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Parkett

Parkettböden, versiegelt oder geölt, sind zeitlos elegant und sehr beständig. Sie sind so alt wie die Architektur. Bei Steinböden nämlich zeigte sich oft ein Problem: Beim Fegen drang regelmässig Wasser durch die Fugen, was die tragenden Balken darunter morsch werden liess. Im Mittelalter waren daher unbehandelte Holzbohlen ein einfacher, robuster Zweckbelag.

Das änderte sich, als der französische König Louis XIV im Jahr 1677 das Schloss Versailles zum offiziellen Regierungssitz machte. Um den Hofstaat aufnehmen zu können, musste der Palast um- und ausgebaut werden. Den Boden des neuen Spiegelsaals liess Architekt Jules Hardouin-Mansart mit rautenförmigen Tafeln aus französischer Eiche belegen. Tatsächlich kommt «Parkett» vom Diminutiv von parc und bedeutete «abgetrennter Raum» oder «hölzerne Einfassung».

Die Herstellung der Tafeln war alles andere als trivial. Die Grösse der einzelnen Kassetten musste perfekt auf den 73 Meter langen und 10,5 Meter breiten Prunksaal und die an den beiden Enden gelegenen Salons abgestimmt werden. Eine erste Parketttafel wurde gezeichnet, und nach ihr hatten sich alle Gesellen und Lehrlinge bis ins letzte Detail zu halten.

Das charakteristische Flechtmuster aus Eichenholz wurde bald zum Inbegriff höfischer Eleganz. Wer etwas auf sich hielt – erst Adel und Kirche, schliesslich wohlhabende Bürger –, liess seinen Salon mit Versailler Parkett schmücken. Und wenn die Kasse stimmt, wird das Parkett des französischen «Sonnenkönigs» bis heute verlegt.

Sirup

Sirup selber machen ist einfach: Früchte je nach Saison, mit etwas Wasser kochen, sieben, mit Zucker erneut aufkochen und heiss abfüllen – fertig ist der Sirup. Lagert man ihn kühl und dunkel, ist er monatelang haltbar.

Doch Sirup schmeckt nicht nur süss, er kann auch ein Medikament sein.

Was kranckheit ein mensch thuet peladen, dem kan ich helffn mit gottes gnaden durch ein sirob oder recebt, das seiner kranckheit widerstrebt, das der mensch wirt wider gesund,

dichtete im 16. Jh. der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs. Sirup als Arznei, bei Verdauungsbeschwerden oder gegen Husten, kennen wir heute noch.

Das Wort Sirup kommt vom mittellateinischen siropus, und das wiederum aus der arabischen Heilkunde. Im «Kanon der Medizin», dem über Jahrhunderte einflussreichen Werk des persischen Arztes Ibn Sina aus dem 11. Jh., spielt die Herstellung heilender Sirupe eine wichtige Rolle. Heute dagegen bezeichnet das arabische شراب («scharab») von Saft bis Wein so gut wie jedes Getränk.

Softdrinks haben dem althergebrachten Sirup längst den Rang abgelaufen. Und doch sind sie im Grunde nichts anderes: Fruchtsaft- oder anderes Konzentrat ist leicht und kostengünstig zu transportieren; für den Offenausschank muss der Sirup nur noch mit Wasser verdünnt und mit Kohlensäure versetzt werden – «Postmix» nennt man das Verfahren. Ob Fanta, Sprite, Pepsi oder Cola: Am Anfang war auch hier der Sirup.

Gabel

Anfang des 11. Jahrhunderts heiratete ein Mitglied der venezianischen Dogenfamilie eine Prinzessin aus Byzanz, und die benutzte beim Essen ein Gäbelchen mit zwei Zinken. Ein Skandal: Wie konnte sie es wagen, die Speisen nicht mit den von Gott gegebenen Händen anzufassen? Für Hildegard von Bingen war die Gabel eine Verhöhnung des Herrn. «Gott behüte mich vor dem Gäbelchen», soll Martin Luther gesagt haben, und noch 1897 verbot die britische Navy ihren Matrosen das Essen mit der als unmännlich geltenden Gabel.

Im Gegensatz zum Messer hatte es die Gabel schwer.

