Schlaraffenland

Das Schlaraffenland ist das Land urmenschlicher Sehnsüchte: Dort gibt es, laut verlässlichen Quellen wie dem Nürnberger Meistersinger Hans Sachs anno 1530, Häuser mit Türen aus Lebkuchen und Zäunen aus Bratwürsten und Brunnen voller Wein. An den Tannen hängen Krapfen, in den Flüssen schwimmen die gebackenen Fische, und den fetten Schweinen, allesamt bereits mundfertig gebraten, steckt praktischerweise bereits ein Messer im Rücken.

Die geografische Lage des Schlaraffenlandes allerdings hat die Wissenschaft bis heute nicht ganz klären können, und ebensowenig den sprachlichen Ursprung. «Schlaraffenland» besteht aus dem mittelhochdeutschen Wort slur, das «Faulenzer» hiess und mit der heutigen Schludrigkeit oder dem Schlendrian verwandt ist, und dem althochdeutschen Wort für Affe, der in Sanskrit kapi hiess und der laut den Gebrüdern Grimm mit dem altnordischen gapa verwandt sein könnte, «das Maul aufsperren, gaffen». Dessen Bedeutung wiederum spiegelt sich noch heute, so vermuten die Sprachexperten, in der Redensart «Maulaffen feilhalten». So gesehen wäre ein «Schlaraffe» nichts anderes als ein nichtsnutziger Tagedieb.

Der Theologie gilt, nach Hochmut, Geiz, Wolllust, Zorn, Völlerei und Neid, die Faulheit als siebte Todsünde, eben deshalb, weil sie ein urmenschliches Laster ist. Und die Welt trotz allem kein Schlaraffenland. Der da dem Meistersinger und Schlaraffenland-Erfinder Hans Sachs widerspricht, ist kein Geringerer als der alte Goethe:

Die Welt ist nicht aus Brei und Mus geschaffen,
Deswegen haltet euch nicht wie Schlaraffen;
Harte Bissen gibt es zu kauen:
Wir müssen erwürgen oder sie verdauen.

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