Kalauer

Kalauer sind alle Buchstaben von A bis J – weil sie alle auf das K lauern.

Ein mehr oder weniger geistreiches Wortspiel mit unterschiedlichen Bedeutungen nennt man «Kalauer». Über ihren Witz lässt sich trefflich streiten – tatsächlich sind Kalauer oft platt. Mehr noch: Sie sind gerade deshalb witzig, weil sie schlechte Witze sind – ganz nach dem Motto: Je Flachwitz, desto Kalauer.

Seinen Ursprung hat der Kalauer in calembour, dem französischen Wort für «fauler Witz». Die sprichwörtliche Berliner Schnauze machte daraus unseren heutigen «Kalauer», nach dem Vorbild der 100 Kilometer südlich gelegenen, für ihre tüchtigen Schuster bekannten Kleinstadt Calau (früher mit K, heute mit C geschrieben). Die Berliner Schnauze, das war vor allem der jüdische Satiriker Elias Levy, der nach seiner Taufe mit neun den Namen Ernst Dohm annahm. Dohm studierte Theologie und Philosophie und wurde Chefredakteur des «Kladderadatsch», einer von 1848 bis 1944 erschienenen Satirezeitung, die für ihre bissige Satire ebenso berühmt wie berüchtigt war und die unter Dohms Leitung zu einer der einflussreichsten Zeitschriften Deutschlands wurde. Dohm pflegte seinen Urlaub in Calau zu verbringen, und von da schickte er seine oft derben Witze in die Redaktion, die stets mit der Formel begannen: «Aus Kalau wird berichtet…».

Heute wird gekalauert, was das Zeug hält: Dohms Flachwitzen sollte ein langes Leben beschieden sein. Genau wie diesem hier, der noch heute auf dem Witzerundgang in der Stadt Calau zu lesen steht:

Sagt der Arzt zum Künstler: «Sie sind kerngesund. Sie werden noch sehr lange leben.» Darauf der Künstler erschrocken: «Aber Herr Doktor, wovon denn?»

Katalog

Das Wort «Katalog» kommt vom griechischen kata légein, «hersagen» oder «aufzählen». Genau das ist es, was einst der Zettelkasten tat (und was heute Datenbanken tun). Der Katalog ist mindestens so alt wie die Bibliothek, und die wiederum geht auf das mouseîon der alten Griechen zurück, eine Mischung aus Tempel, Museum, Universität und Bibliothek. Auch hier müssen schon Kataloge bei der Suche nach bestimmten Schriftrollen geholfen haben, selbst wenn vom grössten dieser Museen, der legendären Bibliothek von Alexandria, kein Fitzelchen übriggeblieben ist.

Ähnlich ging es einer der grössten Bibliotheken der Renaissance, jener des Hernando Colón, eines unehelichen Sohnes von Christoph Kolumbus. Colón hatte den Ehrgeiz, die Leistungen seines berühmten Vaters noch zu übertreffen – nicht mit Expeditionen, sondern mit der grössten Universalbibliothek seiner Zeit. 15 000 Werke soll die Sammlung einmal umfasst haben; Rechtsstreitigkeiten liessen sie nach Colóns Tod 1539 auf weniger als die Hälfte schrumpfen. Sie kann als «Biblioteca Colombina» in Sevilla heute noch konsultiert werden.

Colón und seine eigens dafür angestellten Bibliothekare waren ehrgeizig und ungemein fähig. Vor wenigen Monaten erst wurde in Dänemark ein Buch entdeckt mit dem Titel «Libro de los epitomes» – Colóns 2000 Seiten starker, säuberlich von Hand geschriebener Bibliothekskatalog, der jedes einzelne der Bücher verzeichnet, einschliesslich einer präzisen Zusammenfassung des Inhalts. Und weil so viele Bände verschwunden sind, enthält Colóns gross angelegter Katalog heute die letzten Spuren von Wissen, das ohne ihn gänzlich verloren wäre.

Ketzer

Von den Ketzern sagt man, dass sie den Hintern von Katzen küssen, damit ihnen in deren Gestalt Luzifer erscheine.

Dies schreibt im 12. Jahrhundert der französische Theologe Alain de Lille. Dass «Ketzer» von «Katze» kommt, war dabei ebenso kreuzfalsch wie die bösartige Unterstellung, dass die Andersgläubigen den Teufel anbeteten. Denn das Wort «Ketzer» kommt vom den Katharern, von griechisch katharoi, «die Reinen». Der Katharismus war eine mächtige religiöse Laienbewegung, die vom 12. bis zu ihrem Untergang im 14. Jahrhundert vor allem in Südfrankreich glühende Anhänger fand. Eine ihrer Hochburgen war die Stadt Albi, weshalb die Katharer auch Albigenser genannt wurden.