Während ich einen saftigen Braten verzehrte,

berichtet um 1600 ein französischer Chronist,

bemerkte ich vier Herren, die nicht ein einziges Mal das Fleisch mit den Fingern berührten. Sie führten Gabeln zum Mund und beugten sich tief über ihre Teller. Da ich keine Erfahrung besass, wagte ich nicht, es ihnen nachzutun, und ass nur mit meinem Messer.

Im 18. Jahrhundert allerdings wendet sich das Blatt für die Gabel. Dem Adel beginnt es peinlich zu werden, sich beim Essen die Finger schmutzig zu machen. Wer nicht mit der Gabel umgehen kann, ist ein Tölpel. Und mit der Industrialisierung schliesslich wird die zuvor handgeschmiedete Gabel zum Massenprodukt. Sie besteht neu aus Edelstahl, bekommt in der Regel vier Zinken, wird etwas breiter und gewölbter. Und heute, wenn’s nicht gerade um Fastfood geht, ist das Essen ohne Gabel bei uns nur noch etwas für kleine Kinder – oder für Barbaren.

Meilenstein

Sie waren eine Art Vorläufer unseres heutigen Navis, jene runden, mehr als mannshohen Säulen entlang wichtiger Römerstrassen. In den Stein eingemeisselt waren Namen und Ehrentitel des jeweiligen Kaisers und die Entfernung zur nächstgelegenen Stadt, angegeben in milia passuum, also in tausend Doppelschritten (umgerechnet etwa 1,5 Kilometer). Auf Lateinisch hiessen die Säulen miliaria, ein Wort, von dem unsere heutige «Meile» abstammt. Das miliarium aureum auf dem Forum in Rom war der Ursprung aller Meilensteine. Es war eine Säule aus vergoldeter Bronze mit den Strassennamen und Entfernungen in die wichtigsten Städte des Reichs. In gallischen und germanischen Provinzen dagegen, wo früher Kelten gelebt hatten, trugen die Steine Distanzangaben in keltischen Leugen und heissen deshalb «Leugensteine».

Römische Meilensteine gab es bereits im 3. Jh. v. Chr, doch die meisten stammen aus der Kaiserzeit, also aus den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung. Auch in der Schweiz wurden Meilensteine aufgestellt – einer davon wurde 2013 von einem Bauern in der Waadtländer Gemeinde Pompaples entdeckt. Die Inschrift nennt Mark Aurel und Lucius Verus, die von 161 bis 169 n. Chr. gemeinsam als römische Kaiser amtierten; darunter stand die Distanz von 39 Meilen bis Aventicum, das heutige Avenches. So sind römische Meilensteine heute zwar keine Wegweiser mehr, dafür aber wichtige Zeugen römischer Verwaltungsgeschichte.

Bücherrad

Dies ist eine schöne künstliche Maschine, die sehr nützlich ist, weil man mit ihr in einer grossen Menge Bücher blättern kann, ohne sich von der Stelle zu bewegen.

So beschreibt der italienische Ingenieur Agostino Ramelli 1588 das von ihm erfundene Bücherrad. Diese Lesemaschine sieht ein bisschen aus wie ein Wasserrad für Bücher. Es besteht aus einem Holzgestell und zwei mannshohen Radscheiben. Dazwischen befinden sich acht Lesepulte, die von Zahnrädern so bewegt werden, dass die aufgeschlagenen Bücher ihre Neigung stets behalten und nicht zu Boden fallen. Auf diese Weise kann ein Leser durch einfaches Drehen zwischen verschiedenen Bänden und Textstellen hin und her springen – das Bücherrad gilt deshalb auch als eine Art Kindle des 16. Jahrhunderts.

Das Bücherrad wird im 700-Seiten-Wälzer mit dem Titel «Die verschiedenen und kunstvollen Maschinen des Capitano Agostino Ramelli» als einer von insgesamt 195 Apparaten beschrieben und abgebildet. Im Grunde war das Bücherrad unnötig kompliziert: Solche epizyklischen Getriebe waren bis dahin nur in astronomischen Uhren verbaut worden. Vermutlich auch deshalb hat Ramelli selbst nie ein solches Bücherrad gebaut, es ging ihm vor allem darum, sein mathematisches Genie unter Beweis zu stellen.

Ob es Bücherräder tatsächlich gegeben hat, ist nicht bekannt, doch aufwändige Nachbauten sind in einer ganzen Reihe europäischer Museen zu sehen.