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Flipperkasten

Der Flipperkasten hat eine Sprungfeder, mit der sich der Ball nach oben schiessen lässt, die «Flipper», die ihn im Spiel halten sollen, und einen gefrässigen Münzschlitz, der das Taschengeld ganzer Generationen aufzufressen pflegte. Und vor allem hat der Flipperautomat eine Geschichte, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Der Vorfahr des Flipperkastens war ein Zeitvertreib des französischen Adels und hiess «Bagatelle». Das war ein geneigtes Brett mit Holzstiften, auf dem der mit einem Queue gestossene Ball in Löcher mit möglichst hohen Punktzahlen befördert wurde. «Bagatelle» war ein Riesenerfolg, und französische Soldaten brachten das Spiel mit nach Amerika. Spätere Spiele wiesen erste Sprungfederkatapulte, sogenannte plungers, und statt Holzstöpseln Nägel auf, weshalb der heutige Flipperkasten auf Englisch pinball heisst. Die 1930er-Jahre brachten die ersten elektrischen Münzautomaten mit den charakteristischen bumpers, ein Jahrzehnt später kamen die elektromechanischen Paddel und Zähler dazu. Meist in der Mafiastadt Chicago hergestellt, wurden die Automaten so beliebt, dass New York City und andere Städte im Zweiten Weltkrieg das Flippern verboten und die Automaten mit Vorschlaghämmern zerschlagen liessen, weil sie angeblich Schulkindern das Geld aus der Tasche zogen und ihre Herstellung wertvolle, kriegswichtige Metalle vergeudete. Allein, es half nichts: In den Siebzigerjahren wurde der technisch immer weiter perfektionierte Flipper zur Spiel-Ikone.

Die alten Automaten sind heute begehrte Sammlerobjekte, und als Handyspielchen für zwischendurch gibt’s «Pinball» als App.

Dunning-Kruger-Effekt

Das Problem mit dummen Menschen ist, dass sie keine Ahnung haben, wie dumm sie wirklich sind.

Der bitterböse Sketch des britischen Komikers John Cleese ist tatsächlich ein Ergebnis wissenschaftlicher Forschung. David Dunning, Professor für Sozialpsychologie und ein Freund von Cleese, schrieb 1999 zusammen mit seinem Kollegen Justin Kruger an der Cornell University ein anfänglich kaum beachtetes Papier. Es zeigte, dass Schwierigkeiten, die eigene Inkompetenz zu erkennen, zu einer überhöhten Selbsteinschätzung führen. Dunning und Kruger wiesen nach, dass Menschen mit spezifischen Schwächen – etwa beim Lesen, Autofahren oder Schach – dazu neigen, ihr eigenes Können zu überschätzen, während sie gleichzeitig das der anderen unterschätzen. Diesen «Dunning-Kruger-Effekt», wie das Phänomen heute heisst, beschreibt Dunning so:

Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist. Die Fähigkeiten, die wir brauchen, um die Lösung eines Problems zu finden, sind genau die selben Fähigkeiten, die nötig wären, um die gefundene Lösung als richtig zu erkennen. Wir sind nicht so gut darin, zu wissen, was wir nicht wissen.

Auf die Spur gebracht hatte die Forscher ein Banküberfall: Der Bankräuber McArthur Wheeler in Pittsburgh hatte keine Maske getragen und war von Überwachungskameras gefilmt worden. Die Bilder kamen in den Nachrichten, und keine Stunde später wurde Wheeler verhaftet. Mit den Videos konfrontiert, murmelte der verblüffte Räuber: «Aber ich war doch voller Saft!» Er hatte felsenfest geglaubt, dass sein mit Zitronensaft eingeriebenes Gesicht für Kameras unsichtbar sei. Was nicht ganz den Tatsachen entsprach.

Tinte

Die schlechteste Tinte ist besser als das beste Gedächtnis,

sagt ein chinesisches Sprichwort. Tatsächlich wurde in China und Ägypten schon im 3. Jahrtausend v. Chr. mit Russtinte geschrieben; der römische Architekt und Ingenieur Vitruv beschreibt, wie der dazu nötige Russ in eigens dafür gebauten Öfen gewonnen wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Name: «Tinte» kommt vom lateinischen Ausdruck aqua tincta, «gefärbtes Wasser» und wurde lange mit «c», also «Tincte» geschrieben.

