Archiv für das Jahr: 2014

Hellebarde

Die Hellebarde ist ein fürchterliches Gerät. Sie hat eine kurze, aber breite Klinge, die an eine Axt erinnert, und dazu an der Spitze eine messerscharfe Stossklinge. Der hölzerne Schaft ist bis zu zwei Meter lang und achteckig, damit sich die Hellebarde beim Hieb nicht seitlich wegdreht.

So schwer die Waffe, so sperrig das Wort. Es kommt von helm, Mittelhochdeutsch für «Stiel», und von barte für «Beil». Am Anfang noch in der Form eines langen Messers, richtet dieses neuartige «Stangenbeil» 1315 in der Schlacht am Morgarten zwischen den Eidgenossen und den Habsburgern wahre Verheerungen an. Der Mönch und Chronist Johannes von Winterthur schreibt:

Die Schweizer hatten auch in den Händen gewisse Mordwaffen, Spiessbeile, in selbiger Volkssprache genannt Helmbarte, sehr schreckliche, mit denen sie die noch so stark bewaffneten Gegner wie mit einem Schermesser zerteilten und in Stücke zusammenhieben.

Wenig später wird die Hellebarde zum eigentlichen Kriegsmaterial-Exportschlager. 1656 ziehen die progressiven, reformierten Städte Zürich und Bern gegen die konservativ-katholischen Landorte in den Krieg – und erleiden im ersten Villmergerkrieg eine schmähliche Niederlage. Danach gehen schweren Stangenwaffen in Serie, insbesondere für die Berner und Zürcher, die ihre unterlegenen Truppen tüchtig aufrüsten.

Bis heute steht die Hellebarde als Ordonnanzwaffe im Dienst: Sie zählt, neben Maschinenpistolen und Sturmgewehren, noch immer zur offiziellen Ausrüstung der päpstlichen Schweizergarde im Vatikan.

Razzia

Grosseinsatz der Polizei, Waffen und Drogen beschlagnahmt, Mafiosi in Haft. Und wieder berichten die Medien über eine erfolgreiche Razzia. Ein sperriges Wort: «Razzia» kommt aus dem Arabischen und bedeutet ursprünglich «Schlacht» oder «Raubzug».

Streng genommen war die Razzia bei den Beduinen eine Sache der Gesetzesbrecher, nicht seiner Hüter. Wenn nach einer winterlichen Dürre oder einer Viehseuche die Kamele verendeten und der Proviant knapp wurde, unternahmen Krieger kurze Überfälle auf feindliche Sippen oder Stämme. Sofern eine solche Razzia nicht im Schutz der Nacht geschah und nach bestimmten Regeln ablief, galt sie nicht als ehrenrührig, ganz im Gegenteil: Den Moralvorstellungen der Wüste zufolge waren solche Razzien gleichsam sportliche Wettkämpfe, deren Teilnehmer Blutvergiessen nach Möglichkeit vermieden und deren Preis die Beute war. Sogar die Feldzüge des Propheten Mohammed auf der arabischen Halbinsel werden vom muslimischen Geschichtsschreiber Ibn Ishaq im 8. Jh. als غزوة, als «Beutezug», bezeichnet.

1830 begann die Kolonialmacht Frankreich mit der Eroberung Algeriens, und so hielt die Razzia Einzug ins militärische Vokabular, als Begriff für blutige Vergeltungsschläge gegen aufrührerische Berberstämme, die von einem grossarabischen Reich träumten und die französischen Soldaten mit Waffengewalt aus Algerien vertreiben wollten.

Wüstenkodex und Kolonialismus sind Geschichte. Heute gehört die Razzia nur noch in den Polizeijargon – und in die vermischten Meldungen.

Münze

Das Wort «Münze» kommt aus dem Lateinischen. Doch mit Geld hatte es zu Beginn weniger zu tun als mit Göttersagen. Auf der östlichen Kuppe des römischen Kapitols, der sogenannten «Burg», befand sich seit dem Jahr 344 v. Chr. ein der Göttin Juno geweihter Tempel. Juno, die Gattin von Chefgott Jupiter, wurde von den Römern als Schirmherrin der Stadt verehrt, als Göttin für Geburt und Ehe – und sie trug den Beinamen Iuno moneta, «Juno, die Mahnerin». Wie dieser Beiname moneta zu unserer Münze wurde, erzählt der Chronist Titus Livius so:

An der Stelle des neuen Juno-Tempels hatte zuvor ein älteres Heiligtum gestanden, in dem Gänse gehalten worden waren, denn das heilige Tier der Juno war die Gans. Als im Jahr 387 v. Chr. Gallier in die Stadt einfielen, schlich sich ein Trupp auf einem schmalen Pfad hoch aufs Kapitol. Die wachsamen Vögel schlugen mit lautem Schnattern und Flügelschlagen Alarm. Die Verteidiger, in deutlicher Unterzahl, begannen zu verhandeln und bewegten die Gallier schliesslich zum Abzug, gegen die Zahlung von 1000 Pfund Gold. Weil die Schutzpatronin Juno mit ihren heiligen Gänsen den Fall des Kapitols verhindert hatte, nannte man sie fortan «Mahnerin» oder «Warnerin».

