Tetra-Pak

Stadtkinder haben es schon immer gewusst: Die Milch kommt aus dem Tetra-Pak, einer genialen Erfindung, die zwar aus Karton, aber durchaus nicht von Pappe ist. Die Genies, das waren zwei Schweden: der junge Chemiker Erik Wallenberg und der Ingenieur Harry Järund, die sich 1943 eine völlig neue Verpackung für Milch ausdachten. Die hatte die Form eines Tetraeders – ein Körper mit vier Dreiecksflächen –, wie geschaffen für die Verpackungsindustrie. Ein Schlauch aus beschichtetem Karton wurde mit Milch gefüllt, um 90 Grad verdreht, abgeklemmt, verschweisst und abgeschnitten. So entstanden die charakteristischen Milchkartons mit ihren vier Ecken (tetra heisst griechisch vier), die dem Pak den Namen gaben. 1961, mit der ersten Schweizer Anlage, die Milch keimfrei abfüllte, gelang Tetra-Pak der internationale Durchbruch. Letztes Jahr wurden 74 Milliarden Liter Getränke in Tetra-Paks abgefüllt, die Menge, die in neun Stunden durch den Rhein fliesst.

Die spitze Dreiecksform, 1951 auf den Markt gebracht, war zwar modern, aber nicht sehr praktisch. Heute werden Milch, Fruchtsaft und sogar Rotwein in Kartons abgefüllt, die die Form von Ziegelsteinen haben und viel besser stapelbar sind. Auch wenn dieser Pappkamerad eigentlich Tetra-Brik heisst: Der Volksmund weiss es besser.

Heute ist Tetra-Pak nicht nur die Quelle, aus der die Milch fliesst, sondern auch ein Konzern mit 22 000 Mitarbeitern, mit Sitz im schweizerischen Pully und mit dem Motto «Schützt, was gut ist.» Damit sind beileibe nicht nur Getränke gemeint: Tetra-Pak besitzt 12 000 eingetragene Marken und Patente.

Theriak

Das Königreich Pontos lag an der Südküste des Schwarzen Meeres, in der heutigen Türkei. Hier zu regieren war nicht ungefährlich: Im 1. Jahrhundert v. Chr. herrschte König Mithridates, und sein Leben lang fürchtete er sich davor, vergiftet zu werden. So liess er aus Honig und Dutzenden weiterer Substanzen ein angebliches Gegengift herstellen, das er Mithridaticum nannte. Der römische Kaiser Nero, gut ein Jahrhundert später, hatte genauso viel Angst vor Gift: Sein Leibarzt ergänzte das Rezept um Zutaten wie Honig und Vipernfleisch. Dahinter stand der Glaube, dass Schlangen ja gegen ihr eigenes Gift immun seien und ihr Fleisch demnach vor Vergiftungen schützen müsse. Findige Apotheker begannen gar Opium beizumischen, und im Mittelalter wurde die mittlerweile «Theriak» genannte Arznei zum regelrechten Allheilmittel: Es sollte gegen jede erdenkliche Krankheit wirken, gegen Fehlgeburten und selbst gegen die Pest.

Theriak war teuer, und seine Herstellung ein glänzendes Geschäft. Damit stieg auch die Versuchung, minderwertige Substanzen beizumischen. Viele Städte, darunter Venedig, Monpellier, Toulouse, Nürnberg und Basel, verfügten daher, dass Theriak nur noch öffentlich und unter behördlicher Aufsicht gemischt werden durfte.

Erst im späten 19. Jahrhundert wurde Theriak von der modernen, evidenzbasierten Medizin verdrängt. In Museen und auf Trödelmärkten aber finden sich bis heute alte, prachtvoll bemalte Porzellangefässe mit dem mystischen Namen Theriaca.

Zunder

«Brennen wie Zunder» ist eine Redensart, und falsch ist sie obendrein. Zunder ist ein glockenförmiger Schwamm, der als Parasit auf dem Stamm von Laubbäumen wuchert, bis 30 Jahre alt und bis 30 Zentimeter gross wird, und der zum Feuermachen dient, aber nicht brennt, sondern glimmt.

Von Zunder und Feuerstein ist der Mensch seit jeher Feuer und Flamme. Schon in der Steinzeit wurde mit dem getrockneten Pilzgewebe gezündelt – auch Ötzi hatte Zunder dabei, als er vor 5300 Jahren von einem Pfeil in den Rücken getroffen wurde. In der Neuzeit wurde die Zunderherstellung raffinierter. Man entdeckte, dass die Mittelschicht des Schwamms – gekocht, geklopft, in Urin eingelegt und getrocknet – einen rehbraunen Filz ergibt, der buchstäblich beim ersten Funken zu glimmen beginnt.

Doch der Zunderschwamm, lateinisch fomes fomentarius oder französisch amadouvier, kann noch viel mehr. Im Mittelalter machte man aus ihm Westen oder Kappen – noch heute werden in Rumänien Zunderhüte und -taschen an Touristen verkauft. Bis ins 19. Jahrhundert war Zunder auch eine Heilpflanze: Als blutstillenden Verband gab es den so genannten fungus chirurgorum oder Wundschwamm beim Apotheker zu kaufen. Die Nachfrage nach dem braunen Gewächs war zeitweise so gross, dass der in Asien, Nordamerika und Europa überall heimische Zunder gar importiert werden musste. Heute hat der korkartige Schwamm nur noch einen dekorativen Zweck: Man findet ihn auf dem Blumengesteck oder auf dem Grabkranz.

Das ist durchaus stimmig, denn am Stamm alter, kranker Bäume ist er ein übler Schädling: Zunder verursacht Fäule und lässt die Birke, Buche oder Eiche am Ende brechen.