Vespasienne

Vespasian, mit vollem Namen Titus Flavius Vespasianus, war Machtmensch, Politiker, General, loyaler Gefolgsmann Neros und wurde, nach dessen Selbstmord im Jahr 68 n. Chr., durch geschicktes Taktieren und Paktieren Kaiser von Rom. Realpolitiker, der er war, wusste er, dass seine Herrschaft vom Pegel der Staatskasse abhängen würde. Zu viele Kollegen, vom einfachen Senator bis hoch zum Kaiser, hatte er an leeren Kassen scheitern sehen. Not macht erfinderisch: Damit ihm nicht Gleiches widerführe – und weil Nero einen riesigen Schuldenberg hinterlassen hatte –, dachte sich Vespasian eine Latrinensteuer aus. In Rom war menschlicher Urin, so unappetitlich das klingen mag, ausgesprochen begehrt: Das darin enthaltene alkalische Ammoniak wurde für das Gerben von Leder und sogar für die Wäschereinigung gebraucht. Entlang belebter Strassen der Stadt wurden daher Amphoren aufgestellt, die von Gerbern und Wäschern täglich geleert wurden und deren Benutzung auf Anordnung des Kaisers ab sofort steuerpflichtig werden sollte.

Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet, dass Vespasians Sohn Titus an dieser Steuer wenig Gefallen fand. Als er dagegen aufbegehrte, hielt ihm Vespasian eine Handvoll Sesterzen unter die Nase und fragte:

Stört dich der Geruch?

Als Titus verneinte, befand der Vater barsch:

Und doch kommt es von der Pisse.

In verkürzter Form – pecunia non olet, «Geld stinkt nicht» – fand das Diktum Eingang in den abendländischen Zitatenschatz, und bis heute nennt man in Frankreich die männliche Stehtoilette vespasienne, als dunkle Erinnerung an römische Latrinen und einen gerissenen Kaiser.

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