Im späteren, gut befestigten Tempel befand sich eine grosse Münzstätte. Die hier geprägten Münzen trugen das Bild der Iuno moneta, und der Beiname wurde mit der Zeit zum Inbegriff des Geldes. Als «Münze» oder «Moneten» wurde das Wort im Deutschen heimisch, als die germanischen Könige das römische Münzwesen übernahmen – und mit ihm auch den Namen der kunstvoll geprägten Geldstücke mit ihrer sagenhaften Vergangenheit.

Rechenmaschine

Um es mit Karl Valentin zu sagen: Rechnen ist schön, macht aber viel Arbeit. Und tatsächlich erfindet der Mensch technische Hilfsmittel, seit er rechnen kann. Schon vor 3000 Jahren wurde in China der Abakus gebaut, jener patente Zählrahmen mit den aufgereihten Holzperlen, mit dem fingerfertige Händler in Sekundenschnelle addierten und subtrahierten und dessen Gebrauch in russischen Schulen noch bis in die Neunzigerjahre gelehrt wurde. Im 17. Jahrhundert konstruierten Mathematiker wie der Franzose Blaise Pascal oder der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibniz die ersten mechanischen Rechenmaschinen, die addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren konnten und von denen einzelne Modelle bis heute erhalten sind.

In den 1940-er Jahren entwickelte der Österreicher Curt Herzstark den ersten mechanischen Taschenrechner namens «Curta». Er hat die Form einer kleinen Konservendose, wird über eine Reihe von Schiebereglern und Kurbeln bedient und kann selbst Dreisatzrechnen und Wurzeln ziehen. 140 000 «Curtas» wurden bis 1970 in Liechtenstein produziert. Und im selben Jahr schliesslich kam mit dem Canon Pocketronic der erste elektronische Taschenrechner auf den Markt, mit zwölf Stellen und den vier Grundoperationen, zum Preis von umgerechnet 2400 Dollar.

Neuer, kleiner, leistungsfähiger: Diese Formel allerdings ist falsch. Der erste mechanische Computer der Geschichte berechnete Sonnen- und Mondkalender, Tag- und Nachtgleichen und die Umlaufbahnen von fünf Planeten. Dieser sogenannte Mechanismus von Antikythera, möglicherweise gebaut vom griechischen Mathematiker Archimedes von Syrakus, stammt aus dem 1. Jahrhundert vor Christus.

Tauschhandel

Tausche Beeren gegen Brennholz: Tauschhandel war das ökonomische Prinzip der Steinzeit. Es leuchtete allen ein: Man produzierte, was man am besten konnte – Getreide, Brot, Wolle, Faustkeile. Und davon immer ein bisschen mehr, so dass man überschüssige Ware gegen Dinge eintauschen konnte, die man gerade brauchte.

Nur: Tauschhandel hat einen gewichtigen Nachteil. Wie misst man Wert? Wieviele Kaninchen kostet ein Bärenfell? Wer handelte, musste ein kompliziertes Umrechnungssystem im Kopf haben, vom Umstand einmal abgesehen, dass sich Kaninchen schlecht aufbewahren liessen, weil sie mit der Zeit streng zu riechen begannen.

So erfanden die Händler der Urzeit Werteinheiten, sogenanntes Primitivgeld wie etwa Tierzähne oder Muscheln. Dieses Urgeld hatte drei Zwecke: Es war Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Wertmassstab. Damit konnte man zahlen, sparen und bewerten, so dass sich das Bärenfell auf einmal präzise in Kaninchen umrechnen liess. Im Grunde konnte jedes Gut zu Geld werden – die Bedingung war nur, dass erstens alle es akzeptierten, zweitens in seinen Wert vertrauten und dass es davon drittens weder zuviel noch zuwenig gab: Gold und Silber, mit der Zeit Papier– und schliesslich gar virtuelles Geld.

Doch allen Bitcoins zum Trotz: Steinzeitgeschäfte gibt es immer noch. Firmen tauschen Dienstleistungen aus, von denen alle Beteiligten profitieren und die am Ende mit Rechnung und Gegenrechnung belegt werden, die auf genau denselben Betrag lauten, so dass keinerlei Bargeld fliessen muss. Das nennt man dann englisch bartering – auf Deutsch nichts anderes als «Tauschhandel».