bassisten nachgerade unmöglich wurde, fing der Autodidakt Jaco gerade erst an.

Jaco Pastorius war ein Komet von einem Musiker, sein Leben eine Flugbahn. Den Jazzbass hat Jaco gleichsam neu erfunden. Zuvor war der vor allem Begleitinstrument gewesen, quasi der basso continuo des Jazz. Bis Jaco kam. Der machte den Bass zum Soloinstrument, und das mit einer geradezu wütenden Virtuosität.

Jacos Soloalbum von 1976 trug den sehr selbstbewussten Titel: «Jaco Pastorius». Sowas konnte sich nur ein Schnösel leisten, der auf den ersten Ton klar machte: Hier spielt niemand anderes als der grösste Bassist der Welt.