Spintrien

Die seltsamen Metallplättchen müssen den Archäologen die Schamröte ins Gesicht getrieben haben: 20 bis 23 Millimeter im Durchmesser, aus Bronze oder Messing, auf der Rückseite eine römische Zahl von 1 bis 16, auf der Motivseite ein Paar beim Sex, mit viel Liebe zum Detail, in immer anderen Positionen. Eine Art in Metall geschlagenes Kamasutra aus dem alten Rom. Die rätselhaften erotischen Münzen werden heute «Spintrien» genannt, weil der römische Schriftsteller Sueton im 2. Jahrhundert n. Chr. junge männliche Prostituierte als «Spintria» bezeichnet hatte.

Die Spintrien, wie sie auch in Pompeji gefunden wurden, geben der Wissenschaft bis heute Rätsel auf. Lange nahm man an, sie seien Jetons für Theater oder Bordelle gewesen, also eine Art Ticket oder Gutschein. Heute gilt als wahrscheinlich, dass viele davon aus ein und derselben Prägewerkstatt stammen und zwischen 22 und 37 n.Chr. geschlagen wurden – als Geldersatz, weil es verboten war, Münzen, die das Porträt des Kaisers Tiberius trugen, ins Bordell mitzunehmen.

Ob die teils sehr gut erhaltenen Spintrien eine Art Ersatzwährung in der Halbwelt war, oder vielleicht Figuren eines längst vergessenen Spiels oder am Ende doch bloss Garderobenmarken – ihr genauer Zweck bleibt unbekannt. Sicher ist nur, dass im kaiserzeitlichen Rom die Darstellung erotischer Szenen Alltag war. An den Hauswänden von Pompeji sind viele erotische Fresken zu finden. Und so glaubte man lange, dass die untergegangene Stadt am Vesuv ungewöhnlich viele Freudenhäuser gehabt haben müsse. Alles falsch: Freizügige Szenen, an die Wand gemalt, waren in römischen Kneipen und Schlafzimmern völlig normal.