Hallo

«Hallo» ist ein sperriges Wort. Seine aufgesetzte Freundlichkeit wirkt immer ein bisschen anbiedernd, tapsig, plump. Und zu allem Übel klingt «hallo» immer ein bisschen nach Fremdwort. Doch gerade das ist falsch.

Der Wild- und Rheingraf stiess ins Horn:
Halloh, halloh, zu Fuss und Ross!

So dichtete Gottfried August Bürger im Sturm und Drang des 18. Jahrhunderts. Sogar unsere gesteigerte Fröhlichkeit namens «hallihallo» ist nachweislich uralt. So trällert ein altes deutsches Handwerkerlied:

Die Arbeit macht ihm Freude.
In Saffian und Seide
Bindt er die Bücher ein.
Halli hallo halli hallo!
Buchbinder sind stets froh.

Was wir uns im Büro in vollendeter Kumpelhaftigkeit zurufen, geht sogar bis in althochdeutsche Zeiten zurück. Der Ursprung ist das Verb halôn, «holen» oder «herbeirufen». Mit hola wurden im Mittelalter Bedienstete herbeizitiert oder der Fährmann vom anderen Flussufer herbeigerufen. Und als Substantiv bedeutet das Hallo seit jeher den Lärm, das Geschrei oder Getümmel.

Auch heute noch hat der Zuruf mehr Bedeutungen, als uns manchmal lieb sein kann: Vordergründig ein freundlicher Gruss im Vorbeigehen, lautet der peinliche Subtext nur allzu oft: «Ach, wie ist mir das peinlich, dass mir dein Name schon wieder entfallen ist».

Hamburger

Ein Brötchen, in zwei Hälften geschnitten, dazwischen ein Hacksteak, Ketchup, Zwiebeln: Fertig ist der Hamburger. Von einem Gericht zu sprechen, ist arg übertrieben: Das Sandwich namens Hamburger ist so simpel, dass sich ein eigentlicher Erfinder kaum mehr ausmachen lässt.

Sogar der Name liegt im Dunkeln. Dass er von der Hansestadt abstammt, liegt auf der Hand. Bloss wie genau? Die einen sagen, dass der Hamburger ein Kind jenes Snacks ist, der in Norddeutschland «Rundstück warm» heisst. Ein Rundstück ist ein Weizenbrötchen, in der Mitte steckt ein Stück Braten. Andere wollen wissen, dass der Hamburger – als Frikadelle zwischen zwei Brotscheiben – 1847 auf den Schiffen der Hamburg-Amerika-Linie zur Welt kam.

Vielleicht ist die Sache aber auch noch komplizierter: 1885 kam es auf dem Jahrmarkt der von deutschen Auswanderern gegründeten Stadt Hamburg im US-Bundesstaat New York zu einer verhängnisvollen Panne. Die beiden Brüder Frank und Charles Menches, Besitzer einer Imbissbude, hatten den Appetit der Besucher unterschätzt. Als das Schweinefleisch für die warmen Sandwiches alle war, musste ganz rasch Nachschub her – und auf die Schnelle gab es nur gehacktes Rind. Die Brüder klemmten unverzagt das Rindfleisch zwischen die Brotscheiben, und fertig war der Ur-Hamburger.

Ob der nun tatsächlich aus dem amerikanischen Hamburg stammt, bleibt umstritten. Immerhin: 2003 schlug der Tierschützer Joe Haptas allen Ernstes vor, die Stadt umzubenennen, von «Hamburg» in «Veggieburg». Ohne Erfolg – Hamburg blieb Hamburg.

Handschuhehe

1490 sollte die dreizehnjährige Anna von Bretagne mit dem deutschen Kronprinzen Maximilian verheiratet werden. Staatsgeschäfte hielten den Bräutigam aber davon ab, nach Rennes zu reisen, und so schickte er einen Gesandten, der vor versammeltem Hof ein Bein bis zum Knie entblösste und es in das Prunkbett schob, in dem die Prinzessin lag und so tat, als würde sie schlafen. Damit galt die Ehe symbolisch als geschlossen.

Eine Adelshochzeit war in Europa stets auch eine Allianz zwischen Mächten, und eine Ehe entschied oft genug über Krieg oder Frieden. Weil eine Hochzeit aber wochenlanges Reisen voraussetzte, dachten sich die Habsburger eine Art Stellvertreterhochzeit aus, die sogenannte Handschuhehe. Die heisst so, weil der Diplomat als Zeichen seines Auftrags einen Handschuh des abwesenden Bräutigams zu überreichen pflegte. Für eine solche Stellvertreterhochzeit gab es unterschiedliche Protokolle. So konnte es, als andere Variante, auch sein, dass sich der Gesandte in voller Rüstung neben die prachtvoll gekleidete Braut legte, dazwischen lag aus Gründen der Sittlichkeit ein blankes Schwert.

