Salat

Wenn Matrosen zu Kolumbus‘ Zeiten mit von Skorbut blutigem Zahnfleisch auf altem Pökelfleisch herumkauten, dann assen sie genau genommen Salat. Das Wort kommt nämlich vom latainischen salata, insalata – Gesalzenes, in Salz Eingelegtes. Salat war also ursprünglich die Speise und nicht die Pflanze.

Salat
Salat
Weil zu allen Zeiten das Haltbarmachen von Speisen an erster Stelle stand und die Salzkonservierung ein erprobtes Verfahren war, erfreute sich das Einsalzen namentlich in den Städten grosser Beliebtheit:

deszgleichen köhl, grünskraut und solat
fressen sie als gern in der statt.

So dichtete Jacob Ayrer im 16. Jahrhundert. Da galt das Wort bereits gesalzenem Salatgemüse an Essig und Öl.

Gemischten Salat, wie wir ihn heute essen, haben zwar schon die Römer und vor ihnen die Babylonier gemocht. Dem Mittelalter aber galt rohes Grünzeug als Hort von Krankheit und Seuche, und so wurde der Salat vorsichtshalber gründlich gekocht. Wagemutige wie die Schottenkönigin Maria Stuart, die gekochten Sellerie liebte, auf Salatblättern an einer sämigen Senfsauce mit Trüffeln, Kerbel und Ei, blieben die Ausnahme. Anno 1699 versuchte der passionierte Gärtner John Evelyn in seinem Buch «Acetaria: A Discourse on Sallets», den Briten den Salat schmackhaft zu machen – vergeblich. Die britische Küche blieb skeptisch und sott weiter.

Im Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts waren Salate längst gang und gäbe; das skeptische Europa aber traute sich erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts so richtig ans rohe Grün heran. Heute ist die Schweiz bekehrt: Laut Bundesamt für Statistik essen vier von fünf Personen täglich frisches Gemüse oder Salat.

Salbe

Salbungsvoll, so hoffen wir, wenn uns ein Leiden plagt, ist der Apotheker: Er hält die Salbe bereit, die uns Linderung verschafft. Salbe, diese halbfeste Masse auf der Basis von Fett, enthält Wirkstoffe, die – weil der Fettfilm lange auf der Haut haftet – über längere Zeit hinweg freigesetzt werden und so Muskelkater oder Ausschläge wirksam lindern.

Gesalbt wird seit Jahrtausenden: Als Grundsubstanz diente Schweine- oder Gänseschmalz, Wollfett und, wenn auch erst seit 1859, die vom amerikanischen Chemiker Robert Chesebrough entdeckte Vaseline. Die fand sich als lästiger Rückstand auf den Bohrstangen der Ölförderanlagen von Titusville, Pennsylvania, und pflegte die Pumpen zu verstopfen. Andererseits hatten die Ölarbeiter herausgefunden, dass Brandwunden sehr viel besser heilten, wenn man sie mit der schmierigen Masse bestrich. Chesebrough analysierte, extrahierte – und stellte 1870 die erste reine Vaseline her, die er petroleum jelly, «Erdöl-Gel», nannte.

Salbungsvoll, so stellen wir am Sonntag in der Kirche fest, ist auch der Pfarrer. Und auch er kann dabei auf Jahrtausende zurückblicken: Das lateinische christus geht auf das noch ältere griechische christós zurück, dem Partizip von chríein, «salben, mit Salbe bestreichen». Mit Christus war ursprünglich also nicht die Person Jesu gemeint, sondern vielmehr seine Eigenschaft als mit kostbarem Öl Gesalbter.

«Salben» konnte im Lauf der Zeit gar mancherlei bedeuten: die Haut mit Duftstoffen einreiben, ein quietschendes Scharnier schmieren, Lederzeug einfetten, jemandem eine Tracht Prügel verabreichen, einen Leichnam einbalsamieren, weihen, sich rituell waschen – und selbst das blanke Gegenteil: sich schmutzig machen.

Am wichtigsten war dem Menschen aber zu allen Zeiten die Salbe als Heilmittel. Wie sagt doch ein iranisches Sprichwort:

Das Beste, was man vom Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut.

Schweizer-Käse-Modell

Irren ist menschlich, und wir alle machen Fehler. Daher verfügen komplexe Systeme wie Flugzeuge, Kliniken oder Kraftwerke über ein ganzes Arsenal von Schutzmechanismen, Alarmen, Barrieren oder Abschaltvorrichtungen. Diese Vorkehrungen sind in Schichten angelegt, so dass ein Fehler in einer Schicht spätestens von der nächsten aufgefangen wird. Im Jahr 2000 untersuchte der britische Psychologe James Reason eine ganze Reihe von Untersuchungsberichten, zum Atomunfall von Tschernobyl etwa, zur Giftgaskatastrophe von Bhopal oder der Explosion der Raumfähre «Challenger» – und erfand das «Schweizer-Käse-Modell».