Schon in der Antike war Tinte nicht gleich Tinte: Bei der Herstellung von Gallustinte etwa wurden als erstes Galläpfel gewonnen, eine Wucherung auf der Unterseite von Eichenblättern. Nach dem Abkochen mit Eisensulfat und der Zugabe von Gummi arabicum und Wasser entstand eine Tinte, die ganz besonders beständig war und noch heute als «dokumentenechte» Tinte verwendet wird. Daneben gab es auch Tinten mit dem Farbstoff aus Tintenfischen, solche, die nur langsam eintrockneten und die Feder nicht so schnell verstopften, Farbtinten aus unterschiedlichsten Pigmenten, Dufttinten mit ätherischen Ölen, Geheimtinten, die nur durch Erwärmen des Papiers sichtbar wurden, und für ganz besondere Manuskripte entstanden im Mittelalter sogar Gold- und Silbertinten.

Das Tintenfass ist heute Vergangenheit, doch ohne Tinte geht’s auch heute nicht. Kugelschreibertinte muss wischfest sein und eine extreme Deckkraft besitzen, so dass eine Mine für Hunderte von Seiten reicht. Und Druckertinte muss in Sekundenbruchteilen trocknen und sich beliebig mischen lassen, so dass aus drei Grundfarben unendlich viele Farbtöne dargestellt werden können. Aus dem Kulturgut Tinte ist ein High-Tech-Produkt geworden.

Salinist

Der Mann hiess Carl Christian Friedrich Glenck, war Unternehmer und «Salinist», das heisst, sein Beruf war das Bohren nach Salz.

Ursprünglich hatte Glenck Jura studiert. Doch Mineralogie und Geologie waren spannender, und so schrieb er sich an einer sächsischen Bergbauakademie ein. Später, als Beamter am Hof eines preussischen Fürsten, begann Glenck mit Bohrungen zur Erkundung von Salzlagern – ab 1820 dehnte er seine Suche auf die Schweiz aus.

Glenck bohrte überall – unter anderem in den Kantonen Bern, Wallis, Zürich, jedes Mal ohne Erfolg. Bis er am 30. Mai 1836 bei Muttenz fündig wurde: In 130 Metern Tiefe stiess Glenck auf eine massive, 6 Meter dicke Schicht aus Steinsalz.

Salz nennt man auch das weisse Gold, denn es ist lebensnotwendig: Im Körper eines erwachsenen Menschen zirkulieren bis zu 300 Gramm Salz; etwa 20 Gramm davon werden täglich ausgeschieden. Seit jeher war die Schweiz auf Salzimporte aus den Nachbarländern und aus dem Mittelmeerraum angewiesen. Und so war der Salzfund in Muttenz ein Coup: Auf einen Schlag wurde die Schweiz zur Selbstversorgerin. Gewiefter Geschäftsmann, der er war, gründete Glenck die «Saline Schweizerhalle», die schon kurze Zeit später mit der industriellen Salzgewinnung begann. Heute produzieren die vereinigten Schweizer Salinen mit ihren Abbaustätten in Baselland, Aargau und der Waadt bis zu 600 000 Tonnen Salz pro Jahr.

Hyperbel

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel: Die Hyperbel ist eine extreme, unglaubwürdige, oft unmögliche Übertreibung. Eine Alltagshyperbel ist, wenn wir todmüde sind oder ewig auf den Bus warten; eine dichterische, wenn der Schneidergeselle bei Heinrich Heine «ein niedlicher, kleiner junger Mensch» ist, «so dünn, dass die Sterne durchschimmern konnten». Eine derart ins Absurde geführte Übertreibung dient dazu, das Aussergewöhnliche zu betonen.

Die Hyperbel ist eine wirkungsvolle Form der Rhetorik und damit der Kunst. Im alten Griechenland zählte die Rhetorik (zusammen mit Grammatik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) zu den sieben freien Künsten, also der idealen Bildung, nach der ein freier Mann strebte. Denn wem es gelang, vor Gericht oder auf dem Forum Menschen zu überzeugen, der hatte Macht.

Deshalb ist die Hyperbel auch die Lieblingsform von Werbung und Politik. Wenn ein Rasierer für das Beste im Mann gedacht ist oder ein Getränk Flügel verleiht, mag die Hyperbel noch vor allem Augenzwinkern sein. In der Politik dagegen will sie oft diffamieren. In der Hitze des Gefechts sind soziale Anliegen bald «linksradikal» und «kommunistisch», konservative dagegen «totalitär» und «faschistisch»; Vorschriften, aus welcher Ecke sie auch kommen mögen, «Diktatur».

Dabei ginge es auch anders. Die kleine Schwester der Hyperbel ist nämlich die Untertreibung, das britische understatement. Zur Lage der Nation meinte Winston Churchill 1914, nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges:

Business as usual, währenddem sich die Karte von Europa etwas verändert hat.