Hamburger

Ein Brötchen, in zwei Hälften geschnitten, dazwischen ein Hacksteak, Ketchup, Zwiebeln: Fertig ist der Hamburger. Von einem Gericht zu sprechen, ist arg übertrieben: Das Sandwich namens Hamburger ist so simpel, dass sich ein eigentlicher Erfinder kaum mehr ausmachen lässt.

Sogar der Name liegt im Dunkeln. Dass er von der Hansestadt abstammt, liegt auf der Hand. Bloss wie genau? Die einen sagen, dass der Hamburger ein Kind jenes Snacks ist, der in Norddeutschland «Rundstück warm» heisst. Ein Rundstück ist ein Weizenbrötchen, in der Mitte steckt ein Stück Braten. Andere wollen wissen, dass der Hamburger – als Frikadelle zwischen zwei Brotscheiben – 1847 auf den Schiffen der Hamburg-Amerika-Linie zur Welt kam.

Vielleicht ist die Sache aber auch noch komplizierter: 1885 kam es auf dem Jahrmarkt der von deutschen Auswanderern gegründeten Stadt Hamburg im US-Bundesstaat New York zu einer verhängnisvollen Panne. Die beiden Brüder Frank und Charles Menches, Besitzer einer Imbissbude, hatten den Appetit der Besucher unterschätzt. Als das Schweinefleisch für die warmen Sandwiches alle war, musste ganz rasch Nachschub her – und auf die Schnelle gab es nur gehacktes Rind. Die Brüder klemmten unverzagt das Rindfleisch zwischen die Brotscheiben, und fertig war der Ur-Hamburger.

Ob der nun tatsächlich aus dem amerikanischen Hamburg stammt, bleibt umstritten. Immerhin: 2003 schlug der Tierschützer Joe Haptas allen Ernstes vor, die Stadt umzubenennen, von «Hamburg» in «Veggieburg». Ohne Erfolg – Hamburg blieb Hamburg.

Heinrich, süsser

Heinrich Wilhelm Kurz, gelernter Sattler aus dem hessischen Nidderau, war ein leidenschaftlicher Erfinder. Von ihm stammen Skizzen für eine Waschmaschine, einen Pfannkuchenwender, Stehaufmännchen, eine Auflaufbremse, eine Einzelradaufhängung für Fuhrwerke und einen Toilettenaufsatz für Kleinkinder. Und für einen Gegenstand, den wir noch heute täglich benutzen: den Zuckerstreuer.

Davor nämlich kam der Zucker aus der Dose. Jeder bediente sich mit seinem Löffel, die Menge war mehr oder weniger zufällig, und ausserdem konnte man nicht sehen, ob die Dose bald leer war. Kurzens Zuckerstreuer löste gleich eine ganze Reihe von Problemen. Er war aus Glas und mit einem Schraubdeckel hygienisch verschlossen. Durch den Deckel lief ein Rohr, das beim Kippen immer genau dieselbe Zuckermenge aufnahm und durch das abgeschrägte Ende abgab.

Bürokratie war seine Sache nicht, und Kurz starb 1934 als armer Mann. Seine Einfälle aber hatte er säuberlich in einem Büchlein notiert, das Jahre später seinem Enkel Theodor Jacob in die Hände fiel. Der meldete die Erfindung seines Grossvaters 1953 zum Patent an; ein Jahr später begann die Produktion.

Blieb die Sache mit dem Namen. Die Patentschrift sprach von einem «Portionierer für granuliertes Streugut». Weil das viel zu sperrig war, und um seinem erfinderischen Grossvater Heinrich Kurz die Ehre zu erweisen, wurde der Zuckerstreuer auf den Namen getauft, den man in Deutschland noch heute kennt: «Süsser Heinrich».

Inflationsziel

Das Papier, das 2010 in Washington erschien, barg Zunder. Sein Autor Olivier Blanchard, damals Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, dachte laut darüber nach, ob es nicht sinnvoll wäre, dass sich Notenbanken in guten Zeiten ein Inflationsziel von 4 Prozent setzen sollten. Im Klartext: Notenbanken sollten darauf abzielen, dass ein Dollar jährlich 4 Prozent an Wert verlöre, in 17 Jahren immerhin die Hälfte seines Werts. Ein Aufschrei war die Folge.

Das Ziel jeder Notenbank ist es, die Preise stabil zu halten. Eine Marktwirtschaft, ja der soziale Friede eines Landes hängen davon ab, dass Geld seinen Wert behält. In den Augen der Notenbanken aber heisst «Preisstabilität» nicht ein Nullwachstum, sondern vielmehr ein sachtes Ansteigen. Die Schweizerische Nationalbank, die Europäische Zentralbank und das Amerikanische Fed verfolgen unisono das Ziel eines Preisanstiegs von bis zu 2 Prozent. Die Entrüstung, die Blanchard entgegenschlug, war der vorgeschlagenen Höhe dieses Anstiegs geschuldet – bei den in Bern, Frankfurt und Washington salonfähigen 2 Prozent dauert die Halbwertszeit eines Dollars immerhin 34 Jahre.