«In einer idealen Welt ist jede Verteidigungsschicht intakt», schrieb Reason in seiner Studie. «In der Realität aber sind Sicherheitsmassnahmen eher wie Scheiben eines Schweizer Käses, die viele Löcher haben.» Reasons Metapher leuchtet ein: Jede einzelne Käsescheibe mag zwar da und dort ein Loch haben, aber kaum je an derselben Stelle wie die nächste. Und doch zeigt die Erfahrung, dass irgendwann irgendwo lauter Löcher übereinander zu liegen kommen und ein Fehler bis zur Katastrophe durchrutscht. Und zu verhindern, dass so etwas passiert, greifen Fachleute bei der Risikoanalyse bis heute zum «Schweizer-Käse-Modell». Sie suchen nach Löchern – zum Beispiel zu ähnliche Arzneimittelpackungen in der Spitalapotheke, die, wenn dicht an dicht gelagert, zu Verwechslungen führen können. Eine neue Käsescheibe kann vorsehen, dass die Medikamente anders verpackt und nicht mehr am selben Ort gelagert werden.

Shampoo

Georg IV war unbeliebt. Der britische König galt als Lebemann und Frauenheld, und seine Verschwendungssucht trug wenig dazu bei, seinen Ruf zu bessern. Obwohl stets knapp bei Kasse, liess King George 1815 im aufstrebenden Badeort Brighton den «Royal Pavilion» bauen, einen Palast, wie ihn England noch nie gesehen hatte – ein Prachtbau mit Säulenkolonnaden und Zwiebeltürmen im Stil indischer Maharadschapaläste, mit vergoldeten Möbeln, chinesischen Seidentapeten und einem tonnenschweren Kristalllüster in Form eines Drachen. Die oft viele Stunden langen Diners mit bis zu 100 Gängen hinterliessen ihre Spuren: King George trank zuviel, wurde fett, litt an Ödemen, Gicht und konnte sich am Ende nur noch in einem eigens für ihn konstruierten Rollstuhl fortbewegen. Das einzige, was half, waren Bäder und Massagen.

Der beste Masseur in Brighton war ein eingewanderter Bengale namens Sake Dean Mohammed. Mohammed, ein gewiefter Unternehmer, bot Dampfbäder und Massagen an, die er nach einem alten Hindi-Wort Shampoo nannte. Ein Shampoo war eine indische Kopfmassage mit pflanzlichen Pulvern oder Duftölen, und daraus machte Mohammed ein modernes Wellnessangebot für die oberen Zehntausend. Seine Shampoos erfreuten sich bald grosser Beliebtheit, allem voran bei King George höchstselbst, und bald verlieh der seinem Masseur den offiziellen Titel «Shampooing Surgeon of the King», Massage-Leibarzt des Königs. Erste Kosmetikhersteller entdeckten das verheissungsvolle Wort, und heute ist das Haarwaschmittel ganz selbstverständlich ein Shampoo.

Sirup

Sirup selber machen ist einfach: Früchte je nach Saison, mit etwas Wasser kochen, sieben, mit Zucker erneut aufkochen und heiss abfüllen – fertig ist der Sirup. Lagert man ihn kühl und dunkel, ist er monatelang haltbar.

Doch Sirup schmeckt nicht nur süss, er kann auch ein Medikament sein.

Was kranckheit ein mensch thuet peladen, dem kan ich helffn mit gottes gnaden durch ein sirob oder recebt, das seiner kranckheit widerstrebt, das der mensch wirt wider gesund,

dichtete im 16. Jh. der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs. Sirup als Arznei, bei Verdauungsbeschwerden oder gegen Husten, kennen wir heute noch.

Das Wort Sirup kommt vom mittellateinischen siropus, und das wiederum aus der arabischen Heilkunde. Im «Kanon der Medizin», dem über Jahrhunderte einflussreichen Werk des persischen Arztes Ibn Sina aus dem 11. Jh., spielt die Herstellung heilender Sirupe eine wichtige Rolle. Heute dagegen bezeichnet das arabische شراب («scharab») von Saft bis Wein so gut wie jedes Getränk.

Softdrinks haben dem althergebrachten Sirup längst den Rang abgelaufen. Und doch sind sie im Grunde nichts anderes: Fruchtsaft- oder anderes Konzentrat ist leicht und kostengünstig zu transportieren; für den Offenausschank muss der Sirup nur noch mit Wasser verdünnt und mit Kohlensäure versetzt werden – «Postmix» nennt man das Verfahren. Ob Fanta, Sprite, Pepsi oder Cola: Am Anfang war auch hier der Sirup.