Sie selbst nannten sich «veri christiani» oder «bonshommes», «die wahren Christen» und «gute Menschen». Die Katharer glaubten an eine strikte Zweiteilung der Welt, in eine von Gott geschaffene, ewige, spirituelle Welt und eine materielle, von Verfall gezeichnete, die vom Teufel beherrscht wird. Sie waren Asketen: Die Strenggläubigen, Männer und Frauen, die dem inneren Kreis angehörten und «perfecti» oder «perfectae» genannt wurden, führten ein entbehrungsreiches Leben – vegetarische Kost, keine Sexualität, keine Ehe.

Die zentrale Schrift der Katharer war das Johannesevangelium, das alte Testament lehnten sie als Beschreibung eines bösartigen Schöpfergottes ab. Und sie besassen ihre eigene Hierarchie. Damit zogen sie den Zorn der römisch-katholischen Kirche auf sich. 1179 wurden sie offiziell exkommuniziert, und dreissig Jahre später begann der Albigenserkreuzzug, ein Massaker im Namen der Inquisition. Die mächtigen Katharerfestungen wurden belagert, eine um die andere eingenommen, die Gläubigen zu Tausenden hingemetzelt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Khipu

Eine Schrift aus lauter Knoten: Die alten Inkas knüpften Botschaften in Schnüre aus Tierhaar, die sogenannten «Khipus». «Khipu» heisst wörtlich «Knoten», und ein «Khipu» sieht aus wie ein fächerförmiger Halsschmuck. Es besteht aus einer Hauptschnur, von der Dutzende von Nebenschnüren herabhängen, auf denen feine Knoten sitzen.

Bis heute wurden rund 800 «Khipus» gefunden, viele davon sind hervorragend erhalten. Die ältesten stammen von südamerikanischen Völkern des 7. Jh. n. Chr.; die meisten von den Inka, die vom 12. bis ins 16. Jh. ein Gebiet beherrschten, das von Equador über Peru und Bolivien bis nach Chile und Argentinien reichte.

Die Knoten waren keine Schrift für jedermann: Nur besonders ausgebildete Beamte waren in der Lage, sie zu knüpfen und zu lesen. «Khipus» waren denn auch eine Art Akten: 2016 wurde in Bolivien ein Lagerhaus aus dem 16. Jh. entdeckt, zusammen mit 29 Khipus, deren Knoten Zahlen bedeuten, die die gelagerte Menge an Erdnüssen, Chilis, Bohnen oder Mais festhielten. An einigen Stellen waren die Knoten aufgelöst, um bei Änderungen wieder neu geknüpft zu werden. Andere Khipus halten Steuern und geschuldete Arbeitsleistungen fest; ein ganz besonderes Khipu ist ein Kalender des Inkajahres 1532/33, mit 12 Mondmonaten plus einer Schnur mit 10 eingeschobenen Schalttagen.

Noch aufwändigere Khipus dienten dem Schriftverkehr: Ihre unterschiedlich gezwirnten und gefärbten Schnüre mit noch komplexeren Knoten bilden eine Silbenschrift für Briefe und Erzählungen. Diese Schrift allerdings lässt sich, im Gegensatz zu den Zahlenknoten, bis heute nicht entziffern.

Klicken

Der Sound des Digitalzeitalters ist das Klicken der Maus, mit der wir uns vor 35 Jahren zuerst über den Bildschirm des Apple Macintosh bewegten und bis heute durchs World Wide Web. Und doch ist das Klicken uralt: Geklickt wird seit Jahrhunderten, und ursprünglich bedeutete das Wort «mit einem klickenden Laut brechen».

wer die süssen mandeln will geniessen, der muss die schälen klicken,

schrieb 1630 der Stadtschreiber von Speyer und Schriftsteller Christoph Lehmann. Folgerichtig wurden im 17. Jahrhundert nicht nur Nüsse und Eier zerklickt, sondern auch weniger Appetitliches wie Flöhe oder Läuse.

«Klicken», hält das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm fest, «ist das Schwesterwort zu klacken, klecken». Das Prinzip dahinter nennt die Sprachwissenschaft onomatopoeia, auf Deutsch «Lautmalerei» – «klicken» ahmt dabei einen hellen Laut nach, «klacken» einen dunkleren, ähnlich wie bei «klipp» und «klapp», «schnipp» und «schnapp». Solche Klangwörter sind womöglich die sprachgeschichtlich ursprünglichsten überhaupt – Lautmalerei ist denn auch ein wichtiger Teil der Kindersprache und hat sich in neuerer Zeit stark in Comics verbreitet, in der Pop Art und in Chats.

«Klicken» für das Geräusch der Computermaus brauchte seine Zeit: Als in den 80er-Jahren die ersten Computermäuse auftauchten, sprachen Fachleute noch von «tippen» oder «drücken». Doch bald erwies sich «klicken» als so sinnfällig, dass wir heute selbst da noch klicken, wo gar kein Klick mehr zu hören ist: auf dem Handybildschirm.