Inflation, in Massen genossen, schmiert die Wirtschaft. Arbeitgeber profitieren, weil die Reallöhne sinken, ohne dass die Nominallöhne gekürzt werden müssten. Wenn ein Gut morgen mehr kostet als heute, wird es eher früher gekauft als später. Bei 0 Prozent Inflation fehlen diese Anreize, und im Fall einer Deflation, wenn die Preise allgemein fallen, werden Käufe in die Zukunft verschoben, weil sie dann günstiger sind. Eine geplante Inflation – ob von zaghaften 2 oder forschen 4 Prozent – ist daher vor allem eine geldpolitischer Spielraum, der eine blühende Wirtschaft vor dem Welken schützen soll.

Jeans

Levi Strauss, Sohn einer verarmten jüdisch-deutschen Familie und nach Amerika ausgewandert, besass seit 1853 einen Laden für Goldgräber in San Francisco. Die brauchten robuste Kleider, und die bisherigen Arbeitshosen aus Segeltuch hielten den Belastungen beim Schürfen und Goldwaschen nicht lange stand. Die häufigen Reklamationen brachten den Schneider Jacob Davis auf die Idee, die Nähte mit Nieten zu verstärken, und weil Davis nicht genug Geld besass, um ein Patent anzumelden, wandte er sich an den Händler Strauss.

Die erste Segeltuchhose, deren Taschen mit Nieten bewehrt waren, verkaufte Levi Strauss 1872; das einschlägige Patent folgte ein Jahr später. Der mit Indigo gefärbte extra robuste Baumwollstoff namens «Jean» löste das Segeltuch ab, und die Blue Jeans war geboren.

Der Jeansstoff war nicht vorgewaschen und entsprechend steif – nach der ersten Wäsche konnte die feuchte Hose ohne weiteres aufgestellt werden. Im Zweiten Weltkrieg brachten US-Soldaten die Jeans nach Europa. Filmstars wie James Dean oder Marlon Brando machten aus der Arbeitshose ein Symbol des Widerstandes gegen den bürgerlichen Mief. Schulen und Obrigkeit wetterten gegen die «Nieten in Nietenhosen», in der DDR waren Jeans in der Öffentlichkeit eine Zeitlang glatt verboten.

Ob kurz oder lang, ob Glocken-, Röhren-, Karotten- oder Shaping-Jeans, ob gebleicht, sandgestrahlt oder kunstvoll mit Rissen versehen – und obwohl Erfinder Levi Strauss selbst nie welche getragen hat: Seine Jeans sind nicht totzukriegen.

Karat

Mehr als 0,6 Kilo brachte er auf die Waage, der grösste je gefundene Diamant – in einer südafrikanischen Mine, die dem Unternehmer Thomas Cullinan gehörte. Den Riesenstein entdeckt hatte 1905 der Minenleiter Frederick Wells, und er gab ihm den Namen seines Chefs, «Cullinan».

Nun wiegt kein Mensch Diamanten mit der Haushaltswaage. Und auch das Kilo als Mass ist viel zu grob – Diamanten misst man in Karat. Allerdings nicht, weil das vornehmer klingt, sondern weil viel genauer gewogen werden muss. Ein metrisches Karat entspricht 0,2 Gramm, und so kleine Gewichtssteine liessen sich in der Vergangenheit kaum mit der nötigen Genauigkeit herstellen. Also, so lautet die Legende, nahm man die Samen des Johannisbrotbaums, weil die alle ziemlich genau 0,2 Gramm wiegen. Daher auch der Name – Karat oder arabisch qīrāt kommt vom Griechischen kerátion, Hörnchen, wegen der gekrümmten Schoten des Johannisbrotbaums.

Nun fanden Forscher der Universität Zürich zwar heraus, dass das Gleichmass dieser Samen nichts als ein Märchen ist – ihr Gewicht unterscheidet sich gleich stark wie bei allen anderen Pflanzen –, aber Menschen können mit erstaunlicher Sicherheit die jeweils leichtesten und schwersten Samen von Hand aussortieren. Die Körner, die übrig bleiben, wiegen im Durchschnitt genau ein Karat, mit einer Genauigkeit von einem Hundertstelgramm.

Der «Cullinan» war, als ihn der überglückliche Minenleiter aus dem Boden holte, 3106,7 Karat schwer. War, Vergangenheitsform. Der Riesendiamant wurde 1908, nur drei Jahre nach seinem Fund, von einem holländischen Diamantschleifer in über 100 Teile gespalten. Die neun grössten Brocken wurden geschliffen, sind heute Teil der britischen Kronjuwelen und liegen im Tower von London.