In einzelnen Staaten Südeuropas, Südamerikas und verschiedenen US-Bundesstaaten sind Handschuhehen bis heute möglich, doch in den meisten Rechtsordnungen sind sie ausgeschlossen. Eigentlich hatten sie immer schon ihre Tücken. Weil Maximilians und Annas Ehe nie vollzogen wurde, und weil die Verbindung den Interessen des französischen Königs zuwiderlief, wurde die Hochzeit auf massiven Druck hin schon ein Jahr später vom Papst wieder annulliert.

Helveticus

Lieber junger Freund!,

so beginnt das Vorwort:

Wenn die Schulstunden beendet und die Aufgaben erledigt sind, beginnt der Teil des Tages, der dir gehört. Jetzt kannst du dich frohen Herzens nach eigener Neigung unterhalten, sei es mit Spiel und Sport, sei es mit einer interessanten Liebhaberei.

Es sind die ersten Zeilen der ersten Ausgabe von «Helveticus», jenem in Leinen gebundenen, gut 300 Seiten starken urschweizerischen Jugendbuch.

Dieser erste Band erschien im Kriegsjahr 1941 im Berner Hallwag-Verlag, und mit Jugend waren ausschliesslich Buben, mit Spiel Belehrung gemeint.

Blättere im Helveticus und schon hast du etwas gefunden, was dich fesselt und an dem du Freude hast. Diese Seiten wurden eigens für euch, junge Freunde, von Leuten geschrieben, die eure Wünsche und Neigungen kennen und genau wissen, an was für Dingen und Beschäftigungen ihr euch begeistern könnt. Der Helveticus wird dir sicher zu einem guten Kameraden werden, der dich unterhält und mit vielseitigen Anregungen deine Freizeit interessant auszufüllen vermag.

Trotz dieser schulmeisterlich kreidestaubigen Einleitung war der fortan im Jahresrhythmus erscheinende «Helveticus» der Renner der Schulbibliothek: mit Beiträgen wie «Hat es überhaupt Pfahlbauer gegeben?», «Die Beduinen Arabiens» und, unangefochtener Höhepunkt des jeweiligen Bandes, mit minutiösen Bastelanleitungen für ein Hygrometer mit Drahtzeiger und Frauenhaar oder – Gipfel der Bastlerträume – gar ein Teleskop mit handgeschliffenem Hohlspiegel.

Bubenträume mögen heute «Playstation» heissen oder «World of Warcraft», doch bis zum allerletzten Band im Jahr 1988 hiessen sie «Helveticus».

Herrlich, dämlich

Was eine rechte Feministin ist, hat es immer schon gewusst: Die Unterdrückung der Frau in einer Welt der Männer hinterlässt Spuren – im Gemüt und in der Sprache. Herren sind herrlich, Damen einfach dämlich. Über den Einfluss von Sprache auf Denken und Handeln wurden schon ganze Bibliotheken geschrieben. In diesem Fall allerdings zu Unrecht. Denn «herrlich» hat mit Männern ebensowenig zu tun wie «dämlich» mit Frauen.

«Herrlich» kommt vom althochdeutschen hêr, das «glänzend» und «hervorragend» hiess. «Hehr» kommt heute etwas gar pathetisch daher, was unter anderem am Schweizerpsalm liegt, wonach «Gott im hehren Vaterland» wohnen soll. Schon früh wurde «hehr» allerdings mit den Herren der Schöpfung in Verbindung gebracht, weshalb sich Betonung und Schreibweise fälschlicherweise an «Herr» angeglichen haben.

«Dämlich» auf der anderen Seite stammt von einem heute vergessenen Verb ab, das dämeln und noch früher temelen hiess und «schlaftrunken sein» oder «taumeln» bedeutete, aber auch «dummes Zeug faseln», «sich albern benehmen» oder «nicht ganz bei Sinnen sein». Der Ursprung von «dämlich» ist Jahrtausende alt und geht allein schon deshalb nicht auf «Dame» zurück, weil die von der lateinischen domina abstammt und erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Deutschen ankam. Dass es nicht männlicher Chauvinismus war, der Dämlichkeit den Damen zuschrieb, zeigt sich am «Dämlack». Der ist erzdämlich – und ein Mann.

Luise F. Pusch übrigens, Feministin und Sprachforscherin, empfiehlt allen «dämlich» gescholtenen Frauen, eifrig zuzustimmen: Na klar doch! Herren sind herrlich, Damen dämlich, Winzer winzig und ihr Wein zum Weinen.