1873 hält die Moderne Einzug: Nach dem Vorbild der beliebten lock boxes in den USA eröffnet die Schweizerische Post als eines der ersten Länder Europas ihre allererste Postfachanlage. Sie besteht aus Dutzenden abschliessbarer Fächer, in die frühmorgens alle ankommenden Briefe einsortiert werden.
Das Postfach bietet seinem Besitzer drei Vorteile: Er braucht erstens nicht auf den Briefträger zu warten, sondern kann seine Briefpost abholen, so früh er mag. Zweitens kann er seine Wohnadresse für sich behalten: Die Postadresse lautet nur auf das Postfach, dessen Nummer und den Ort. Und drittens verteilen grössere Poststellen die eintreffende Post gleich mehrmals pro Tag. Das Postfach ist daher eine patente Dienstleistung für Firmen, Behörden, Vereine und für ungeduldige, auf Diskretion bedachte Briefeschreiber.
1873 noch postalische Avantgarde, haben E-Mail und Smartphone dem Postfach in den letzten 10 Jahren arg zugesetzt. Heute gibt es in der Schweiz noch rund 360 000 Postfächer. Doch obwohl die Post jährlich immer noch rund 18 Millionen Briefe zustellt, stehen 150 000 Postfächer leer. Das kommt die Post teuer zu stehen: In Städten stehen Postfachanlagen oft an Orten mit hohen Mieten.
Im Gegensatz zu den Telefonkabinen, die noch immer zur Grundversorgung der Post gehören, sind die Postfächer nicht Teil des gesetzlich vorgeschriebenen service public. 200 Anlagen wurden schweizweit bereits abgebaut, und die Nachfrage sinkt weiter. Obwohl sich die Postkunden eigentlich freuen könnten: Bei mehr als fünf adressierten Briefen pro Tag ist der Dienst nämlich gratis. Weil die Briefe auf Papier aber immer weniger werden, ist auch das Postfach immer mehr ein Dienst von gestern.